Der Mensch als Beherrscher der Natur

Ein Volksbuch von Curt Grottewitz

Herausgegeben von Wilhelm Bölsche, 1924

Walter Leistikow: Märkische WaldlandschaftWalter Leistikow: Märkische Waldlandschaft

Unser Wald.

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an kann nicht sagen, daß die Sympathie für den Wald im deutschen Volke geringer geworden wäre. Als die Pläne der Forstverwaltung, in der Nähe Berlins größere Abholzungen vorzunehmen, bekannt wurden, regte sich ein allgemeiner Unwille. Die Einsicht mag wohl populär geworden sein, daß der Wald ein Beschützer der Menschenkraft, eine Erholungsstätte für die vielen geworden ist, die in der Stadt an Körper und Geist siech geworden sind.

Aber in dem Unwillen schien fast noch mehr zu stecken. Man empfand in dem Vorgehen einen Angriff auf ein ideelles Gut; der Wald gilt bereits jetzt vielen als etwas Unverletzliches, als ein unveräußerliches Eigentum der Nation, das allen zu Nutzen ist und darum nicht geschmälert werden darf.

Jede Verkleinerung des deutschen Waldes wird nicht nur bedauert, sondern als eineVerletzung der vaterländischen Naturschönheit empfunden.

Die Ausrottung von Wäldern geschieht jetzt ebenfalls im allgemeinen seltener. Das liegt allerdings zum Teil daran, daß die Ländereien, die mit Wald bestanden sind, zu keinem anderen Zwecke mehr zu verwenden sind, wenigstens soweit sie sich in Privathänden befinden.

Bereits vor einigen Jahrzehnten sind die kleineren Laubwäldchen, die allenthalben die Ackerbaugegenden Mittel- und Süddeutschlands so lieblich unterbrachen, zum großen Teil verschwunden. Es sind nur die geblieben, welche steile Abhänge bedecken, auf denen eine landwirtschaftliche Kultur nicht möglich ist.

In den Sandgegenden der norddeutschen Tiefebene, wo noch weite Kiefernwälder in den Händen von kleinen Bauern sind, werden freilich noch heutzutage öfters Abholzungen im großen vorgenommen, da von seiten der Holzstoffabriken und der Grubenbesitzer den verschuldeten Bauern verlockende Angebote gemacht werden.

In vielen Fällen wird ja das kahl geschlagene Terrain wieder aufgeforstet, mitunter fehlt es jedoch an Zeit und Mitteln dazu, und der ehemalige Wald wird ein trauriges Steppenland, in dem kaum je wieder auf ein Emporkommen von Bäumen zu hoffen ist. Denn nach einigen Jahren ist der Waldhumus vollständig verflogen, und dann glückt nur selten eine neue Anpflanzung von Kiefern.

Eine sehr eigentümliche Veränderung geht gegenwärtig mit vielen Wäldern Deutschlands vor. Sie werden, möchte man sagen, stilisiert.

Durch den großen Aufschwung der Städte, der Eisenbahnstationen, durch das Populärwerden der Vergnügungsreisen, durch das Bedürfnis nach Bade-, Luftkur-, Vergnügungsorten hat der deutsche Wald an vielen Stätten einen ganz ungeheuren neueu Wert bekommen. Es gibt kaum noch einen herrlichen Wald, wo nicht eine Station für Fremdenverkehr errichtet würde.

Damit geht aber stets eine “Verschönerung” des Waldes Hand in Hand.

Man braucht nun dabei nicht gerade an die fast unvermeidlichen Wegweiser, Hotelschilder und Verschönerungsvereinsbänke zu denken. Jedenfalls aber bekommt der Wald in der Nähe des betreffenden Ortes ein neues Aussehen.

Es werden neue Bäume angepflanzt und neue Wege geschaffen. Der Wald wird parkartig.

Es mögen ja die wirklichen Naturfreunde die Waldursprünglichkeit diesen Parkanlagen vorziehen, und tatsächlich wird mitunter gerade ein herrliches Stück Natur durch diesen “geleckten” Engländerstil verdorben.

Aber im allgemeinen kann jeder, der Waldursprünglichkeit sucht, diese auch leicht finden, wenn er sich ein wenig über die nächste Umgebung des Vergnügungsortes hinaus entfernt.

In vielen Fällen jedoch wird der Wald tatsächlich verschönert. Alte Bäume, die sonst gefällt würden, werden erhalten, die pedantische Regelmäßigkeit, die in vielen heutigen Forsten ein allgemeines Wirtschaftsprinzip geworden ist, wird aufgehoben, in monotonen Kiefern oder Fichtenwäldern werden kleine Laubwaldidyllen geschaffen.

Es wird aber sehr auf den Geschmack des Landschaftsgärtners ankommen, ob er nur eine Anpflanzung vornimmt oder ob er eine ästhetisch wirkende Landschaft hervorzaubert. Der englische Stil mit seinen kühlen Pensionsformen weicht zum Glück mehr und mehr einem Naturstil, der sich bemüht, wirkliche Landschaftsmotive zum Ausdruck zu bringen. Und in diesem Falle kann die Umgebung eines solchen Waldvergnügungsortes in der Tat verschönert werden. Ein unbedeutendes Stück Forst kann in den herrlichsten waldartig wirkenden Park umgewandelt werden. Jedenfalls bekommt durch diese Anlagen der Wald gewissermaßen Schmuckplätzchen, die seine Umrandung lieblicher gestalten, während er im Innern doch seinen ursprünglichen großartigen oder ernsten Charakter bewahrt.

Die Anlagen bei Waldortschaften enthalten meist eine bunte Reihe ausländischer Pflanzen.

Dieser Internationalismus wirkt oft sehr grell, aber er ist eben ein Spiegel unserer von buntem Krimskrams erfüllten Zeit. Es fehlt noch die Abklärung, die Verarbeitung des Ausländischen und Äußerlichen zum Anheimelnden und Innerlichen.

In den letzten Jahrzehnten sind Unmengen von fremden Bäumen, Sträuchern, Zierpflanzen jeder Art zu uns eingeführt worden. Die Parkanlagen und Gärten haben infolgedessen meist etwas Fremdartiges, Jahrmarktähnliches; es ist alles schön ausgestellt, und man bewundert im allgemeinen den Glanz, die Abwechselung, das Bizarre und Exotische. Aber man fühlt sich nicht heimisch; die Pflanzenwelt ist zu fremdartig, sie sagt uns nichts. Es ist nicht möglich, mit ihr tiefere ästhetische Wirkungen zu erzielen, irgendeine Naturstimmung zu erzeugen. Es ist noch zu viel Hotel- und Pensionswesen, für Laufpublikum berechnet.

Aber eben für einige Zeit sieht man es ganz gern, und dem großen Walde geschieht schließlich dadurch doch kein Abbruch.

Es ist nicht unmöglich, daß der deutsche Wald in nächster Zeit auch mehrere ausländische Bäume, und zwar in größeren Beständen aufnehmen wird.

In den letzten Jahren hat man sich besonders begeistert für die Douglastanne, einen unserer Edeltanne einigermaßen ähnelnden Baum Nordamerikas. Süddeutsche, wie die großen von Schwappach geleiteten Anbauversuche in den preußischen Staatsforsten haben äußerst günstige Ergebnisse mit dieser Konifere erzielt. Sie ist ein Baum, der äußerst schnell wächst, also in kürzerer Zeit viel mehr Holzertrag liefert, als unsere einheimische Fichte und Tanne. Dabei ist sie keineswegs so auspruchsvoll wie diese, gedeiht also noch auf geringeren Bodenarten, die jenen nicht mehr zusagen. In den preußischen Staatsforsten sind über 146 Hektar, also doch nahezu 600 Morgen mit der Douglastanne versuchsweise bepflanzt, und zwar in den verschiedensten Gegenden. Aber überall sagt ihr das Klima zu, am milden Rhein ebensogut wie in der rauhen Johannisburger Heide in Ostpreußen, an der Ostseeküste ebensogut wie auf den Mittelgebirgen, bis zu einer Meereshöhe von 700 Metern. Voraussichtlich werden daher an vielen Orten Deutschlands Waldbezirke mit Douglastannen bepflanzt werden.

Nun braucht man indes nicht zu befürchten, daß dadurch unseren Fichten ein großer Abbruch getan würde. Denn skeptisch ist man ja doch allen Ausländern gegenüber geworden. Mitunter sind sie jahrzehntelang unübertrefflich, dann zeigt sich aber doch plötzlich ein großer Mangel, und enttäuscht kehrt man zum altbewährten Landeskinde zurück.

So hat ja auch die Weymouthskiefer nicht die großen Erwartungen erfüllt, die man auf sie gesetzt hatte. Trotzdem ist diese ein Baum von bedeutendem Werte, er ist in vielen Forsten im großen angepflanzt, aber, daß er etwa die gemeine Kiefer verdrängt hätte, davon kann nicht im entferntesten die Rede sein. Jedenfalls ist zurzeit die Weymouthskiefer derjenige ausländische Baum, der am meisten forstmäßig angebaut wird. Die Douglastanne wird sich aber voraussichtlich bald ebensosehr, wenn nicht noch mehr bei uns einbürgern.

Schwappach hat eine Reihe von ausländischen Baumarten zum Anbau bei uns geeignet gefunden.

Bemerkenswert darunter ist die Bankskiefer, die zur Aufforstung ganz verwahrloster Landflächen gute Dienste leistet. Nachdem abgeholzte Bezirke lange Zeit brach gelegen haben, oder zum Ackerbau verwandt worden sind, gelingt es nur sehr schwer, die gemeine Kiefer hier aufzubringen. Da ist denn die Bankskiefer ein ganz vorzüglicher Baum. Aus den Sandgegenden des östlichen Nordamerika stammend, wird sie nicht sehr groß und erlebt kein hohes Alter. Nach zwanzig Jahren ist ihre Kraft dahin, und das Holz kann eigentlich nur zu Heizzwecken verwandt werden. Aber sie bereitet der Kiefer den Boden vor. Sie gibt den jungen Pflanzen, die in ihrem Schutze aufwachsen, die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Selbst auf sterilem Flugsande ist die Bankskiefer mit großem Erfolge kultiviert worden, so daß man sehr große Hoffnungen auf diesen Baum setzen kann. Vorderhand ist freilich noch der Samen sehr teuer. Da aber die Bankskiefer sehr bald fruchtbar wird, so steht zu erwarten, daß in Deutschland selbst in einigen Jahren hinreichend Samen gewonnen wird.

Von den anbauwürdigen Bäumen sei nur der amerikanische Nußbaum erwähnt, der das vorzüglichste und teuerste Holz liefert, das nur auf deutschem Boden erwachsen kann, der aber guten Boden und mildes Rheinlandklima verlangt.

Auch die japanische Lärche zeigte sich nicht so launisch wie unsere Lärche der Sudeten und Alpen, die nicht überall gut gedeiht.

Eine wilde Kirschbaumart, die nordamerikanische Prunus serotina, wäre für uns sehr empfehlenswert, da sie sehr rasch wächst, ein vorzügliches Holz gibt und auch auf geringem Boden noch gut gedeiht.

Es ist immerhin möglich, daß unter diesen Bäumen sich einer als wirklich geeignet erweisen wird, in größerem Maßstabe im deutschen Walde angepflanzt zu werden. Und undenkbar ist es ja immerhin nicht, daß auch jetzt einmal ein ausländischer Baum Bürgerrecht bekommt, so wie es die Akazie, die Roßkastanie und früher der Wallnußbaum und noch mancher andere Obstbaum erhalten haben.

Die Veränderungen, die unsere Wälder aber durch die Aufnahme ausländischer Bäume vielleicht erfahren würden, wären doch nicht so groß, als die gewesen sind, die sie seit etwa einem Jahrhundert durchgemacht haben.

Heute gibt es eigentliche Wälder ja fast gar nicht mehr, wir haben eigentlich jetzt nur noch “Forsten”.

Das Revier wird in kleine Schläge eingeteilt, auf denen Bäume derselben Art und desselben Alters herangezogen werden. Jedes Jahr, eventuell auch nach Ablauf von mehreren Jahren, wird ein Schlag vollständig kahl gehauen und auf ihm eine neue ausaat oder eine neue Anpflanzung vorgenommen.

Ehemals befanden sich Bäume aller Altersstufen, womöglich auch aller Art durcheinander auf demselben Bezirk. Die schlagfähigen Bäume wurden ausgerodet, und an ihrer Stelle erhob sich ein junger Nachwuchs, der aus dem umherliegenden Samen ohne Zutun des Menschen hervorging. Die Natur waltete noch frei, und der Mensch kam zuweilen und erntete, aber ohne fühlbare Lücken zu reißen. Doch diese alte Plenterwirtschaft ist fast überall der Kahlhiebwirtschaft gewichen.

Es ist ja auch gar kein Zweifel, daß diese weit rentabler, “rationeller” ist. Aber es fragt sich doch, ob diese Rentabilität vorhält.

Es scheint doch so, als ob jetzt der Boden in einer Weise ausgenützt würde, daß der Baumbestand von Generation zu Generation kümmerlicher wird. Und eine angenblickliche Rentabilität, die auf Kosten der Zukunft erzielt wird, ist doch nicht gerade ein Ideal.

Der Wald ist nicht bloß ein Geschäft, aus dem schnell alles herausgewirtschaftet werden soll, was herauszuwirtschaften ist, um dann wieder ausgegeben zu werden.

Ein Volk hat die Verpflichtung, solch einen ungeheuren Naturschätz, wie es der Wald ist, unversehrt für die Zukunft zu erhalten.

Es stellen sich aber auch schon jetzt Zeichen ein, die gegen die Alleinherrschaft der heutigen Wirtschaftsweise sprechen und die auch viele Fachleute zu Freunden der alten Plenterwirtschaft gemacht haben.

Durch das Zusammenstellen gleichaltriger Bäume wird verheerenden Krankheiten Vorschub geleistet. Besonders in der Jugend sind diese Gehölze meist sehr empfindlich gegen Pilzkrankheiten und Insektenfraß. So wird die Kiefer z. B. oft von der Schütte heimgesucht, ganze Schonungen sterben auf einmal ab. Oder sie werden vom Rüsselkäfer zernagt. Und diese Schäden zeigen sich in manchen Wäldern so verheerend, daß die Forstleute ein Grauen erfaßt und sie ratlos dastehen. Es ist kein Jungwuchs mehr aufzubringen. Auch im rauhen Klima ist die Anfforstung kahl gehauener Schläge mit großen Schwierigkeiten verbunden. Im bayerischen Walde, in dem die Tanne einen sehr starken Prozentsatz des Baumbestandes bildete, ist sie seit der Kahlhiebwirtschaft ganz in den Hintergrund getreten. Die jungen, schlagweise gepflanzten und gesäten Tannen erfrieren im Winter, sie bedürfen durchaus des Schutzes älterer Bäume.

Diese Gefahr für den Nachwuchs und die rasche Abnutzung des Bodens wird vielleicht doch in einiger Zeit die wiedereinführung der Plenterwirtschaft in vielen deutschen Wäldern veranlassen. Dann würde der Wald wieder das alte natürliche Aussehen und den Reiz der Ursprünglichkeit erhalten, eine Freude für alle Naturfreunde, für alle, die im Walde nicht nur eine Fabrik für Holzerzeugung, sondern ein nationales Gut erblicken, das zur Freude und Gesundheit aller erhalten werden muß.

Die heutige Waldwirtschaft hat besonders dazu beigetragen, manche schöne Gehölzart selten zu machen, oder gar gänzlich zum Aussterben zu bringen.

So ist z. B. die Eibe, dieser herrliche schwarzgrüne Nadelbaum, in Norddeutschland eine Seltenheit geworden. Sie ist hier dem Aussterben nahe und in vielen Provinzen bereits vollständig untergegangen. Solch ein Baum wird eben mit den andern Bäumen desselben Schlages umgehauen, und natürlich wird an seiner Statt kein anderer wieder gepflanzt. Ein Baum wie die Eberesche oder die Birke, die sich so leicht durch Samen vermehrt und mit deren Samen, man könnte sagen, der ganze Wald jedes Jahr überstreut wird, - solche Bäume erscheinen immer wieder von neuem in jedem Forst. Aber die Eibe, die sehr langsam wächst und nur wenig Samen aussetzt, wird in kurzer Zeit in Deutschland vollständig ausgerottet sein, wenn nicht etwas Besonderes für ihre Erhaltung geschieht. Allerdings werden jetzt vielfach Bemühungen gemacht, die Forstbeamten auf seltener werdende Bäume ihres Reviers hinzuweisen, damit diese erhalten bleiben.

Auch die Elsbeere, ein schöner, der Eberesche nahe verwandter Baum, ist immer seltener geworden.

Dasselbe gilt von dem Speierling, der, ebenfalls der Eberesche verwandt, dieser weit ähnlicher ist, da er dieselben Fiederblätter wie sie besitzt.

Alle diese Bäume können sich bei der heutigen Waldwirtschaft nicht halten, sie sind unrettbar verloren, wenn sie nicht künstlich geschützt werden.

Die Schlagwirtschaft begünstigt überhaupt die Alleinherrschaft von nur wenigen “forstlich lohnenden” Bäumen.

So wird die Linde im Walde eigentlich als Unkraut angesehen, mit Pappel, Espen, Weiden ist dasselbe der Fall. Ein reiner Bestand von Kiefern, Fichten, Buchen, Eichen ist so recht das Ideal des heutigen Waldbaues. Da läßt sich im großen wirtschaften, alles leicht übersehen, uniform behandeln und gut berechnen.

Auch die vielen schönen Sträucher des Waldes verlieren sehr an Verbreitung. Die reinen Bestände unterdrücken zu gewisen Zeiten alles Unterholz, so daß dieses aus dem betreffenden Schlage für viele Jahre, vielleicht für immer ausgerottet wird. Bei der Plenterwirtschaft sind überall Stellen, wo Licht und Luft genug vorhanden ist. Da kann das Unterholz nie aussterben. Aber was kümmert sich der rationelle Waldbau um das Unterholz?

Und mit den schönen Sträuchern, deren Blüten und Früchte jung und alt erfreuen, nimmt auch die Vogelwelt ab, die den Wald belebt und die Insekten verzehrt, die den Bäumen schädlich werden.

Wieviel Poesie hat die Volkssage um die alten Sträucher gewoben, um die Hasel, den Weißdorn, den Holunder, den Wachholder. In vielen Forstrevieren gibt es davon jetzt nichts mehr zu sehen!

Wald-22.jpgTanne und Fichte mit charakteristischer Gipfelbildung

Wo haben wir noch Naturwald?

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s gibt auch jetzt noch einige Fleckchen deutschen Bodens, über die der Mensch keine Herrschaft ausübt. Noch liegen weite Ländereien vollständig unbenutzt da, Heiden und Moore dehnen sich aus, ohne daß sich die Kultur ihrer bemächtigt. Wo der Boden freilich nur einigermaßen einen Ertrag abgibt, steht er längst unter der Gewalt des Menschen. So ist denn auch der Wald nicht mehr wie in früheren Zeiten sich selbst überlassen, auch ihm ist das Zeichen der Kultur aufgedrückt worden.

Immerhin ist der Wald auch heute noch diejenige Vegetationsform, die auf überhaupt ertragsfähigem Boden am seltensten den Einfluß des Menschen zu spüren hat. Auf den Feldern und den Wiesen erfolgen jedes Jahr zum mindesten einmal, meistens aber häufiger und während vieler Tage, Wochen und Monate menschliche EingRisse. Der Wald bleibt oft jahrzehntelang unberührt.

Je ungeeigneter ein mit Bäumen bestandener Boden für den Landmann ist, um so weniger erfährt er den Einfluß des Menschen.

Es gibt besonders drei Arten von Wäldern, die noch die ganze Ursprünglichkeit der Natur besitzen.

So machen die kleinen Buschwälder, die im mittleren und südlichen Deutschlaud häufig inmitten von Feldern und an steilen Abhängen zu finden sind, in ihrer Ungepflegtheit, ihrer Wirrnis, der Mannigfaltigkeit ihrer Gehölzarten den Eindruck völliger Unberührtheit.

An solchen Abhängen ist Ackerbau unmöglich, mag der Boden im übrigen noch so kräftig sein. Und an dem schnellen Emporschießen von Ahorn, Birken, Rüstern, sogar von Eichen und Buchen, an dem dichten Buschwerk, das die Bäume umgibt, sieht man die Fruchtbarkeit des Bodens.

Diese kleinen Wäldchen befinden sich meist in den Händen von Bauern. Der Pflug kann an diese abschüssigen Stellen nicht heran, und jeder starke Regenguß droht das bearbeitete Land mitsamt der Ernte in die Tiefe zu reißen. Darum bleiben diese Wäldchen erhalten.

Allerdings in einer Zeit, wo dem Landwirt geraten wird, ein kalkulierender Kaufmann zu werden, hat mancher Bauer die Axt an das Waldstück gelegt, das Vater und Großvater unberührt gelassen hatten. Viel Segen ist aus solchen Landstücken nicht gerade gesprungen, aber das Prinzip der “rationellen Wirtschaft” ist gerettet worden.

Dergleichen kleine Waldgebiete bleiben vollständig ungepflegt, doch werden sie oft schon nach einem Zeitraum von fünfzehn Jahren vollständig abgeholzt. Dann werden die Bäume und Sträucher nicht mit den Wurzeln ausgerodet, sondern über der Erde abgehauen. Aus den Stümpfen schlagen dann neue Triebe mit großer Kraft hervor, und nach wenigen Jahren ist ein undurchdringliches Dickicht von übermannshohen Ruten entstanden. Die stärksten von ihnen erringen aber mit der Zeit die Oberhand und wachsen zu Bäumen auf. Neben und unter ihnen wuchert ein dichtes Strauchwerk.

Oft bleibt jedoch solch ein Wäldchen jahrzehntelang von Menschenhand unangetastet und es bildet sich allmählich ein Stück Natur aus, das an den Urwald erinnert. Bei der Abholzung bleiben außerdem oft einige größere Bäume stehen, entweder weil sie nicht gebraucht werden und es zu verschwenderisch wäre, sie als Brennholz zu benutzen, oder weil man sie als Nutzstämme sich noch besser ausbilden lassen will. Oft genug geschieht es auch, daß ein solcher Baum zu mächtig geworden ist und verschont bleibt, weil die Arbeit des Fällens zu viel Zeit und Mühe beauspruchen würde.

So bergen diese Wäldchen oft stattliche Eichen, Pappeln und Eschen.

Für den Landmann ist der Wald ein Holzreservoir, aus dem er jederzeit seinen augenblicklichen Bedarf an Werkzeugholz holen kann.

Von großem Werte aber ist er für die heranwachsende Jugend. Sie verlebt hier manche schöne Stunde, denn der Wald birgt Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Haselnüsse, er liefert Stöcke, Bast, der wie Bindfaden benutzt wird, Maiblumen, Pfeifen aus Weidenrinde, Eichelbecher, allerhand schöne Sachen, an denen Kinder Vergnügen finden.

Und wie schärft sich das Auge in der bunten Mannigfaltigkeit des Waldes, wie geschmeidig wird der Körper bei dem Umherschweifen durch und über das Dickicht, wie gesund die Seele in dieser grünen Umarmung des Waldes.

Diese kleinen Laubwäldchen machen einen überaus freundlichen Eindruck.

In ihnen herrscht die ganze wohltuende Innigkeit der deutschen Baumwelt. Der Wald trägt zu wenig alte Bäume, um ernst und majestätisch zu wirken, das reiche Buschwerk, die schlanken, nicht allzu mächtigen Stämme atmen Lebenslust, Freude und Milde. Um den Rand eines solchen Wäldchens schlingt sich eine dichte Hecke von allerhand Sträuchern. Hier wuchern Himbeeren, dort Brombeeren, an anderen Stellen Haselnußsträucher und verschiedene Büsche, die im Frühjahr mit schönen Blüten und im Herbst mit schwarzen oder roten Früchten dicht behängt sind. Hier finden viele Sträucher ihr Unterkommen, die im gepflegten Walde, in den Forsten immer seltener werden.

Im Gegensatz zu diesen freundlichen lieblichen Laubwäldchen inmitten fruchtbarer Ackerbaugegenden bietet ein anderer der Natur frei überlassener Wald das Bild vollkommenster Trostlosigkeit.

In den armen Landgegenden der norddeutschen Tiefebene, besonders im östlichen Teile derselben, besitzt jeder kleine Bauer seinen Privatwald, seine “Heide” - Kiefernwälder, die freilich nur selten den Eindruck eines staatlichen Kiefernforstes machen.

Armselig ist ja der Boden in den weiten Landgegenden der Mark überhaupt, aber natürlich hat man dem Walde im allgemeinen das armseligste Land angewiesen.

Es kommt dazu, daß der Bauer das geringe Stroh, das er erntet, verkaufen und dafür aus seiner Heide die Nadelstreu holen muß.

Die einzige Nahrungsquelle, die der Kiefernwald auf diesem öden Boden besitzt, geht ihm also verloren. Infolgedessen gedeiht die Kiefer, die schon viel Trockenheit und Armut vertragen kann, nur schlecht. Bald nach der Aufforstung gehen eine Menge Pflanzen zugrunde, sie vertrocknen, der Bestand wird lückenhaft, jedes Bäumchen steht einzeln und der Wald schließt weite kahle Plätze ein.

An einem solchen Krüppelwald sind Durchforstungen überflüssig, da die Bäume einander nicht im Wege stehen. Und So bleibt der Wald oft viele Jahrzehnte unbeeinflußt von Menschen.

Die Kiefer ist ein düsterer, Schwermütiger, melancholischer Baum, und über diesen Krüppelwäldern der norddeutschen Landgegenden liegt die ganze Hoffnungslosigkeit eines armen und reizlosen Bodens. Die Schwere, die Unbeweglichkeit, das Breite und Horizontale der Ebene lastet auf jedem Kiefernforst. Aber hier auf diesem, von traurigem Schwarzen Moos und silbernen Flechten nur leicht zusammengehaltenen Boden, auf dem ein verkrüppelter Kiefernstrauch oder ein Kieferzwergbaum steht, scheint ein Fluch zu liegen. Da die Kiefer ursprünglich schon in die Breite wächst, als wollte sie nicht gern den Boden verlassen und in die freie ausdörrende Hitze aufsteigen, so wird sie in diesen vernachlässigten Privatwäldern überhaupt nur zu einem viele Meter breiten Busch von nur geringer Höhe. Die Äste kriechen am Boden dahin, als wollten sie ihn bedecken, um etwas Frische in ihm zu erhalten. Allerhand verkrüppelte Gestalten sieht man hier, mehrstämmige Bäume, arme, gabelästige Zwerge, verbogene Kronen, windschiefe niedere Stämme.

Diese verkrüppelten Wälder haben oft eine größere Ausdehnung. Mancher kleine Bauer hat dreißig und mehr Morgen Holzland. In der Regel liegen die einzelnen Waldstücke eines Dorfes zusammen, so daß eine ausgedehnte Waldung entsteht, die meist an allen Stellen trostlos und vernachlässigt ist.

In diesen Krüppelwäldern herrscht in jeder Jahreszeit eine stille Verlassenheit. Der Frühling geht an ihnen fast spurlos vorüber, denn die grauen Jungtriebe, die im Mai sich zu strecken beginnen, sind kurz und an und für sich nicht besonders zierend. Im ersten Frühling singt zuweilen noch eine Goldammer oder ein Fink sein Lied, Sonst herrscht Stille in dieser öden Landschaft. Nur Selten kommt ein Mensch hierher, was hätte er auch hier zu suchen? Sollte er in diesen Wald gehen, um sich zu erfrischen? Wo die Sonne ärger als auf der Flur brennt und der Kienduft der armseligen Kiefern trockener und erschlaffender als der Hauch des offenen Feldes ist? Oder Sollte er hier seelische Erquickung holen, Trost im Leid? Er wäre an eine böse Stätte geraten, denn hoffnungslos starrt ihn die Landschaft an, in dem verdorrten Boden, in dem düsteren Grün der zerfahrenen und verbogenen Aste sitzt die Wehmut und singt ihr trostloses Lied.

Von wieder anderer Art sind die Wälder der oberen Bergregionen an der Grenze des Baumwuchses.

An diesen hochgelegenen Punkten ist die Holzwirtschaft mühsam und wenig lohnend, andererseits sind diese in die Höhe vorgeschobenen Wäldchen ein Schutz für die tiefer gelegenen, und schon darum liegt es im Interesse der Anwohner, sie möglichst unberührt zu lassen.

So findet man in den deutschen Alpen wie auf den höheren deutschen Mittelgebirgen, auf dem Riesengebirge oder dem Harz, in der Nähe der Baumgrenze Fichtenwälder, die vollständig sich selbst überlassen bleiben.

Sie haben ein sehr eigenartiges Gepräge.

In diesen Höhenlagen ist die Temperatur so niedrig geworden, der Boden lange Zeit des Jahres gänzlich, und auch im Sommer bereits in geringer Tiefe gefroren, so daß sich in ihm keine Pflanzen von hohem Wuchse entwickeln können. Die Fichten sind darum nur kleine Exemplare und stehen in diesem kalten Boden, aus dem der Nahrungsstrom nur langsam und spärlich fließt, nie sehr dicht. Die kleinen HochlandSträucher, die Preißel-, Heidel- und Rauschbeeren, wuchern üppig zwischen den isoliert stehenden Fichten und bilden einen hohen, angebräunten Rasen. Neben der Kälte haben sich diese Bäume noch mit einem andern schlimmen Feinde ihr Leben lang zu plagen: mit dem Winde. In jenen freien Höhen rast der Wind mit toller Wut über die kahlen Hänge und wirft sich in übermächtiger Leidenschaft auf die Bäume, die ihm die Stirn bieten wollen. Wie Truppen nach der Schlacht sehen die Fichten aus. Sie sind zerzaust, geknickt, die Äste beraubt. Der Wind knickt besonders alle Äste ab, die sich schräg zu seiner Richtung stellen, dagegen hat er nicht ganz die Macht über die Zweige, die von ihm abgewandt sind. So streckt denn mancher dieser Fichtenbäume seine wenigen Aste alle nach einer Himmelsrichtung, mancher hat nur einen Ast, er gleicht einem Krüppel, der den einzigen Arm, der ihm geblieben ist, hilfesuchend ausstreckt.

Aber es steckt trotz alledem nicht die zehrende Sehnsucht, die düstere Melancholie in diesen Fichtenwäldern, wie in den verkrüppelten Kiefernbeständen. Verkrüppelt sind auch diese Fichten, aber sie bewahren noch etwas von dem Stolze, von dem Streben in die Höhe, von der eleganten Geradheit des Wuchses ihrer Brüder auf den tiefer gelegenen Abhängen. Was ist die Fichte für ein stolzer, aufrechter, in allen Trieben unbeugsam aufstrebender Baum, ein kraftvolles, hochsinniges Kind der Berge! Die Ungunst der Verhältnisse läßt das Heer der silbernen Flechten aufkommen, die Stamm und Äste oftmals dicht umschlingen. In der reinen, klaren Bergluft ragen ihre spitz zulaufenden, astarmen Stämme kühn und trotzig in die Höhe. Und selbst wenn der Höhenrauch sie umzieht und der Nebel nur einen kleinen Teil des Waldes überschauen läßt, machen sie doch kaum einen düsteren Eindruck, eher möchte man in ihnen Scharen von Lanzenträgern erblicken, die, unbekümmert um Wind und Wetter, über die Berge ziehen. Denn Bewegung liegt in den kleinen, stämmigen Bäumen, dieselbe unruhige, kraftvolle, abwechslungsreiche Bewegung, die das Gebirge im Gegensatz zur Ebene kennzeichnet.

Kaum eine Blume blüht in diesen von Beerensträuchern überwucherten Höhenwäldern, kaum bemerkt man ein Tier, aber die Einsamkeit ist doch nicht niederdrückend, wie in den düstern Kieferwäldern, welche die Seen der Mark umrahmen.

Diese Einsamkeit hat etwas Erhabenes, auf diesen stolzen Bergeshöhen atmet ein Hauch der Ewigkeit, der das Gemüt erhebt; der Kampf der Fichten wirkt erfrischend, die Unberührtheit der Natur faßt uns hier mit unsichtbaren Zauberhänden und senkt einen Schatz von Kraft und Trost und Freude in unsere kulturmüde Seele.

Tanne und Fichte mit charakteristischer GipfelbildungKiefern im Schwarzwald

Die Kiefer.

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llüberall in Europa kann man die Kiefer antreffen, im Norden macht sie der Fichte den Rang streitig, im Süden hat sie sich aus die Höhe der Berge geflüchtet, in Deutschland sieht man sie in einzelnen Beständen in den Alpen, im Harz, im Elbsandsteingebirge und auch allenthalben in der Ebene.

Aber recht eigentlich zu Hause ist sie doch in der östlichen Hälfte des norddeutschen Tieflandes und speziell in der Mark, der waldreichsten Provinz des ostelbischen Landes. Hier ist sie der Charakterbaum, das Symbol und der Stolz der Gegend, hier beherrscht sie die Landschaft wie kein anderer Baum, keine andere Pflanze.

Hohe graubraune Stämme mit weiten, lockeren Kronen von einem stumpfen Grün, und so Stamm an Stamm, endlos in der Ebene fort; lange gerade Gestellwege offenbaren die ganze endlose Ausdehnung dieses ruhigen, mächtigen, eintönigen Waldes. Aus armem Boden mit spärlichem Pflanzenwuchs haben sich diese Bäume mühsam emporgernugen. Nun stehen sie schwer und lebensmüde da in eherner Unbeweglichkeit. Man fühlt die Schwere des Daseins, die Eintönigkeit der Ebene, die Melancholie des endlosen Flachlandes. Welch ein stolzes Emporstreben im Fichtenwald des Gebirges. Alles ist Höhe, Spitze, Bewegung, Abwechslung, lebendige Kraft und DaseinsIust. Aber diese gewölbten ungelenken Kronen, diese wuchtigen Stämme, die sich auf geradem, abwechslungslosem Plane erheben, machen den Eindruck müder Arbeiter, die an eine große, weite Arbeitsstätte freudlos festgebannt sind. Überschaut man von einem höher gelegenen Punkte aus diesen ebenen Kiefernwald, dann erscheint er wie ein stilles grünes Meer, das Größe atmet zwar wie jedes Meer, aber es ist die Größe unendlicher Einsamkeit, unsagbarer Wehmut, einer Trostlosigkeit, die das Herz niederdrückt. In der Ferne bekommt das grüne Meer einen bläulichen Ton, bis es dann das Blau der Ferne annimmt, das schließlich in einem sehnsüchtigen weißlichen Duft am Horizonte verdämmert.

Das ist aber nur das allgemeine Bild des märkischen Kiefernwaldes. Aber es gibt noch viele andere Bilder von der Kiefer in der Mark, doch die sieht man seltener, dazu muß man auf das platte Land gehen, weit von der Eisenbahn hinweg, in den Bereich einsamer Dörfer, durch die vielleicht nicht einmal eine Chaussee führt, zu denen kaum ein Fuhrwerk aus der großen Stadt gelangen kann, da weder Pferde noch Wagen daran gewöhnt sind, den losen Sand der Landwege zu passieren. Diese wesentlich anderen Bilder von der Kiefer findet man auch meist in den Privatwäldern, und es gibt in der Mark bedeutend mehr Privatwald als Staatsforsten.

Doch bleiben wir zunächst bei den Staatsforsten.

Hier entwickelt sich die Kiefer zwar nicht ganz naturgemäß, immerhin kann sie auch hier ihre Natur nicht verleugnen. Die Kiefer wächst langsam, sehr langsam sogar. Wird sie angesät, so dauert es vier, fünf Jahre, ehe man überhaupt ein Pflänzchen in dem Gras der Schonung wahrnimmt. Und wird sie angepflanzt, so dauert es mehrere Jahre, ehe die Pflanze recht ins Wachstum kommt. Gelingt daher eine Aussaat, so überholt sie leicht die Pflanzung. Solch ein Auspflanzen von Sämlingen, wo pro Morgen Tausende von Pflanzen erforderlich sind, verursacht sehr viel Mühe; da ist die Aussaat freilich einfacher, aber sie schlägt nur zu häufig fehl.

Die Kiefer wächst zunächst sehr regelmäßig, so wie alle Nadelbäume. Ihre Zweige bilden Quirle, deren Stiele spitz in die Höhe und nach außen ragen. Aber die langen Nadeln schwächen bei der Kiefer doch das Spitze und Emporstarrende ab, das die Fichte ihr Leben lang zeigt. Die Kiefer verzweigt sich zwar nicht reichlich wie die Fichte, aber infolge der langen Benadelung sieht sie doch buschiger und weniger pyramidenförmig aus. Die Last der Nadeln scheint die Kiefernzweige mehr herabzudrücken, daher wachsen nicht immer die Mitteltriebe eines jeden Astes ungestört weiter, vielmehr gewinnt leicht ein Seitentrieb, eine der Quirlseiten, die Oberhand. Dadurch wird das Wachstum unregelmäßig laubholzartig, die Symmetrie der Quirlförmigen Verzweigung geht verloren. Schon in der Jugend ist die Kiefer behäbiger, schwerfälliger als die Fichte, es ist ihr nicht bange darum, genug Licht zu bekommen. Auf dem armen, trockenen Boden ist ja Sonne genug. Eher möchte sie sich auf den Boden legen, wie alle Pflanzen, die auf trockenem Boden stehen. Einige Jahre lang wird es ihr auch gegönnt, recht in die Breite zu gehen, denn in den weit voneinanderstehenden Saat- oder Pflanzreihen hat sie Platz genug, sich seitlich auszudehnen. Das dauert freilich nur so lange, bis die Reihen sich berühren, bis die Pflanzen, wie der Forstmann sagt, Schluß bekommen. Das erste Jahrzehnt ist unterdes über die jungen Pflanzen dahingegangen. Nun beginnt eine neue Periode, die Zeit des hastigen Empordringens um jeden Preis.

Der Wuchs nach den Seiten ist unmöglich geworden, nur nach oben zu ist noch Platz, die Kameraden drängen sich dicht heran, Luft und Licht wird immer knapper. Und so wird jedes Bäumchen gezwungen, sich möglichst schnell nach oben zu strecken. Und das geschieht fast fieberhaft, die jungen Kiefern, noch eben vierschrötige Büsche werden schmale, dürre Bäumchen. Ihr Stamm ist dünn, ihre Kronen sind ganz klein, ihre unteren Aste, von silbernen Flechten umsponnen, verdorren.

Nun kommt die Zeit des Durchforstens. Die überzähligen Bäumchen, besonders die dünnsten und kleinsten Exemplare, werden ausgehauen, die unteren Äste ganz entfernt. Vorher war alles ein undurchdringliches niederes Dickicht, in dem die Hirsche sich gut verstecken konnten und in dem an warmen nassen Sommertagen die gelben Pfefferlinge prächtig hervorsproßten. Nun kommt wieder Luft und Ordnung in den Jungwald. Man kann zwischen den Reihen der Bäume hinlaufen, ohne von den Asten behindert zu werden, man kann selbst aus einer Reihe in die andere treten, da die Bäume jetzt genügenden Abstand voneinander haben. Freilich besonders schön sehen die Bäume im Stangenholzalter nicht aus, sie bleiben immer schmächtig, da sie stets möglichst Schluß behalten. In den Reihen herrscht ein gedämpftes Licht, das keinen Pflanzenwuchs aufkommen läßt. Eine graubraune Nadelstreu bedeckt den Boden. Man glaubt zwischen Wänden zu gehen, auf langen, schmalen Korridoren in einem endlosen Gebäude, nirgends eine Aussicht in die Ferne, kahler brauner Boden zwischen schnurgeraden Baumreihen, die mit ihren dürren Ästen den schmalen Gang überdachen.

Doch nach wiederholter Durchforstung wird der Wald lichter und lichter. Die Bäume brauchen jetzt einen größeren Abstand voneinander, und um diesen zu schaffen, muß die Anordnung in Reihen nach und nach aufgegeben werden. Nun macht der Bestand einen freieren, natürlicheren Eindruck. Wohl sieht der Forstmann darauf, daß alle Bäume möglichst gleich hoch sind, wie sie ja auch gleiches Alter besitzen. Aber eine solche Pflanzung von hohen, etwa dreißigjährigen Bäumen macht an und für sich den Eindruck starker Naturkraft, mag nun dabei des Menschen Hand im Spiele gewesen sein oder nicht. Jedenfalls wirkt aber die Beseitigung der Reihenordnung befreiend. Nun befindet man sich in einem zwar noch niedrigen, aber doch weiten Dom, der getragen wird von einer unabsehbaren Schar von Säulen. Der Boden bedeckt sich hier und da mit gelbem oder grünem Moos, oder es sprießt gar schon ein dickes, dunkles Gras hervor. Die Lederblätter der Preißelbeere liegen hier und da in vereinzelten Stengeln am Boden, und im Sommer und Herbst bilden die blauen Kronen der breitblättrigen Glockenblume einen bescheidenen Schmuck. Von Ende August an brechen dann Pilze in gewaltigen Scharen aus dem Boden hervor, unter ihnen der glänzendste seiner Klasse, der malerische, aber giftige Fliegenpilz, der mit seinem knallroten Hut und den weißen Perltupfen gar nicht zu diesen dezenten Farbennüancen des märkischen Kiefernwaldes zu passen scheint.

Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wird nun der Wald stattlicher und schöner. Die Bäume sind weit voneinander entfernt und bilden nun mit ihren hohen breiten Kronen eine erhabene, stolze Halle. Die Flechten an den Stämmen haben keine Macht mehr, man bemerkt sie nur, wenn man genauer zusieht. Der Stamm wird dicker, und unten erhält er eine graubraune, tiefgefurchte Borke, die sich in breiten, flachen Stücken absplittern läßt. Nach oben zu dagegen erhält der Stamm ein sehr schönes Rostbraun, das zumal bei tiefstehender Sonne, am Morgen und am Abend, herrlich leuchtet. Die Bäume, immer im Schluß erhalten, haben einen herrlichen, geraden, langen Stamm bekommen, der völlig astrein ist bis auf die kleinen, kaum merkbaren Stumpfreste, die die ausatzstellen der ehemaligen Quirltriebe verraten und an denen man so bequem das Alter des Kiefernbaumes abzählen kann. Denn von einem Quirl zum anderen ist ja stets ein Jahr vergangen. Obwohl die Kronen der Kiefern einen breiten und massigen Eindruck machen, so sind sie doch nie sehr dicht. Die Krone besteht aus zu wenig Ästen, und die Äste sind zu wenig verzweigt, als daß nicht genug Licht auf den Boden dringen könnte. Dieser ist darum grün, wenn auch meist seine Armut ein üppiges Pflanzenleben verhindert. Auf sehr schlechtem Boden sind es allerdings meistens Moose, die hier aber eine zusammenhängende Decke bilden. Häufig stellen sich Preißelbeerbüsche ein, und Heidelbeeren bilden stellenweise einen zusammenhängenden Teppich von großer ausdehnung. An sehr sonnigen Stellen wächst das gemeine Habichtskraut, die Grasnelke und die köstliche Erdbeere. Wildnelken, Glockenblumen sind überall zu finden.

Einen eigenartigen Schmuck erhält aber der märkische Kiefernwald durch den Wacholder. In manchen Revieren tritt dieser in großen Mengen und stolzen Exemplaren auf. In seiner steifen, schmalen Pyramidenform, die an die Lebensbäume und Zypressen der Kirchhöfe erinnert, macht der Wacholder einen äußerst melancholischen Eindruck. Wo die Bäumchen in Scharen vereint auftreten, da scheinen sie die Symbole eines großen Friedhofes zu sein, der sich hier unter der mächtigen Kiefernhalle ausdehnt. Obwohl im Lichte ziemlich hellgrün, erscheinen die Wacholderbäumchen doch im Schatten des Waldes düster Schwarz, und von diesen dunkeln, unbeweglichen Säulen geht ein trostloser Hauch der Trauer aus.

Dem Kiefernbestand gewährt man meist nur ein Alter von 80 bis 100 Jahren. Forstlich lohnt es nicht, die Bäume älter werden zu lassen. Der Zuwachs an Holz erfolgt dann so langsam, daß eine frische Aufforstung finanziell zweckmäßiger ist.

Leider wird aber das finanzielle Interesse meist zu einseitig von der Forstverwaltung wahrgenommen. Der Wald hat doch noch andere Aufgaben zu lösen, als Holz zu geben!

Sein ethischer und ästhetischer Wert wird noch sehr wenig gewürdigt, obwohl doch die körperliche und seelische Gesundheit des Menschen, der im Walde so viel Stärkung findet, wohl auch Faktoren sind, die für einen Staat Wert besitzen.

In der Nähe von größeren Städten, besonders allerdings an Vergnügungsorten, Kurorten und dergleichen, wo reiche Leute durch schöne Waldungen angelockt werden sollen, wird dem Kiefernwalde ein höheres Alter vergönnt. Und wirklich großartig und überwältigend wird dieser erst, wenn die Bäume ein höheres Alter erreichen.

Dann werden die Kiefern, die sich immer lichter stellen und einen erhabenen Hain bilden, immer mächtigere Kolosse, ihr Stamm verdickt sich ungeheuer, fast wie der der Eichen, und ihre Krone wird breit und malerisch. Starke Aste greifen weit aus, als wollten sie ihre markigen Hände sehnsüchtig ausstrecken nach einem Freunde, nach einem fühlenden Herzen, das sie doch nicht finden werden. Ein kräftiges Brausen geht durch die schweren Kronen, der Specht arbeitet an einem der alten Riesen, der anfängt morsch und lebensmüde zu werden. Dann klingt sein spöttisches Gelächter fühlbar durch die heilige Stille des alten Kiefernhains. Die ehrwürdigen Bäume erzählen von alten Zeiten, die sie durchlebt, von Stürmen und Mühen, die sie überstanden. Aber der Kiefernwald stimmt wehmütiger als jeder andere Wald. Warum, wozu das alles? Es wird ja doch vergehen in der Dürre des Bodens, in der Ungunst der nüchternen Sandebene! Die Nebelkrähen, die in den alten Kronen sitzen, fliegen auf und krächzen ein trauriges Sterbelied.

Der Kiefernforst wird hier und da von Wegen durchzogen. Diese sind meist vollständig gradlinig, da das Terrain ja in der Regel eben ist. Die Chausseen, die durch den Wald führen, bringen mit ihren Alleebäumen, Ahorn, Linde, Eiche, Ulme meist etwas Fremdartiges in den Wald, etwas Künstliches, das sich streng von dem Kiefernbestand abhebt. Die Straße selbst allerdings gewinnt durch den Wald ungemein; sie hat in ihm einen ernsten, feierlichen Begleiter, der zwar die Aussicht rechts und links verlegt, aber der doch im Dunkel seines Baumheeres, in der Länge seiner Ausdehnung die Phantasie beschäftigt. Ungemein charakteristisch dagegen sind die kunstlosen Waldwege; sie sind oft von sehr großer Breite, da es ja auf dem schlechten Boden auf etwas mehr oder weniger Terrain nicht ankommt. Sie sind teilweise mit dürrem Gras überwachsen, teilweise liegt der rohe weiße Sand, von Fahrgeleisen und Pferdehufen aufgewühlt, zutage. Der Fußweg führt entweder dicht an den Kiefern hin oder er befindet sich von dem offenen Wege mehrere Meter weit entfernt im Walde drinnen und führt zwischen den Bäumen dahin.

Solche Wege sind häufig von Birken eingefaßt, die ja im Sande ebenso gut gedeihen wie die Kiefer, dagegen im Dunkel des Waldes sich nicht wohl fühlen. Solche Birkenwege im Kiefernwalde wirken ganz eigentümlich, diese zierliche, leichte, bewegliche, weißglänzende Birke neben der handfesten, finsteren, schweren, starren, düsteren Kiefer - ein schönes, anmutiges Weltkind neben einem schwerblutigen, melancholischen Träumer! Der Kontrast ist sehr grell, ja der Gegensatz macht die lichte Birke noch lichter, die Kiefer noch düsterer und schwärzer. Auf vielen Waldwegen sind vier Reihen von Birken gepflanzt.

Hier muß man im Frühling sein, wenn der Mai das sehnende Lichtgrün des zierlichen Birkenlaubes hervorgezaubert hat. Dann werden die Reihen zu festlichen Aufzügen, die lichten Birkengöttinnen ziehen im Lenzesschmuck durch den dunkeln Kiefernwald, man glaubt sie tanzen zu sehen, sie singen und locken zu hören, aus ihrem Maiengrün duftet und klingt das alte Lied, das den Menschen immer wieder betört und das er doch ganz vergessen zu haben glaubte in dem Dunkel des ernsten Kiefernforstes.

An den Rändern der Waldwege, aber auch am Rande des Kiefernwaldes überhaupt sieht man recht häufig den Besenstrauch, der mit seinen kleinen Blättern den Eindruck macht, als bestände er nur aus kahlen dünnen grünen Ruten. Er wächst sehr schnell und breitet sich auch rasch aus, So daß er oft wahre Hecken an den Rändern hin bildet. Er sieht im Winter genau so grün aus wie im Sommer, aber im Spätfrühling überschütten sich seine dünnen Besenzweige mit einem Heer von großen goldgelben Schmetterlingsblüten.

Der Besenginster wird nicht sehr hoch, Manneshöhe erreicht er wohl niemals, und dann wächst er meist etwas struppig und sparrig, so daß er just zu diesem unglückseligen Sandboden paßt, den nur die Kiefer und die Birke nach langen Mühen siegreich überwinden.

Obwohl der Boden der Mark in der Regel eben ist, so erstreckt sich der Kiefernwald doch auch über die kleinen Hügel, die meist Überbleibsel alter Endmoränen aus der Eiszeit sind. Welliges Terrain schafft immer Abwechselung, und so bekommt selbst der Kiefernwald auf solchen Bergen etwas Freundlicheres. Wunderbar erhaben wirkt ein alter Kiefernhain auf dem Plateau eines solchen Berges, und selbst der Überblick, den man von hier aus bequem über die verschiedenartigen Bestände, junge Schonungen, Stangenholz und Hochwald hat, gibt viel Mannigfaltigkeit und Überraschung.

Das Unnatürliche der in graden Linien aneinander gereihten Reviere fällt nicht so stark ins Gewicht, da die Reviere durch ihre Ausdehnung, durch ihre Unzahl von Baumpflanzen, durch das Massige des Baumes selbst immerhn genug Naturgröße in sich schließen.

Ungemein gewinnt aber der Kiefernwald durch die Seen, die ja allenthalben in der Mark in zahlreicher Menge vorhanden sind. In der weiten flachen Ausdehnung, in den niedrigen Ufern atmen sie den Hauch der Ebene, die auch die Heimat der Kiefer ist. Zwar die Seen sind hell; von Felsenwänden nicht beschattet, nehmen sie kaum je strenge, gewaltige Farben an, sie besitzen auch fast nie ein tiefes Blau, sie haben fast immer verschwimmend weiße, hellblaue oder melancholisch-trübe Töne. So machen sie einen herbstlich-wehmütigen Eindruck, an ihren Ufern beschleicht den Wanderer ein Gefühl unendlichen Sehnens und trüben Wehes, das nur gemildert wird durch die Frische, die von dem Wasser ausgeht. Aber ohne Wald sind diese Seen nüchtern und reizlos, ihren stimmungsvollen Hintergrund erhalten sie erst durch die düsteren, in Ruhe und Schweigen erstarrten Kiefern. Das ist der schwarze Rahmen zu diesen sehnsuchtsvoll weißen weiten Seen der Mark.

In den meisten Fällen treten die Kiefern aber nicht dicht bis an den See heran, sie ragen vielmehr nur als Höhepunkte über die Ufervegetation heraus, die von dem Schilf über die Erlen des Seerandes zu den Kiefern emporsteigt. Auch die Birke sieht man hier häufig am Rande des Sees, und an manchen Stellen verdeckt sie im Sommer fast den Kiefernforst, auf dessen rotbraunen Stämmen und grünen Kronen sich im Winter die Schneeweißen Stangen und die leichtroten Birkenruten trübselig abheben. Häufig umschließt der Kiefernwald auch ein kleines Hochmoor, ein Luch, wie es in der Mark meist genannt wird. Die fast das ganze Jahr über düsterbraune Vegetation bekommt in der Umrahmung des schwarzen Forstes ein um so unheimlicheres Aussehen.

Im Gegensatz zum Staatsforst macht der Privatwald meist einen ungepflegten, aber darum meist viel natürlicheren Eindruck. Allerdings unterscheiden sich die Forsten, die große Gemeinden besitzen und die von Forstbeamten verwaltet werden, nicht vom fiskalischen Forst. Dagegen haben die bäuerlichen Kiefernwälder meist ein anderes Gepräge.

Der Märker nennt den Kiefernwald Heide, mag es nun ein großer Forst sein oder ein kleines Stück Stangenholz inmitten von Feldern. So hat auch jeder Bauer, überhaupt fast jeder Landbewohner seine “Heede”. Neuerdings werden auch diese bäuerlichen Kiefernwälder nach dem Prinzip des Kahlhiebs bewirtschaftet, der Wald wird in Reviere geteilt, die je einen gleichaltrigen Bestand tragen, und dieser wird, wenn er das schlagfähige Alter erreicht hat, vollständig abgeholzt, um dann neu aufgeforstet zu werden. Seltener trifft man jetzt noch die alte Plenterwirtschaft an, bei der Pflanzen jeden Alters durcheinanderstehen und bei der nur immer einzelne Stämme ausgehauen werden. Der Plenterwald verjüngt sich von selbst, die alten Bäume streuen ihren Samen aus und dieser wächst auf, wo er gerade hingefallen ist. So wächst die Kiefer auf natürliche Weise wie in einem Urwald empor. Allein selten sieht man hier doch, wie schon erwähnt, ein freudiges Gedeihen der Bäume. Einmal ist es eben der allerschlechteste Boden, den der Landbewohner seiner Heide übrig gelassen hat, während er den etwas besseren Boden zur Ackerwirtschaft benutzt. Dann aber raubt er dem Walde die einzige Nahrungsquelle, die dieser allenfalls noch besitzt, die Nadelstreu. Dieses Entfernen der Streu hat die ländlichen Kiefernwälder in einen Zustand trostlosen Kümmerns gebracht. Aber die Streu kann der arme Landbewohner doch in der Regel nicht entbehren, da er genötigt ist, sein Stroh zu verkaufen. So spiegeln denn, wie gesagt, diese Kiefernwälder die ganze Armut und Traurigkeit des märkischen Sandbodens wieder. In weiten Zwischenräumen stehen die Bäume voneinander, und unter ihnen ist der weiße Sandboden nur schlecht durch schwärzliches Moos oder silbergraue Flechten verdeckt. Die Bäume sind weite sparrige Büsche oder kleine dicke Krüppel, die sich von Mannshöhe an in zwei oder mehr starke krumme Äste auseinanderzweigen. Und nirgends ist eine Gleichmäßigkeit, jeder Baum ist eine Individualität, jeder erzählt in seinem ungeschlachten kurzen Wuchs, in seinen weitab stehenden Ästen von den Kämpfen, die er mit der Armut und Dürre des Bodens und mit dem Brand der Sonne ausgefochten hat. Hier und da sind weite Lücken in dem Bestande, ja selbst einen Viertelmorgen große Fehlstellen unterbrechen den kümmerlichen Wald und bilden ein trauriges, mit schwarzem Moos bedecktes Steppenland inmitten eines zwergigen, verkrüppelten Kiefernbuschwerks.

Das ist das trostloseste Bild, das ein Kiefernwald bieten kann, aber man findet dieses Bild häufig genug. Besonders wo Ländereien, die früher Steppe gewesen sind, neu aufgeforstet werden, da entsteht meist ein ganz trübseliger Wald. Manche Bestände sind aber auch durch die Schuld des Besitzers, durch vorzeitiges Aushauen aller nur einigermaßen brauchbarer Stämme und durch den unaufhörlichen Raub der Nadelstreu gänzlich heruntergekommen. Der märkische Bauer läßt seinen Bestand nur selten sehr alt werden. Wenn die Bäume vierzig Jahre alt sind, dann werden sie gewöhnlich geschlagen, dann sind sie gerade gut, um als Grubenholz verkauft zu werden oder ein einigermaßen gut zu verwertendes Brennholz zu geben. In den traurigen Verhältnissen, in denen er sich meist befindet, kann er für die Zukunft nicht sorgen, er muß nehmen, was ihm die Gegenwart bietet, obwohl es weniger ist, als es bei ruhigem Abwarten sein würde. Oft reicht es dann nicht einmal, um das abgeholzte Land wieder aufzuforsten, auch hofft mancher, das Terrain besser als Acker benutzen zu können, obwohl er fürchten muß, daß dieses in wenigen Jahren weder als Feld noch als Waldterrain einen Gewinn abwerfen werde, denn auf Land, das mehrere Jahre als Ackerland benutzt worden ist, kommt die Kiefer sehr schwer in die Höhe. Der Getreidebau hat die für den Baum wertvollen Stoffe vollständig aufgesaugt, oder diese haben sich verflüchtigt. Und so sieht man gegenwärtig viel ödes Land in der Mark, wo früher einmal Kiefernwald gestanden hat.

Wo der Boden und die Bewirtschaftung etwas besser ist, da wird der ländliche Wald dem fiskalischen ähnlicher. Er ist freilich immer nur ein dürftiges, monotones, trübes Stück Natur. Der eigentliche Hochwald fehlt ganz und gar, die Schonungen sind dürftig und die Bestände im Stangenholzalter haben auch weder etwas Imponierendes noch Anheimelndes. Da sieht man wirklich den Knüppelwald noch am liebsten, trotz seiner schmerzlichen Trostlosigkeit hat er etwas außerordentlich Malerisches.

Die Verwertung des märkischen Waldes ist keine sehr hohe. Die Forsten, die Bauholz oder Mastbäume verkaufen, erzielen ja mitunter höhere Gewinne. Der Bauer, der von seinem Walde im Durchschnitt 4 bis 5 Mark pro Jahr und Morgen erzielt, kann damit zufrieden sein. Vom fünfzehnten Jahre etwa an gibt der Bestand Streu, die zwar nicht sehr wertvoll ist, aber doch dem Vieh ein sauberes Lager verschafft. Gewöhnlich wird die Streu im Oktober geharkt, nachdem das “Kartoffelnbuddeln” und die Roggensaat vorüber ist. Je nach Bedarf wird aber das Zusammenharken der Nadelstreu auch zu jeder anderen Jahreszeit ausgeführt, nur muß das Wetter trocken sein. Nasse Streu macht, wenn sie in großen Haufen aufgeschichtet wird, leicht einen Gärungsprozeß durch, bei dem sie womöglich fast gänzlich niederbrennt. Das Durchforsten, bei dem die überzähligen und schwächlichen Bäumchen und viele Äste entfernt werden, wirft eine Menge Reisig ab, mit dem man sehr gern die Backöfen heizt, weil es ein rasches, heißes Feuer gibt. Aber selbst die Öfen in den Stuben werden damit geheizt, nur muß bei dieser Feuerungsart sehr häufig nachgelegt werden; der Ofen erfordert fast eine Person für sich.

Bei den ersten Durchforstungen fallen viele lange, schmale Stämmchen ab, die in der Regel ebenfalls als Brennholz benutzt werden. Sie finden aber auch als Bohnenstangen und als Zaunlatten Verwendung. Wenn der Bauer einen Bestand als Grubeuholz verkauft, so werden in der Regel die Bäume über der Erde abgesägt und der Stumpf bleibt im Boden. Es lohnt dann kaum, ihn auszugraben. Für gewöhnlich aber werden die Bäume mit den Wurzeln ausgerodet. Ist für die Stämme eine besondere höhere Verwendung vorgesehen, so wird der Wurzelstumpf abgesägt und die Äste abgehauen. Die Stämme, meist Stangen von 6 bis 8 Meter Länge und einem Durchmesser von etwa 20 Zentimetern am unteren Ende, werden auch zur Anfertigung von allerhand landwirtschaftlichen Geräten, Leitern, Heubäumen und anderen Dingen verwendet. Alles Holz, das sonst keine Verwendung findet, wird in meterlange Stücke zersägt und in einen Meter hohe und einen Meter breite Haufen aufgeschichtet, um dann kubikmeterweise veräußert zu werden. Die starken Stücke werden gespalten und als Kloben verkauft, die dünneren heißen Knüppel.

In den kleinen bäuerlichen Wäldern werden jetzt nur selten noch Stämme gezogen, die als Bauholz benutzt werden können. Dieses wird jetzt vielmehr allgemein aus dem (oder wie der Märker sagt: aus der) Forst bezogen. Die Kiefer gibt ein vortreffliches Bauholz, das nicht zu schwer und dabei haltbar ist. Alles Holz, das an den märkischen Häusern zu finden ist, stammt von der Kiefer. Balken, Dachsparren, Dielen, Türen usw. Aber auch die Möbel der Landleute sind aus Kiefernholz hergestellt, Tische, Stühle, Spinden, Bettstellen. Zu kleineren feineren Werkzengen eignet es sich weniger, denn es ist nicht sehr zähe, es bricht leicht. In den Dörfern der Mark dienen die jungen Kiefern auch als Weihnachtsbäume, und da man hierzu meist hübsch gewachsene, vollästige Stämme aussucht, so ist der Anblick solcher Weihnachtsbäume nicht so nüchtern und trübselig, wie man glauben sollte.

Der Kiefernwald behält Sommer wie Winter sein Nadelkleid; der oberflächliche Beobachter mag glauben, die Jahreszeit geht spurlos an ihm vorüber. So gegensatzreich wie der Laubwald ist der Kiefernwald allerdings nicht. Aber auch er wechselt doch im Laufe der Jahreszeiten sein Bild.

Im Frühjahr, nachdem der Fink schon lange im Wipfel der Bäume seinen schallenden Refrain herabgeschmettert hat, nachdem Auch der Goldammer sein schmachtendes “Dich, dich, dich hab ich lieb - lieb” aus dem Buschwerk einer alten Krüppelkiefer viele Tage lang gesungen hat, beginnt mit dem Ergrünen der Birke die Frühlingszeit des Waldes. Im düstern Kiefernwald wirkt das holde, weiche Maiengrün der Birke doppelt, hier ist sie ganz die Verkörperung alles lieblichen, das der Frühling bringt. Die von Birken eingefaßten Waldwege, der Platz, wo eine Birke in den Kiefernbestand eingesprengt ist, sind die Festräume, in denen der Wald die wiederkehr des Lenzes feiert. Nun schießt junges Gras aus dem Boden hervor, die Waldveilchen blühen und die Heidelbeeren belauben sich.

Etwas spät denkt jetzt auch die Kiefer an den Frühling. Die harzigen Knospen verlängern sich und der Baum beginnt zu blühen.

Bei der Kiefer sind die Geschlechter auf verschiedene Blütenstände verteilt. Die männlichen gelben Blütenzapfen, die eigentlich nur aus dicken, wulstigen Staubblättern bestehen, sondern eine Wolke gelben Puders ab. Sie heben sich deutlich von dem Grunde der Nadeln ab. Die Knospen verlängern sich zu Trieben, die eine hellgraue Färbung besitzen. Besonders die jungen Bestände, an denen der Frühlingstrieb sehr lang ist, haben zu dieser Zeit ein ganz verändertes Aussehen. Es ist ja keine besonders schöne Färbung, aber sie ist doch hell und licht, es steckt auch in ihr ein Teil der heiteren Lenzesfreude, die in der ganzen Natur sich regt. Die Nadeln der jungen Triebe sind in weiße, häutige Blattgebilde eingehüllt, erst ziemlich spät zersprengen die Nadeln diese Häute und treten in ihrem Grün ausgebildet hervor. Etwa um Johanni ist der Jahrestrieb der Kiefer abgeschlossen, dann ruht sie, bis der nächste Frühling neues Leben in ihr erweckt.

Während im ersten Frühjahr Fink und Goldammer besonders häufig ihren Gesang im Kiefernwalde ertönen lassen, hallt derselbe später wider von den vollen Glockenlauten des Pirols. Das ist die schöne Zeit, wo die Menschen Pfingsten feiern. Darum heißt der liebliche gelbleuchtende Sänger auch Pfingstvogel.

Nach Pfingsten wird es stiller im Walde. Die Vögel sind mit ihrer Brut genugsam beschäftigt, als daß sie noch rechte Muße und Lust zum Singen hätten. Das Gras schießt in Ähren, das Habichtskraut und die Grasnelke fangen an zu blühen. Der Sommer ist da, der schöne Hochwald in der Nähe der Städte und Ausflugsorte füllt sich mit Menschen, die hier Erholung und Kühlung suchen. Die kleinen Privatwälder, aber auch die jungen Bestände in den Forsten haben dagegen im Sommer eine Backofentemperatur. Es herrscht in ihnen eine schwere Luft, die kaum zu ertragen ist. Man fühlt in ihnen die ganze Dürre, die heiße Trockenheit des Sandbodens, der sich ein kühler Kienduft zugesellt. Die abgelegenen Waldgegenden werden nur selten von größeren Menschenscharen aufgesucht. Aber im Sommer, wenn die Heidelbeeren reif sind, dann wimmelt es mitunter geradezu von Waldbesuchern. Bald darauf kommen auch die Pfefferlinge hervor, auch sie sind eine sehr begehrte Ware, die viele in den Wald lockt.

Der Herbst kündigt sich durch das Erscheinen zahlreicher Pilze an, die aus dem braunen Nadelboden hervorbrechen; dann spinnt auch die Kreuzspinne allenthalben ihre Netze von Baum zu Baum und lauert zusammengeduckt auf ihre Opfer. In den späteren feuchteren Herbsttagen nimmt das Moos gewaltig zu und an den jungen Bäumen wachsen die Flechten. Die Birken an den Waldwegen werden gelb und verlieren schließlich ihr Laub, das Gras verbleicht und der Winter stellt sich ein. Hirsch und Reh verkriechen sich in das Dickicht des jungen Bestandes, und wenn erst der Schnee den Waldboden bedeckt und seine weichen Polster über die grünen Büsche der Schonung ausbreitet, dann wird die Arbeit der Spechte und Meisen eifriger. Sie müssen alle ihre KrÄste zusammennehmen, um in der kurzen Zeit der verkürzten Tage ihre Nahrung aufzubringen. Meisen, Goldhähnchen und Zaunkönig führen ihre Kletterkunststücke auf und der Kreuzschnabel zerreißt Kienzapfen um Kienzapfen. Das Eichhörnchen, das nirgens fehlende, der muntere Gast des Kiefernbaums, springt von Ast zu Ast, und wenn wir ihm nachjagen und es in die Enge treiben, dann rüttelt es an den Asten und ruckst und faucht, als ob es uns warnen wollte, mit ihm anzubinden. Und während Eis und Schnee den Wald umfängt, reifen die Fruchtzapfen der Kiefer und streuen ihren Samen hin über den Wald in der Hoffnung, daß er eine gute Stelle finden werde, wo der Frühling ihn erweckt zu einem neuen Baume, der bestimmt ist, gleiches Schicksal auf märkischem Boden zu ertragen wie seine Vorfahren.

Die Kiefer ist in der Mark nicht nur Waldbaum, sie muß hier sogar dazu dienen, Wege einzufassen. Die Feldwege, die von Dörfern aus auf die Äcker oder in die Wälder führen, sind sehr häufig von langen Reihen von Kiefern begleitet. Hier auf solchem freien Stande bekommt der Baum einen dicken, kurzen, verästelten Stamm und eine breite Krone, er kann so recht seiner Eigenart folgen, ins Sparrige und Breite zu wachsen. Und so sieht er aus wie ein vom Schicksal schwergebeugter Mann, ein Kämpfer, der durch die Ungunst der Verhältnisse niedergedrückt wird, so daß er sich nie eines Sieges erfreuen kann. Düstere, verkrüppelte Gestalten, begleiten sie den trostlosen Sandweg. Um ihren Stamm ist das Erdreich durch Vermischung mit der Nadelstreu fest geworden und gern wandelt der Wanderer unter dem Schatten der düsteren Bäume dahin. Aber die wie lebensmüde sich herabneigenden Aste hindern immer von neuem daran, an den Stämmen entlang zu gehen. Und des ewigen Ausweichens müde, sinkt der Fuß schließlich doch wieder in den lockeren Sand des Weges und stapft unverdrossen vorwärts.

Fichtenwald im Rotmurgtal (Schwarzwald)Fichtenwald im Rotmurgtal (Schwarzwald)

Die Fichte.

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och ist Weihnachten nicht lange vorüber, an dem wieder wie alljährlich unzählige Fichtenstämmchen in buntem Schmucke aus den Tischen der Armen wie der Reichen prangten. Als Gruß aus der Natur war der “Tannenbäum” hereingekommen in das festliche Zimmer, um mit seiner Frische, seinem wundervollen Waldesduft, mit feiner grünen Waldschönheit die Festesstimmung zu erhöhen. Er war hereingekommen, aber er hatte uns mit sich hinausgeführt, er hatte unsere Gedanken hinweggeführt in sein Reich, in seine Heimat, in der er wohnt und lebt.

Die Fichte ist ein Kind des Gebirges. Gleich den Bergen, den steilen Hängen und Felsen, aus denen sie steht, hat sie in ihrer Gestalt wie in ihrem Wachstum etwas Aufstrebendes, etwas sieghaft Empordringendes. Stolz und Eleganz zugleich liegt in ihrem Wesen, mehr als in dem irgendeines anderen deutschen Baumes. An Stolz mag mit ihr die Eiche, die Buche wetteifern, an zierlicher Eleganz die Birke sie übertreffen, aber beides zugleich, jenes Gemisch von kühnem, männlichem Hochstreben und formvollendeter Würde kennzeichnet sie allein, die Fichte.

Die Fichte ähnelt noch am meisten der Tanne, der Edeltanne, und im Unterschied zu dieser wird sie auch Rottanne, Pechtanne, Schwarztanne genannt. Im Volksmunde heißen an vielen Orten beide Bäume Tanne, besonders werden die jungen Fichtenbäumchen, die als Weihnachtsbaum bei Jung und Alt bekannt sind, Tannen genannt. Im Hochwalde, wo Fichten und Tannen gemischt sind, gleichen sich beide Bäume derart in ihrer Tracht, daß sie auf den ersten Blick leicht miteinander verwechselt werden können. Der auffälligste Unterschied zwischen beiden Bäumen liegt in ihren Blättern, den Nadeln. Bei der Tanne haben die flachen, platten Nadeln auf der Unterseite zwei silberweiße Längsstreifen, die bei der Fichte fehlen. Dagegen sind bei dieser die ziemlich vierkantigen Nadeln an der Spitze scharf stechend, während die Blätter der Tanne am oberen Ende etwas eingebuchtet sind. Auch die Stellung der Nadeln ist bei beiden Bäumen verschieden. Bei der Tanne sind sämtliche Blätter derart zweireihig an den Zweigen angeordnet, daß sie sämtlich einen ebenen, zweiseitigen Kamm bilden. Bei der Fichte dagegen sind die Nadeln ziemlich regellos um den ganzen Zweig rundum gestellt. Bei der Tanne bleiben ferner die Fruchtzapfen auch nach der Reife aufrecht stehen, während sie bei der Fichte lose von denZweigen herabhängen. Kein anderer Baum hat eine so regelmäßig gebaute Gestalt wie die Fichte. Bis ins hohe Alter hinein behält sie überall, wo sie sich frei entwickeln kann, auch dicht unten am Erdboden, ihre Äste bei, während diese bei anderen Bäumen nach und nach verdorren, So daß bei ihnen ein hoher, freier Stamm entsteht. Die Fichte ist von unten auf mit regelmäßigen Serien von Asten dicht umgeben, dadurch erhält sie die eigenartige, straffe Gestalt einer schmalen Pyramide, die oben in eine lange, speerartige Spitze ausläuft. Wo die Bäume freilich dicht gedrängt aneinanderstehen, da müssen auch ihre Äste unten aus Mangel an Licht und Luft verkümmern und schließlich abfallen. Alsdann bilden sich auch bei der Fichte astfreie, lange Stämme, aber die Krone behält trotzdem ihre strenge Pyramidengestalt bei. Blickt man von oben her auf einen Fichtenwald, so sieht man nicht ein dichtes, ebenes, zusammenhängendes Grün wie bei der Kiefer oder der Buche, da erblickt man vielmehr ein Heer einzelner, gleichsam mit emporstarrenden Spießen bewaffneter Individuen. Das spitzige Aussehen der Fichte rührt vor allem daher, daß ihre Blätter, ihre Nadeln so kurz sind und so dicht An den Zweigen anliegen, daß diese in ihrer ganzen schmalen Länge ausdrucksvoll hervortreten. Der allgemeine Wuchs der Koniferen vertieft aber dieses Merkmal. Denn jeder Nadelbaum bildet im Frühjahr an jedem Ende seiner Zweige einen einzigen, steil aufragenden langen Haupttrieb, der sich nicht verästelt. An seiner Basis aber entspringen quirlartig im rechten Winkel sich abzweigende Seitentriebe. So besteht denn der ganze Fichtenbaum aus starren, spitzen Astquirlen, und weil ein jeder von ihnen mit stechenden, kurzen Nadeln gepanzert ist, darum macht die Fichte einen so ritterlichen, frischen, elastischen Eindruck.

Und diese unendlich morgenfrische Eigenart der Fichte ist zugleich das Abbild des Bodens, aus dem sie hervorgegangen ist und in dem sie wurzelt. Sie ist die Bewohnerin jener freien Bergeshöhen, in denen die Luft kühler und feuchter ist als in der Ebene. Selbst den Fuß der Gebirge, die Hügel bis zu 600 Meter Meereshöhe, überläßt sie der Buche und anderen Laubhölzern, aber weit oben, wo die Sonne ihre austrocknende Macht verloren hat, wo Wasserdampf fast immer die Luft erfüllt und häufig als Höhenrauch sich in ihren Kronen verdichtet, wo die Quellbäche schäumend und spritzend von den Bergen stürzen und der Waldboden mit Wasser vollgesogen ist, da oben ist ihre eigentliche Heimat. Darum ist sie der Charakterbaum der deutschen Mittelgebirge, des Riesengebirges, der sächsischen Gebirge, Thüringens und des Oberharzes. Aber sie beherrscht auch den größten Teil des Alpengebirges und erreicht in den Pyrenäen und in Serbien ihre Südgrenze. Hier im Süden aber zieht sie sich auf die höchsten Bergzonen zurück, während sie im Harz bis auf die Meereshöhe von etwa 400 Meter herabsteigt. In noch nördlicher oder kälter gelegenen Gebieten treten natürliche Fichtenwälder auch in der Ebene auf. Schon im östlichen Norddeutschland, vor allem aber in Skandinavien und Finnlaud fühlt sich die Fichte auch in der Ebene heimisch. Sie fehlt im Kaukasus, aber sie tritt weiter östlich im südlichen Sibirien wieder auf und dringt bis zum Amurgebiete vor. Obwohl sie ein Baum ist, der eine kühle Temperatur liebt, so bildet sie doch nur in Deutschland die Baumgrenze auf den Höhen der Gebirge. In den Alpen reicht die Zirbelkiefer in höhere Regionen als sie, im Norden steigen Fichte und gemeine Kiefer gleichweit in die Höhe, aber die Fichte dringt nordwärts doch nur bis zum 67.Breitengrade vor, und hier bilden erst unter dem 71. Breitengrade Lärchen und Birken die Baumgrenze. Es scheint demnach, daß die Fichte vor allem ein deutscher Baum sei. Denn nur bei uns beherrscht sie die Gebirge fast ausschließlich und allein.

Dem Leben im Gebirge hat sich die Fichte vor allem durch die Art ihrer BeWurzelnng angepaßt. Der Boden der Gebirge besteht in der Regel aus einem festen Gestein, dessen Oberfläche durch Verwitterung zu einer Schicht von Muttererde umgewandelt worden ist. Aber diese Schicht liegt an den Bergeshängen ziemlich flach, da sie unaufhörlich durch das Wasser zu Tal gerissen wird, und sie ist mit kleinen und größeren Steinen dicht durchsetzt, die der Verwitterung bisher Widerstand geleistet haben. Sie ist häufig sogar mit riesigen Felsblöcken dicht besäet, die von eingestürzten Wänden übrig geblieben sind. Die Fichte sendet nun ihre Wurzeln ganz flach unter der Oberfläche dahin, ohne sie wie andere Bäume in der Tiefe zu verankern.

Aber die Wurzeln stützen den Baum trotzdem oder vielleicht gerade dadurch vorzüglich. Sie laufen nach allen Seiten lang unter der Oberfläche dahin, umklammern dabei in eigentümlicher Weise die Steinblöcke und suchen selbst im harten Fels in tiefen Ritzen und Spalten Halt. So bilden sie denn für den Baum gewissermaßen elastische Streben, die ihm auch am steilsten Hang und beim wütenden Angriff der Gebirgsstürme einen sicheren Stand gewähren. Wo die Fichten gesellig stehen, da verflechten sich ihre Wurzeln derart ineinander, daß jeder Baum an dem andern eine feste Stütze findet. Zugleich aber ist diese Art der BeWurzelnng, wie sie die Fichte besitzt, vorzüglich geeignet, den flachen Boden kräftig auszunutzen. Da die Wurzeln in dem harten Gestein der Tiefe keine Nahrung erschließen können, so breiten sie sich flach in dem oberen mürben Boden aus, der durch Verwitterung in eine fette, lehmartige Erde übergegangen ist, die alle nötigen Nährstoffe in reicher Menge enthält. Auch in der Ebene bevorzugt die Fichte solch schweren Lehmboden, in ihm kann sie sich bei ihrer flachgehenden BeWurzelnng auch besser festhalten, als in leichteren Erdarten. Zudem hält der Lehmboden die Feuchtigkeit sehr gut in sich zurück, und Feuchtigkeit ist das Lebenselement dieses Baumes. In trockenem Boden, in trockener Lage verkümmert er in kurzer Zeit.

Auf dem Gebirge ist die Fichte ein höchst widerstandsfähiger Baum. Hier unterdrückt sie schließlich alle anderen Bäume, die mit ihr in Wettbewerb treten. Dabei ist sie jedoch in ihren ersten Lebensjahren gegen die meisten anderen Baumarten insofern viel ungünstiger gestellt, als sie nur sehr langsam wächst. In den ersten vier Jahren wird sie kaum einige Zoll hoch, Gräser und Sträucher machen ihr in dieser Zeit eine schwere, oft vernichtende Konkurrenz. Wo die Wälder sich selbst überlassen bleiben, wachsen die jungen Fichten besonders unter uralten Exemplaren auf, unter deren Riesenkronen die nicht allzu lichtbegierigen Sämlinge vor Überwucherung durch andere Pflanzen am besten geschützt sind. Wo der Mensch aber seinen Einfluß Auch auf den Gebirgswald geltend macht und der Forst parzellenweise durch Kahlhieb ausgerodet und wieder aufgeforstet wird, da überzieht sich der ganze Schlag in kurzer Zeit mit Gras und Kräutern. Diese würden die junge Fichtensaat völlig unterdrücken, und so bepflanzt man denn die Waldschläge gewöhnlich mit mehrjährigen Fichtensämlingen, die man in einem besonderen, ganz unkrautfrei gehaltenen Saatkamp anzieht. Natürlich verschwinden auch hier zunächst die Sämlinge fast gänzlich in der üppigen Vegetation des Waldschlages, der sich bereits im zweiten Jahre nach der Abholzung in eine Art Wiese umgewandelt hat, in der neben hohen Gräsern schöne Gebirgsblumen, roter Fingerhut, Enzian und Habichtskraut sich entfalten. Aber nach dem vierten und fünften Jahre kommt in die jungen Fichtenpflanzen ein neuer Lebenstrieb. Nun wird aus dem wiesenähnlichen Holzschlag eine junge Schonung. In langen, grünen Reihen treten die jungen Nadelbäumchen hervor, in wenigen Jahren berühren sich auch die Reihen, die Fichten Stehen nun in der ganzen Schonung Schulter an Schulter, sie haben “Schluß” bekommen. Jetzt bilden sie ein so finsteres, undurchdringliches Dickicht, daß aller Graswuchs jäh erstirbt. Braune Nadeln bedecken nunmehr den Waldboden mit einem dichten, gleichförmigen Teppich auf Jahrzehnte hinaus.

So schießen die Fichten im Wettbewerb miteinander Schnell empor und erst später, nachdem entweder von Menschenhand oder durch unterliegen der Schwächeren Platz geworden ist, wird der Fichtenwald wieder etwas lockerer und luftiger. Nun sprießen Moose und zierliche Farne, Sauerklee und Heidel- und Preißelbeergestrüpp aus dem Boden hervor.

In einem ziemlich späten Alter, erst nach 50 und mehr Jahren, fängt die Fichte an zu blühen und zu fruchten. Alsdann schüttelt der Wind im Frühjahr den gelben Staub aus den männlichen Blütenstauden, es entstehen mitunter wahre Wolken von Staub, die die Veranlassung zur Sage vom Schwefelregen gegeben haben. Der Blütenpuder gelangt auf die weiblichen Blütenstände, die bekannten Fichtenzapfen. Diese entwickeln bereits bis zum folgenden Winter ihren Samen, der jedoch im darauffolgenden Frühjahr aus den Zapfen herausfällt, soweit er nicht bis dahin den Spechten, dem Kreuzschnabel und anderen Waldvögeln als Winterfutter gedient hat. Immer noch wächst der Baum weiter, so daß er schließlich eine Höhe von 40-50 Metern, ausnahmsweise sogar eine solche von mehr als 60 Metern erreicht. Die Fichte kann bis über dreihundert Jahre alt werden. Wo sie aber Gegenstand der Forstkultur geworden ist - und das ist sie fast überall - da läßt man die Bäume nie über 120 Jahre alt werden. In der Gegenwart, wo Zeit angeblich Geld ist, wollen einige Forstmänner herausgerechnet haben, daß die Fichtenkultur bei nur 80jährigem Umtrieb den höchsten Ertrag liefere. Meist gönnt man aber den Bäumen hundert Jahre.

Am wertvollsten wird uns die Fichte durch ihr Holz. Sie liefert in ihren geraden, glatten Stämmen ein vorzügliches Bauholz. So stammen Balken, Bretter, Dachschindeln, alles, woraus die schmucken Häuser der Gebirgsdörfer bestehen, von der Fichte. Das Holz dient auch zu Möbeln und zu allerhand Geräten, doch ist es für feinere Sachen zu leicht spaltbar und wenig widerstandsfähig. Auch als Brennmaterial taugt es nicht allzuviel und steht darin nicht nur dem der Buche und Birke, sondern auch dem der Kiefer erheblich nach. Es ist fast selbstverständlich, daß die quirlförmigen Zweige der Fichte zu Kücheuquirlen verarbeitet werdend Aus dem Baume wird ferner Harz, Terpentin, Teer, Pech und Ruß gewonnen. Ein nicht unbeträchtlicher Gewinn erwächst neuerdings, wo Forstdiebstahl strenger bestraft wird oder vielmehr Forstdiebe leichter ertappt werden, der Waldwirtschaft auch durch den Verkauf der jungen Fichten als Weihnachtsbäume. Früher holte sich fast ein jeder sein Bäumchen selbst aus dem Walde, heute werden zur Weihnachtszeit die Fichten in die immer volkreicher werdenden Städte zu Hunderttauseuden gebracht und verkauft.

Wo Fichten stehen, da erhält die Landschaft einen frischen, stolzen Zug. Unsere Gebirge, auf denen die Fichte zusammenhängende Wälder bildet, sind ohne diesen Baum kaum denkbar. In den unteren Bergregionen, in denen er sich mit Buchen häufig vergesellschaftet, steht er wie ein einsamer, stolzer Mann unter der heiteren Menge der Laubbäume. Weiter oben dann, wo er nur seinesgleichen oder eine Tanne um sich sieht, entstehen jene ernsten, kühlen, stolzen Wälder, die den Geist der gewaltigen Gebirgsmassen atmen, die Kraft der Höhenluft und der Wassergewalt, die an dem Gebirge unaufhörlich arbeitet. Die Fichten füllen die Täler aus, in denen zu ihren Füßen der Sturzbach rauscht, und sie machen die Schluchten finsterer und enger. Sie lassen die Felsen, an denen sie in schwindelnder Höhe hängen, noch steiler und grausiger erscheinen, und sie erhöhen die Bergspitzen, auf denen sie Fuß gefaßt haben. Doch wenn wir dann in die höchsten Zonen der Gebirge gelangen, dann schwindet auch allmählich die Kraft und der Stolz der Fichten. Sie werden kleiner und kleiner, auf dickem aber kurzem Stamm eine schwächliche Spitze. Die Kälte und vor allem der Wind hindern da oben das Wachstum. Der Wald löst sich allmächlich auf in einzelne glieder, wie ein Trnpp Soldaten vor dem Feind. Und man sieht den einzelnen, kurzen Bäumen an, daß der Kampf ein harter ist. Auf der Windseite fehlen ihnen alle Zweige, ihre Spitzen sind wiederholt geknickt worden, und bei dem Versuch, sie zu erneuern, hat der Baum zwei, drei und mehr Gipfeltriebe entwickelt, er ist zu einem Busch geworden. Ganz oben stehen noch ein paar einzelne Bäumchen, gleichsam als Vorposten, sie sind mit dichten Flechten besetzt, ihre Zweige sind gebrochen, sie sind kaum höher als das Dickicht von Heidelbeeren, Heidekraut und Gräsern, in dem sie stehen. Die Herrschaft der Fichten ist hier zu Ende. Hier oben gedeihen nur noch niedrige Gewächse, denen Wind und Kälte nichts anhaben können.

Lärchen in SüddeutschlandLärchen in Süddeutschland

Die Lärche.

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in Nadelbaum, der im Herbst seine Blätter verliert, soviel weiß jeder von der Lärche, der nicht ganz blind durch den Garten der Natur wandelt. Aber im übrigen ist die Lärche einer der am wenigsten bekannten Waldbäume. Sie ist auch selten in der freien Natur zu finden. In Parkanlagen sehen wir sie häufiger, forstmäßig wird sie auch hier und da angepflanzt, aber meist nur in kleinen Beständen und mit anderen Bäumen gemischt. Und in solchen Anpflanzungen macht dieser Baum so gar nicht den Eindruck, als ob er den Platz, den man ihm angewiesen, als seine Heimat betrachte. Fast überall sieht man es ihm an, daß er sich fremd fühlt. Ja, an vielen Orten kränkelt er sogar. Er ist ein eigensinniger, auspruchsvoller Baum, wie es scheint. Er muß in seinem innersten Wesen so ganz anders sein als unsere sonstigen Bäume.

Und das ist er in der Tat. Wir müssen seine Heimat aufsuchen, wenn wir ihn kennen lernen wollen. Nur zwei verhältnismäßig kleine Verbreitungsgebiete besitzt die Lärche in Deutschland: die Alpen und die Sudeten. In den Alpen wächst sie in den Höhen, wo das Reich der Bäume jäh endet. Gerade an dieser Grenze, wo die Fichte ihre Macht verliert, fühlt sie sich am wohlsten. Aus dem Saatgut, das man von den Alpenlärchen gewonnen hat, sind alle Bäume herangezogen, die in Parkanlagen, in Gärten, in Forsten angepflanzt sind. Ihnen ist es daher nicht wohl in der Ebene, nicht einmal in unseren Mittelgebirgen. So zäh hängen sie an ihrer eigentlichen Heimat, dem Hochgebirge. Allein wir finden die Lärche noch in einem anderen, allerdings recht kleinen Gebiete Deutschlands, im mährisch-schlesischen Gesenke. Hier ist sie nicht gerade Hochgebirgsbaum, sie steigt sogar bis zu 350 Metern herab und der höchste Punkt ihres natürlichen Vorkommens liegt nur 866 Meter hoch. Außerhalb Deutschlands wird die Lärche gar zu einem Baum der Ebene. Sie besitzt außerhalb Deutschlands noch drei Verbreitungsgebiete: die Tatra, einen großen Bezirk in Russisch-Polen und gewaltige Länderstrecken im Nordosten Rußlands bis weit nach Sibirien hinein. Schon in der Tatra, an der russisch-galizischen Grenze, wächst die Lärche in niedriger Meereshöhe, in Polen und in Sibirien befindet sie sich direkt in der Ebene.

Wo die Lärche aber immer wächst, überall verlangt sie einen freien, lichten Stand. Man sieht es diesem so schlank aufstrebenden, mit dem zartesten Grün bekleideten Nadelbaum an, daß er in freier Luft und Sonne leben will. An Zartheit der Belaubung ist er unter den Koniferen dasselbe, was die Birke unter den Laubbäumen. So licht, so leicht, so durchsichtig ist seine Krone wie die der Birke, und wie die Birke nur in freiem, lichtem Stande gedeiht, so kann auch die Lärche nicht die enge Nachbarschaft anderer Bäume vertragen. Aber die Birke ist ihr durch ihr unkrautartiges Wuchern weit überlegen. Sie tritt sofort auf, wo eine Lücke entsteht, ihr schnelles Wachstum gibt ihr einen gewaltigen Vorsprung vor allen Konkurrenten, ihre starke Vermehrung, ihre auspruchslosigkeit im Boden, ihre Unempfindlichkeit gegenüber dem Klima, sichern ihr eine weite Verbreitung. Dagegen ist die Lärche in jeder Beziehung auspruchsvoller und weniger kräftig. So zart, so dünn sind die Nadeln, so licht gegenüber denen der Tanne, der Fichte und der Kiefer. Und diese Zartheit liegt in ihrer ganzen Konstitution, sie kann sich nicht wehren gegen die Nachbarn, die sie von der Seite bedrängen, um sie zu erdrücken. Darum flieht sie in den Alpen bis an die Baumgrenze hinauf, wo die Fichten ihre Kraft verlieren, keinen Wald mehr bilden können und sich in einzelne niedrige Trupps auflösen. Darum ist ihre Heimat auch der kontinentale Osten, mit seiner klaren Luft und seiner heiteren, wenn auch kühlen Sonne. Auf unseren Mittelgebirgen, in der Ebene dagegen erliegt sie dem austurm unserer Waldbäume mit ihrer ungebändigten Kraft und ihrer dunklen Beschattung.

Die Lärche liebt einen frischen, nahrungsreichen Boden. Das schließt ihr Fortkommen in Sandgegenden aus, in denen die Birke so häufig vertreten ist. Hier ist der Stand der Bäume immer lose, aber was nützt der Lärche solch ein freier luftiger Platz, wenn sie an ihm verhungern muß! Guter nahrhafter Boden und dabei ein konkurrenzloser lichter Stand, das sind zwei Bedingungen, die in ihrer Verbindung in Deutschland nur selten erfüllt werden. Darum ist die Lärche bei uns so selten und gedeiht in unseren Forsten so wenig. Auch auf dem festen Boden unserer Parkanlagen, wo die Nachbarbäume so flott emporschießen, gedeiht sie nicht sehr gut. Nur wo sie frei, isoliert steht, sieht man sie zu einem stattlichen Baum emporwachsen.

Aber in Parkanlagen gibt man ihr selten solch einen freien Stand. So wunderbar zart, so licht und zierlich der Baum im Sommer aussieht, er ist, wenn er die Nadeln verloren hat, fast häßlich. Launisch, könnte man sagen, ist die Lärche in ihrem Wesen, wechselvoll und unbeständig auch in ihrer Form. Andere Nadelbäume haben Sommer wie Winter das nämliche Aussehen. Die Lärche ist im lichten Schmuck ihrer Nadeln ein schönes, liebliches Kind, im Winter wird sie, um im Bilde zu bleiben, ein altes, dürres Weib. Die Äste, besonders die jungen Zweige, haben eine unausehnliche gelbgraue Färbung und sind mit kleinen zwergigen Kurztrieben dicht besetzt, die in ihrem grämlichen Schwarz oder Grau wie große vertrocknete Knospen am Baume häugen. Auch die Fruchtzapfen, mit denen manche Lärchen reich beladen sind, haben ein grauhäutiges Aussehen. Die Zapfen hängen oft jahrelang am Baume, und, sind sie schon im ersten keine Zierde, so wirken sie im nächsten Jahre in ihrer verwitterten Gestalt vollends häßlich.

Aber die Form des Baumes erinnert selbst im Winter noch an die Tage seiner sommerlichen Schönheit. Gerade und schlank ragt der Stamm in die Höhe und in regelmäßigen Absätzen, in quirlförmiger Vereinigung strecken sich die Äste wagerecht nach den Seiten aus. Nur ihre Spitzen lassen sie meist etwas überhängen, elegant nachlässig, wie jemand, der sich seiner Anmut bewußt ist. Im Winter kann die graziöse Form freilich nicht über das dürr trockene Aussehen des ganzen Baumes hinwegtäuschen, im Sommer verstärkt sie den lieblichen Eindruck, den dieser Baum aus den Beschauer macht.

Bei uns im Tieflande regt sich im Frühjahr das neue Leben sehr bald in der Lärche. An den Zweigen erscheinen kleine, rote, rundliche Blütenzapfen schon im März. Aus den Blattknospen gucken dann die jungen Nadeln pinselartig hervor. Das sieht äußerst gefällig aus. Es ist ein zartes und doch lebhaftes Grün, anders wie der Blattaustrieb der übrigen Bäume. Wenn dieses erste lichte Grün im April die Zweige der Lärche, wenn auch noch ganz schwach umspült, dann ist die Zeit der Schönheit für den Baum gekommen. Nun streckt sich der Nadelpinsel immer mehr und schließlich öffnet er sich völlig, dann hängen die feinen, hellgrünen Nadeln lose nebeneinander. An den Kurztrieben, mit denen die Zweige der Lärche reich garniert sind, bleiben die Nadeln in solchen lockeren Büscheln bei einander. Aber in den Spitzen bilden sich sogenannte Langtriebe, welche die Verlängerung, das eigentliche Wachstum des Baumes übernehmen. An ihnen stehen die Nadeln einzeln ringsum und ziemlich weit aneinander. Dieser lockeren Stellung der Nadeln und den nur knospengroßen, wenn auch mit dichten Nadelbüschen besetzten Kurztrieben verdankt die Lärche ihre außerordentlich lichte, durchsichtige Krone, die mit der Feinheit des Geästes und der hellen Farbe ihrer Belaubung so gut harmoniert.

Hellgrün bleibt auch die Belaubung der Lärche den Sommer hindurch. Dann im Spätherbst werden die Nadeln gelb und bekommen das milde weiche Gelb, das so viele Bäume und Sträucher vor der Winterruhe ziert. Der Lärche in der Zartheit ihres Baues und der Feinheit ihrer Nadeln steht dieses weiche müde Gelb sehr gut. Setzt der Winter nicht stark ein, so behält die Lärche ihr Herbstlaub oft recht lange. Denn so zart der Baum im übrigen sein mag, die Kälte schadet ihm nichts, die ist er in seiner Hochgebirgsheimat gewöhnt. Aber der Winter fordert auch von ihr seinen Zoll. Er reißt ihr den gelben Nadelschmuck ab und dann steht sie da, ein häßlicher, dürrer, wettergrauer Baum.

Mit dem großen Lichtbedürfnis hängt es wohl zusammen, daß die Lärche schnell emporstrebt. Mit dem raschen Wachstum der Birke, geschweige denn der Weiden und Pappeln kann sich das Wachstum der Lärche nicht vergleichen. Aber ihr Wachstum ist ein so energisches, wenn man es mit dem unserer anderen Nadelbäume, ja auch mit dem unserer Eichen, Buchen und anderer Laubbäume vergleicht. Es dauert an zehn bis zwölf Jahre, ehe eine Kiefer oder Tanne so weit ist, daß sie als Weihnachtsbäumchen verwendet werden kann. Die Lärche ist mittlerweile ein wirklicher Baum geworden, dessen Stamm schon als Stange verwendet werden kann. Andere Koniferen verzweigen sich zu dicht und verbrauchen wohl auch einen guten Teil ihrer Kraft für ihren dichten Nadelschmuck. Darum ist ihr Höhenwachstum gering. Die Lärche dagegen baut sich leicht und schmal auf. Darum kann sie alle ihre Kraft auf die Verlängerung des Haupttriebes verwenden. Andere Bäume suchen durch eine möglichst breite massige Gestalt die Nachbarpflanzen beiseite zu drängen, die Lärche im Gegenteil sucht, da sie nicht hoffen kann, die Nachbarn zu verdrängen, möglichst schnell in die Höhe zu kommen, um so immer den ungestörten Genuß von Luft und Licht zu haben. Aber trotz ihres schnellen Wachstums und ihrer Überflügelung anderer Bäume wird sie diesen kaum schädlich. Dazu ist ihr Gezweig zu dünn und luftig. Die Forstleute pflanzen daher mitunter Lärchen zwischen die Fichten. Die jungen Sämlinge haben unter den schnell emporstrebenden Genossen einen guten geschützten Stand. Hat die Lärche einen weiten Vorsprung, so wächst sie zu einem verwendbaren Stamm heran, ehe die Fichten sich aneinander drängen. Allein nur zu oft rücken ihr die Fichten zu nahe auf den Leib, und dann ist es mit der Lärche vorbei. Sie kann keinen starken seitlichen Druck vertragen und geht zugrunde, ehe sie einen Nutzen zu gewähren imstande ist. So mißraten viele Anforstungen der Lärche und meist wird die Ursache darin gesucht, daß diese Konifere ein Hochgebirgsbaum sei, der in niederen Höhen nicht gedeihe. Allein die Lärche gedeiht auch im Tieflande vorzüglich, wenn man ihre sonstigen Lebensbedingungen erfüllt, und ihr namentlich einen freien lichten Stand gibt. In reinen Beständen empfiehlt sich allerdings der Anbau nicht. Denn einmal werden diese Bestände leicht von Unkraut und Gestrüpp überwuchert und sind andererseits gefährlichen Krankheiten ausgesetzt. Gar oft nämlich wird die Lärche vom Lärchenpilz befallen, einem Schädling, der um so verheerender wirkt, je weniger sie am rechten Platze steht. Für den Anbau der Lärche im Mittelgebirge und im Tieflande ist das Saatgut von der Sudetenlärche dem von der Alpenlärche vorzuziehen, da jene von vornherein besser an die Verhältnisse des neuen Standortes angepaßt ist, auf dem sie aufwachsen soll. Der Baum eignet sich wohl zur Mischkultur mit der Fichte, in diesem Falle aber muß die Lärche einen Vorsprung in der Anpflanzung haben und unbedingt freigehalten werden. Noch besser ist das Gedeihen der Lärche in Vergesellschaftung mit der Weißtanne und der Buche, falls die gleichen Vorsichtsmaßregeln wie bei der Mischkultur mit der Fichte beobachtet werden.

Trotz der vielen Mißerfolge wird ein Anbau der Lärche immer wieder versucht. Denn sie ist ein nützlicher Baum. Sie wächst schnell und liefert deshalb in einem kurzen Zeitraum mehr Holz als unsere geschätztesten Forstbäume. Dabei ist das Holz nicht etwa geringer als das anderer Bäume. Es leidet nicht an Wurmfraß und wirft sich nicht, es ist dauerhafter als das unserer anderen Koniferen. Darum liefert es ein vorzügliches Bauholz. Vor allem widersteht das Lärchenholz der Nässe und kommt darin dem Eichenholz gleich. Daher kann es gut zu Grubenholz und Röhrenholz für Wasserleitungen verwendet werden. Das junge Stangenholz wird in den Weingegenden häufig zu Rebpfählen benutzt. Die Lärche ist daher ein sehr nützlicher Baum und wird, nachdem in neuester Zeit ihr Wesen besser erkannt worden ist, auch sicher mit größerem Erfolge an geeigneten Stellen angepflanzt werden.

Viel Zwiespältiges ist in der Natur der Lärche, Schönes und Häßliches, Vorteilhaftes und Nachteiliges, Zartes und Kerniges trifft in ihr zusammen, wie kaum in einem anderen Baume. Der Eindruck ihres Wesens ist ein weiblicher, wie der der Birke, Linde und Eberesche. Aber um wie vieles ist sie wieder von diesen drei Baumarten verschieden! In ihren schönen Tagen besitzt sie die Lieblichkeit und Anmut der Birke, aber in ihrer Natur sind auch andere Seiten des weiblichen Wesens vertreten, das Widerspruchsvolle und Launenhafte. So hebt sie sich aus allen anderen deutschen Bäumen heraus als eine Persönlichkeit, sie hat eine deutlich ausgeprägte Eigenart, wie sie auch in ihrem Äußeren schon aus der Ferne zu erkennen ist.

Eiche im Hasbruch-Urwald in OldenburgEiche im Hasbruch-Urwald in Oldenburg

Die Eiche.

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on einem alten ehrwürdigen König, der verstoßen, in zerfetzter Kleidung in Sturm und Gewitter einhergeht, erzählt Shakespeare. Von seiner gefurchten Stirn, die alle Schicksale des Lebens gesehen hat, geht eine Hoheit, eine Größe aus, die jeden unwillkürlich zur Verehrung zwingt. Seine ganze Person, obwohl vom Alter und Unglück bereits gebeugt, atmet eine unbändige Kraft, die fast Furcht erregt. Wenn es erlaubt ist, zu diesem erhabenen Bilde des englischen Dichters ein Gegenstück in unserer Baumwelt zu suchen, so kann man nur an eine alte, altersgraue Eiche denken. Jahrhunderte haben auf solchem Baum gelastet, seine Rinde gefurcht, seine schweren Äste gebeugt und gekrümmt. Nichts von Regelmäßigkeit in seiner Form, nichts von Weichheit und einschmeichelnder Liebenswürdigkeit, alles ist unregelmäßig, ernst und hart. Aber welche ungeheure Kraft dringt aus diesem gewaltigen in tiefen Rissen unregelmäßig gefurchten Stamme, aus diesen gleich ungeheuren stählernen Armen ausgestreckten Ästen hervor. Die Eiche ist eigentlich kein schöner Baum, sie hat nichts Dekoratives, aber trotzdem macht sie durch diese tiefinnerliche männliche Art der Erscheinung, durch ihre viele Jahrhunderte überdauernde Zähigkeit den intensivsten ästhetischen Eindruck, den nur überhaupt ein Baum machen kann. Solch eine altehrwürdige Eiche erzählt uns von dem Glück und den Stürmen alter Zeiten, von all dem Werden und Vergehen der Jahrhunderte, die sie standhaft durchlebt hat und aus denen sie in die kleine Gegenwart hineinragt wie ein altes gigantisches Bauwerk.

Wir besitzen in Deutschland zwei Arten von Eichen, beide unterscheiden sich aber von einander doch nur wenig. Man muß schon nahe an die Bäume herangehen, um zu sehen, ob man eine Sommereiche oder eine Wintereiche vor sich hat. Die erstere, die auch Stieleiche genannt wird, besitzt gestielte Früchte, aber fast stiellose Blätter, die an ihrer Basis meist ohrenartige Anhängsel haben. Die Wintereiche dagegen, die auch Trauben- oder Steineiche heißt, besitzt stiellose Früchte, dagegen länger gestielte Blätter, und zwar geht das Blatt an seiner Basis allmählich in den Stiel über. Manche Botaniker unterscheiden noch eine dritte Eichenart, die weichhaarige Eiche, deren Blätter an der Unterseite weich behaart sind, die aber sonst der Wintereiche gleicht. Jedenfalls sind die Unterschiede in diesen drei deutschen Eichenarten sehr geringfügig, so daß es gerechtfertigt ist, wenn man im Volke nur von einer Eiche spricht.

Die Eiche ist in Deutschland immerhin noch stark verbreitet. In den Wäldern ist sie sogar einer der häufigsten Bäume. Aber nur die Sommereiche bildet hier und da reine Bestände. Im mittleren und südlichen Deutschland sind die kleinen Wäldchen, die Privatleuten gehören, immer reich an Eichen, aber in dem Grade, wie jene in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Terrain verloren haben, sind natürlich auch diese Bäume seltener geworden. In Norddeutschland sind sie fast nur in den spärlich vertretenen Laubwäldern vorhanden. In den mächtigen Kiefernwaldungen und Feuchten Niederungen trifft man sie nur selten an. Im höheren Gebirge fehlen Eichen gänzlich, doch geht die Wintereiche etwas höher auf die Berge hinauf als die Sommereiche. Ebenso reicht die erstere auch weiter polwärts als die letztere. Die Eiche fehlt im höheren Norden, sie dringt auch nicht über den Ural nach Sibirien vor, höchstens überschreitet sie im Süden und Südosten ein wenig die europäische Grenze. Nach diesen Richtungen hin werden unsere Eichen durch eine Reihe südländischer, zum Teil immergrüner Arten verdrängt, nach Norden und dem kälteren Osten zu dagegen findet die Eichengattung ihre natürliche Grenze. Denn die Eichen sind gegen Kälte sehr empfindlich. Ein Spätfrost im Mai zerstört Sofort ihr junges Laub. Vor allem aber sind die Sämlinge leicht der Vernichtung durch Kälte ausgesetzt. So ist denn die Eiche einer unserer empfindlichsten Wald Bäume. Im allgemeinen fühlt sie sich in Deutschland gerade noch recht wohl zu Hause, und der Kälte wegen meidet sie hier nur die Berge von der Nadelwaldzone an. Im übrigen ist die Eiche nicht allzu auspruchsvoll. Sie gedeiht im Gegensatz zur Buche auch noch auf Sandboden, falls dieser nicht zu trocken und steril ist. Sie liebt aber einen tiefgründigen Boden. Denn ihre Hauptwurzel geht senkrecht in die Tiefe hinab. Vermöge dieser Eigenschaft gelingt es ihr häufig, im Untergrunde eine fruchtbare Lehmschicht oder wenigstens feuchtes Erdreich aufzuspüren, so daß ihr dann selbst der trockenste Sand im oberen Boden nichts anhaben kann. Immerhin gehört die Eiche keineswegs zu den anspruchslosen Bäumen, sie ist nicht entfernt so genügsam wie etwa die Birke. Auch meidet die Eiche alle Extreme, sie gedeiht auf feuchtem Land ebenso wenig wie auf ganz trockenem, sie gedeiht nicht auf felsigem und auch nicht auf leichtem, lockerem Boden.

Die Eiche wächst nur langsam in die Höhe. Wie alle Wesen, die zu großer Kraft und reicher Individualität heranreifen, so hat auch dieser Baum eine sehr langsame Jugendentwicklung. Die Eiche schießt keineswegs gerade in die Höhe, sie verzweigt sich sehr bald, eventuell schon als einjähriger Sämling. Und die Verzweigungen entwickeln sich fast ebenso kräftig wie der Leittrieb, ja es kommt häufig vor, daß eine der ersteren diesen überholt und daß dadurch der Wuchs des jungen Bäumchens erst recht schief und sparrig wird. Bei lichtem Stande stellen die jungen Bäume nach dem ersten Jahrzehnt noch recht unschöne kleine Büsche vor, erst später und besonders bei dichterem Stande tritt die Astreinigung ein, der Stamm wird schlanker und erhält eine Krone. Es kommt dann die Zeit, wo die Eiche den Verhältnissen des Waldes sich unterwerfen und zu einem einigermaßen regelmäßigen Baume heranwachsen muß. Solche Eichen von 25-100 Jahren haben in ihrem Gesamtaussehen noch nicht dieses Breite, Individualistische, Malerische der alten Bäume. Ihre Rinde ist noch nicht sehr tief gefurcht und auch ihre Äste sind noch nicht so verbogen und verkrümmt. Immerhin zeichnen sich auch diese Bäume bereits durch eine eigenwillige Verzweigung und durch ein dunkles, ernstes Kolorit ihrer Rinde und ihres Laubes aus. Erst in einem Späteren Alter, nachdem der Baum sich allseitig Platz gemacht hat, nachdem seine altersschwachen Nachbarn vor seiner jährlich zunehmenden Größe und Breite sich haben ducken müssen, dann erst erhält die Eiche jene charakteristische, gewaltig erhabene Form. Der Stamm verdickt sich, ohne an Höhe zuzunehmen, der Baum bekommt eine untersetzte Gestalt, wie sie dem Starken eigen ist. Die Krone gliedert sich in eine Anzahl mächtiger hin- und hergebogener Äste, die wie die Arme eines kämpfenden Riesen sich ringen und strecken. Trotz aller Würde und Erhabenheit des Baumes geht von diesen ringenden, wie gegen das Schicksal sich auflehnenden Armästen eine feurige, in unbändiger Kraft sich verzehrende Leidenschaft, ein in Sturm und Wetter erprobter trotziger Geist aus. Die Eichen erscheinen infolge ihres breiten Umfanges weniger hoch, die Wintereiche ist überhaupt kein allzu hoher Baum, dagegen kann die Sommereiche die stattliche Länge von nahezu 60 Metern, und damit überhaupt das größte Maß unserer einheimischen Bäume erreichen.

Die Eiche schlägt sehr spät im Frühjahr aus. Ihrer starken Frostempfindlichkeit entsprechend, entwickelt sie ihr Laub gegen Mitte Mai zu einer Zeit, wo die Frostgefahr im allgemeinen vorüber ist. Wenn fast alle Bäume schon grün sind und nur die Pappeln und Akazien noch völlig kahl stehen, bricht aus den dicken braunen Knospen der Eichen das junge zarte Laub hervor. Besonders eigenartig sieht dieses bei der Sommereiche aus, hier hat es einen ganz gelblichen, fast bräunlichen Farbenton, der ganz der Stimmung der weichen Frühlingsnatur angepaßt ist. Später wird das Laub ganz grün, neben Birken, Linden, selbst neben Buchen erscheint es sehr dunkel und ernst. Das Blatt der Eiche ist immerhin sehr stattlich zu nennen, es ist bedeutend länger als breit und erhält durch die wellenförmige Ausbuchtung seines Randes die allbekannte charakteristische Form. Mit dem Ergrünen des Laubes zeigen sich auch die Blüten. Die Eiche gehört, wie viele unserer Bäume, zu den Kätzchenträgern, und zwar bildet sie mit der Rotbuche, Edelkastanie und dem Haselstrauch die Familie der Becherfrüchtler. Die Blüten vereinigen sich in kleinerer oder größerer Anzahl und jede Vereinigung bildet einen ziemlich unscheinbaren Blütenstand. Jedes Individuum besitzt männliche und weibliche Blütenstände. aus den letzteren gehen die Früchte, die bekannten Eicheln, hervor. Sie sind am Grunde von einem Becher - daher Becherfrüchtler - umgeben, der aus einer blattartigen Wucherung der Blütenachse entsteht. Gegen den Sommer hin leiden die Blätter der Eiche anßerordentlich vom Insektenfraß, es sind an 200 Tierarten, die auf diesem Baum ein Schmarotzerleben führen. Da gehört die Kraft und Widerstandsfähigkeit der Eiche dazu, um mit diesem Wuchererpack fertig zu werden. Im Spätsommer sind freilich oft ganze Zweige von Raupen und Käfern zerfressen und übersponnen. Bisweilen machen dann die Eichen, besonders jüngere Exemplare, noch einen späten Trieb, der mit seiner baumgrünen oder frischgrünen Belaubung eigentümlich gegen das verschlissene, verstaubte und verdunkelte ältere Blattwerk absticht. Im Oktober reifen die Eicheln und fallen dann bald in Mengen von den Bäumen. Die Sommereichen lassen ihre Früchte bereits im Anfang des Monats, die Wintereichen einige Wochen später fallen. So empfindlich das Laub der Eiche im Frühling ist, so abgehärtet erscheint es im Herbst. Noch den ganzen Oktober hindurch behält der Baum gewöhnlich sein dunkles Grün, erst Ende des Monats oder im November werden die Blätter gelb. Diese Gelbfärbung geht aber sehr bald in ein schlichtes Erdbraun über, das unseren Eichen durchaus eigentümlich ist. Es ist nicht etwa das wunderbar schöne Rostbraun der Buche, sondern ein helles, aber doch abgestumpftes Lederbraun. In diesem düsteren, erdfarbenen Kleide nehmen die Eichen eine finstere Hoheit an, die im Einklang steht zu den traurigen, nebeligen, sonnenarmen Tagen des Novembers. Viele Bäume behalten dieses neue Kleid den ganzen Winter hindurch, besonders an Stellen, die dem Winde weniger ausgesetzt sind. Viele verlieren es aber auch noch im November, und dann tritt die kahle, gedrungene, knorrige Gestalt des Baumes erst voll und ganz hervor. Ja, im Winter gerade macht die Eiche vielleicht den tiefsten Eindruck. Wie nns bei einem Athleten die ganze Größe seiner Kraft gerade aus dem Spiel der Mnskeln erst fühlbar wird, so übt auch die blätterlose Eiche mit ihren kahlen Riesenarmen eine überwältigende Wirkung aus den Beschauer aus. Das Urbild der Stärke, die auf alles Dekorative verzichtet, jene stille und doch im Innern leidenschaftliche Größe, das verkörpert am besten eine alte, viele Jahrhunderte zählende Eiche, die im Winter mit ihrem tiefgefurchten Stamm und ihren gewaltigen Ästen blätterleer dem Winde und der Kälte trotzt.

Das Gefühl der Kraft, das wir mit der Eiche verbinden, wird verstärkt durch die anßerordentliche Zähigkeit, Schwere und Dauerhaftigkeit des Holzes. Dieses nützliche Material wird zu Wasserbauten und zum Schiffbau, zu Möbeln, allerlei Werkzeugen und Maschinen benutzt, bei denen es auf große Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit ankommt. Von großem Nutzen ist auch die Eichenrinde, die bekanntlich als Lohe beim Gerben benutzt wird. Die Eicheln sind ein vorzügliches Futter für Schweine, es kommt wohl aber heutzutage nur noch ausnahmsweise vor, daß dem edlen Borstentiere dieses für seine Beleibtheit so ersprießliche Futter vorgesetzt wird. Wegen ihres vortrefflichen Holzes und ihrer Rinde gilt die Eiche als einer der wertvollsten Forstbäume, die aber nur auf besserem Boden wirklichen Ertrag liefert. Das Laub der Eiche wird als Symbol des Sieges in Spiel und Kampf getragen, der Baum selbst ist mit Sage und Dichtung, mit der Geschichte wie mit dem Naturempfinden unseres Volkes so eng verbunden, daß wir alle ihm eine unvergleichliche, fast verehrungsvolle Sympathie entgegenbringen.

BuchenBuchen

Die Buche.

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nter den weichen bunten Farben, in die der Oktober den Laubwald kleidet, leuchtet ein glänzendes Rotbraun hervor, ein edler satter Ton, der trotz aller Herbststimmung eine gewisse Frische atmet. Es ist die Farbe, die den Blättern der Buche beim Welken eigentümlich ist. Welcher Gegensatz zu dem schlichten verwaschenen Herbstkolorit der Eiche! Die Buche ist ein stolzer, ein schöner Baum. Auch in ihr lebt kernige Kraft, und sie wächst zu stolzer Höhe und Stärke empor, aber sie bewahrt in allem die Form, ihre Kraft ist stets mit Schönheit gepaart. Die Buche hat einen Doppelgänger, der ihr äußerlich recht ähnlich ist und der darum ebenfalls Buche genannt wird, Hainbuche. Zum Unterschied davon heißt die eigentliche Buche ihres Holzes wegen auch Rotbuche. Die Hainbuche dagegen, die anch noch die Namen Weißbuche und HornBaum führt, ist gar keine Buche, sie ist mit dieser auch nicht nahe verwandt. Ihr Stamm ist ebenso silbergrau, ihr Herbstlaub ist rotbraun wie das der Rotbuche, aber ihre Blüten, ihre Früchte sind andersartig, und die Blätter sind deutlich und scharf gesägt, während sie bei der Rotbuche einen ziemlich glatten Rand besitzen. Die letztere ist aber besonders ein viel mächtigerer Baum, sie spielt auch im deutschen Walde eine viel wichtigere Rolle als der HornBaum und wenn man von derr Buche spricht, so ist immer die Rotbuche gemeint.

Die Buche ist mehr denn jeder andere ein deutscher Baum. Wir reden von deutschen Eichen, aber unsere Eichen sind in Frankreich und Rußland ebenso verbreitet wie in Deutschland. Die Buche dagegen ist eigentlich nur bei uns und in den angrenzenden germanischen Ländern, und zwar besonders in den Grenzgebieten verbreitet.

In Rußland fehlt sie fast gänzlich, und in den südlichen Ländern ist sie nur ein Gast der höheren Gebirge. Dagegen bildet sie in Deutschland, im Norden wie im Süden, ausehnliche Wälder, in jedem Mischwald ist sie vorhanden, und selbst in die Fichten- und Tannenwälder der unteren Gebirgsregionen ist sie in zahlreicher Menge eingestreut. Die Buche ist von unseren einheimischen Bäumen der am meisten gegen Kälte empfindliche. Besonders erfriert der junge Nachwuchs sehr leicht. Deshalb findet ihre Verbreitung nach Norden und Osten zu sehr bald eine Grenze. Sie überschreitet selbst in dem vom Golfstrom erwärmten Norwegen den 59. Breitengrad nicht, ja sie fehlt bereits in Ostpreußen. Das kalte kontinentale Klima meidet sie in viel auffälligerer Weise als irgendein anderer Baum Deutschlands. Deshalb bildet die russische Grenze etwa die Linie, über die sie ostwärts nicht hinwegschreitet, im nordöstlichen Deutschland aber ist die Weichsel diese Ostgrenze. Bei der großen Empfindlichkeit gegen Kälte vermag die Buche auch im Gebirge nicht sehr hoch anzusteigen. Im Harz verschwindet sie etwa bei 600, in den mitteldeutschen Gebirgen bei 700 bis 800 Meter Meereshöhe. in Südeuropa ist sie nur auf den höchsten Gebirgen vertreten, auf den Pyrenäen, Apenninen und dem Kaukasus. Im Südosten allein dehnt sie ihren Verbreitungsbezirk ein wenig über Europa aus, um über Kleinasien bis ins persische Gebiet vorzudringen.

Die Buche ist nicht nur anspruchsvoll in bezug auf das Klima, sondern auch in bezug auf den Boden. Sie wächst in sandigem Erdreich gar nicht, und sie gedeiht nicht in den kalten Niederungen. Sie beansprucht einen schweren fruchtbaren Boden und gedeiht am besten, wenn derselbe viel Kalk enthält. In der Ebene hat daher die Buche der menschlichen Kultur fast überall weichen müssen, denn das Terrain, das sie inne hatte, eignete sich gerade am besten zum Getreidebau. So ist denn die Buche heute besonders auf hügeliges Land und auf das Gebirge angewiesen, und hierfür paßt sie besser als die Eiche. Denn während diese ihre Hauptwurzel tief in das Erdreich hinuntersendet und deshalb einen sehr tiefgründigen Boden verlangt, breitet die Buche ihre Wurzeln flach unter der Erdoberfläche aus. Sie vermag sich deshalb gleich der Fichte in der düunen Verwitterungsschicht festzuhalten, welche auf dem Gestein der Gebirge liegt. So ist denn die Buche ein vorzüglicher Gebirgsbaum, und nur ihre Empfindlichkeit gegen Kälte verhindert sie, das Gebirge gänzlich zu beherrschen. Aber in den unteren Regionen, in der Laubholzzone ist sie der vorherrschende Baum, häufig bildet sie hier ausgedehnte reine Bestände.

Die Buche wächst sehr langsam. Gleich der Eiche wird sie in der Jugend meist sehr buschig, und nur ganz allmählich ringt sie sich in die Höhe. Später dagegen erhält sie den vorzüglichsten, glattesten Stamm, den man sich nur denken kann. Sie setzt ihre Krone sehr hoch oben an, so daß der Stamm oft genug eine mächtige und doch schlanke Säule von 15-20 Meter bildet. Die Buche erreicht eine Höhe von 25-33 Meter, sie ist also in der Regel nicht so hoch wie die Eiche, allein sie sieht wegen ihres glatten, hohen, astlosen Stammes und ihrer in die Höhe strebenden Krone doch größer aus als jene. Auch in der Höhe des Alters erreicht die Buche die Eiche nicht. Sie wird höchstens 300 bis 400 Jahre alt, den Gipfel ihrer Kraft aber hat sie mit 100 bis 150 Jahren erreicht. Bei einer geregelten Waldwirtschaft wird der Baum daher gewöhnlich im 120. Jahre gefällt. Allerdings wartet der Forstmann nicht, bis ein Baum seine größte Höhe und seinen stärksten Umfang erreicht hat. Von einer gewissen Zeit an geht das fernere Wachstum eines Baumes so langsam vor sich, daß es vorteilhafter ist, ihn vorher umzuhauen. Denn die jungen Bäume, die an derselben Stelle wieder erzogen werden, liefern in der gleichen Zeit bedeutend mehr Holz als ein alter, langsam wachsender.

Zu Anfang Mai etwa, wenn die Triebkraft der Buche neu erwacht, dann bräunen sich die spitzen Knospen intensiver, und bald tritt aus ihnen ein weißer Flaum und schließlich das junge, überaus zarte Grün hervor. Es ist ein unvergleichlicher Genuß, zu dieser Zeit den Buchenwald zu durchstreifen. Über dem rostroten Blätterteppich, der den Boden noch immer bedeckt, ragen die mächtigen, imposanten, silbergrauen Säulen empor, um dieses luftige im ersten zarten Grün prangende Blätterdach zu tragen. Noch sind die Blätter so klein, daß sie den Himmel überall durchblicken lassen, sie sind eine leichte, graziöse Decke, die aus dem schweren Gerüst der Äste wie spielend hängt. Kraft und Schönheit haben sich hier vereint. Man glaubt in einer ungeheuren Halle zu wandeln, die von riesigen, vornehmen Säulen getragen wird, und deren Decke mit leichtem Laubschmuck verziert ist. Die Blätter werden größer, der Trieb entwickelt sich jetzt sehr schnell, um jedoch nach einigen Wochen das Ende seines Jahreswachstums zu erreichen. Die Blätter sind eiförmig oder elliptisch. Ihr Rand ist mit zottigen Wimperhaaren eingefaßt, er besitzt mitunter eine undeutliche Zahnbildung, das Blatt kann jedoch noch als ganzgradig bezeichnet werden.

Zur Zeit des Blattausbruches erscheinen auch die Blüten. Die Buche gehört zu den Becherfrüchtlern gleich der Eiche, der sie überhaupt verwandtschaftlich am nächsten steht. Ihre unscheinbaren Blüten sind zu Kätzchen zusammeugestellt und jeder Baum trägt Kätzchen beiderlei Geschlechts. Die männlichen bilden runde Kugeln, an denen man besonders eine Fülle von langen Staubfäden bemerkt. Denn jede Blüte besitzt deren 8 bis 15 Stück. Auch die weiblichen Kätzchen sind rundlich. Sie enthalten nur wenige Blüten. Zwei bis drei von ihnen sind, gleich den Eicheln, von einer becherartigen Hülle umgeben. In ihnen entwickeln sie sich im Laufe des Sommers zu Früchten. Die Hülle der Buchenfrüchte ist nicht körbchenförmig wie bei den Eicheln, sie umschließt hier die Samen viel höher hinauf und sie umschließt auf einmal zwei bis drei. Sie wird später stachelig und nach oben zu springt sie in vier Lappen auseinander. Die Buchenkerne reifen zu derselben Zeit etwa wie die Eicheln, im Oktober. Sie sind scharf dreikantig geformt. Dieselbe Form, freilich in kleinerem Maßstabe, kommt in der Natur noch einmal vor, beim Buchweizen, und eben diese Fruchtähnlichkeit mit der Buche hat dieser Getreidepflanze ihren Namen verschafft.

Auch nachdem die erste zarte Maifarbe einem dunkleren Grün gewichen ist, bewahrt das Laub der Buche seine Schönheit. Es besitzt einen vornehmen Glanz, ähnlich wie der Lorbeer, die Orangen und andere Gewächse des Mittelmeergebietes. Die Blätter der Buche sind, selbst im Hochsommer, nie so verstaubt, so finster oder von Insekten zerfressen wie diejenigen anderer Bäume, sie sind immer sauber, immer wie lackiert. Diesem schönen, glänzenden Laube entspricht ein edler, ebenmäßiger Stamm von einer überaus angenehmen Färbung. Dieses feine leise schillernde Silbergrau läßt diesen Baum wie aus einem soliden Metall gegossen erscheinen. Das Weiß der Birke ist gewiß freudiger, frischer, graziöser, und Kirschbäume, Ebereschen haben oft schöne rötliche oder bräunliche Töne in ihrer Rinde. Aber diese vornehme, dezente, wie von hohem Alter leicht geschwärzte Silberfarbe gibt dem Stamm der Buche eine unvergleichliche Schönheit. Es kommt dazu, daß dieser stets ganz rund und vor allem ganz glatt ist. Welcher Gegensatz wiederum zu dem borkigen, zerfurchten Stamm der Eiche. Bei diesem alles eckige, eigensinnige, altehrwürdige Kraft, bei der Buche alles glänzende, ritterliche, stolze Ebenmäßigkeit! Der Stamm der Buche ist nie borkig, nie gefurcht, er behält immer bis ins höchste Alter diese glatte, feine, silbergraue Rinde. Daß er so hoch ist, bis weit hinauf astlos bleibt und dadurch eine stattliche kraftvolle Sänle darstellt, trägt noch besonders zu seiner Schönheit bei. Es stimmt zu dieser chevaleresken, prachtliebenden Eigenart des Baumes, daß seine Äste eine aufwärts strebende Krone bilden. Diese ist nicht gerade klein, sie ist für einen so kräftigen Stamm durchaus proportioniert, aber sie ist auch nicht so übermächtig, wie die der Eiche oder der Linde, die gerade infolge davon einen sehr altehrwürdigen, sei es männlich verschlossenen, sei es weiblich gutmütigen Eindruck machen. Die Buche ist zu schön, zu ritterlich vornehm, als daß man sie zugleich altehrwürdig nennen könnte. Und gerade diese aufstrebenden Äste mit dem glänzenden immer Jugendfrischen Laub gemahnen an die Elastizität und Energie in der Blüte der Manneskraft.

Wie im Frühjahr und im Sommer, so übt die Buche auch im Herbst durch ihr Laubkleid einen besonderen Reiz aus. Ehe die Blätter sich rostrot färben, machen sie gewöhnlich noch eine Übergangszeit in gelbem Kolorit durch. Dann aber, wenn sie jene rostbraune Färbung bekommen, sind sie von höchster malerischer Wirkung. Auch jetzt noch bewahren sie ihren alten wachsartigen Glanz, und gerade dadurch tritt das Rostbraun effektvoller hervor. Wer die ganze Schönheit dieses Baumes genießen will, der muß ihn im Walde in dieser herrlichen Herbstfärbung sehen. Aber selbst dann, wenn die Blätter unter den Buchen einen dichten rotbraunen Teppich bilden und die silbergrauen Stammsäulen mit ihren kahlen Ästen einsam in die Höhe starren, selbst im Winter ist der Buchenwald farbenreich genug. Sehr häufig behalten diese Bäume, besonders jüngere Exemplare, ihre Blätter die Wintermonate über bis zum Frühjahr, und dann läßt der Wald auch in der kalten Jahreszeit den Eindruck der Kahlheit nicht aufkommen.

Die Buche erweist sich dem Menschen nützlich durch ihr Holz, dessen Brennkraft ganz vorzüglich ist. Es ist hart, schwer, aber wenig elastisch, es wird daher viel zu allerhand groben Gerätschaften und Werkzeugen verwendet. Bei der großen Verbreitung der Buche, zumal in Gebirgsgegenden, bei ihrer Eigenschaft, reine Bestände zu bilden, spielt sie forstwirtschaftlich eine große Rolle. Ihr Anbau gibt da, wo er überhaupt möglich ist, die höchsten Erträge. Überall, wo die Buche gedeiht, ist das Land fruchtbar. Trotzdem ist nicht gerade zu befürchten, daß ihr Bestand nennenswert verringert werden wird. Denn, wo der Ackerbau sie verdrängen konnte, da hat er es längst getan. Wenn wir jetzt in einem Buchenwald umherstreifen, da können wir annehmen, daß der Boden, auf dem er wächst, zwar für den Menschen nicht anders verwendbar, daß es aber ein gutes fruchtbares Land ist. Die schönen stolzen Stämme mit ihren hochschwebenden Kronen können nur unter günstigen Verhältnissen gedeihen, und jeder Buchenwald ist ein bevorzugtes herrliches Stück Natur.

Dorflinde in Neubulach im SchwarzwaldDorflinde in Neubulach im Schwarzwald

Die Linde.

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s gibt wenige deutsche Laubbäume, die auch im Winter irgendeinen Schmuck aufzuweisen hätten. Und fast nur die Birke mit ihrem blendend weißen Stamm und ihrer purpurn angehauchten Rutenkrone macht zu dieser Jahreszeit einen wirklich freundlichen Eindruck. Aber auch die Linde steht, wenn sie entblättert ist, nicht ganz so kahl und düster da, wie eine Erle, eine Ulme, ein Obstbaum. Die Menge von hellbraunen Früchtchen, die verhältnismäßig großen häutigen Flügelblättchen, die mit den Fruchtsträußen verbunden sind und an den Zweigen hängen bleiben, geben dem Baum einen leichten, aber deutlichen hellbraunen Schimmer. Möglich, daß die meisten im Winter unachtsam an solchen Bäumen vorübergehen, während ihnen ein grellfarbiges Reklameschild schon auf Kilometerentfernung auffällt, aber wer gerade auf die feinen und diskreten Farbenschattierungen achtet, wie sie uns die modernen Maler zu sehen gewöhnt haben, der wird auch in dem hingehauchten Hellbraun der Linde eine angenehme Bereicherung der Winterlandschaft erkennen.

Der warme Sommer freilich ist die eigentliche Jahreszeit der Linde. Wenn er herannaht mit seinen lauen Lüften, dann öffnet sie ihre Blüten. An weichen, schwülen Juniabenden, wenn die Sonne untergegaugen ist und doch die Nacht nicht kommen will, dann erfüllen die süßen Düfte die Luft und umschmeicheln die Sinne der Menschen, die nach des Tages Arbeit den milden Abend genießen wollen. Ein jeder Baum hat seine bestimmte Zeit, in der er sich mit Gewalt dem Menschen kenntlich macht und gleichsam auch dem Stumpfsinnigsten sagt: Hier bin ich! Diese Zeit der Linde sind die warmen Abende des Juni und Juli, sei es, daß dieser Baum, in Alleen angepflanzt, den Promenaden der Städter einen äußerst anheimelnden Reiz verleiht, sei es, daß er in der Mitte eines Dorfes unter seiner hundertjährigen Krone die jungen Burschen und Mädchen versammelt und in diskreter Dämmerung dem Scherz und Ernst der Liebe lauscht, die hier ihren schönsten Schutzort findet. Die Linde ist, obwohl wir ihr am häufigsten in der Gesellschaft des Menschen begegnen, doch ein echter Waldbaum, der über ganz Deutschland verbreitet ist. In zwei Arten tritt bei uns die Linde auf, als Sommer- und als Winterlinde. Die erstere, deren Blätter groß und deren Blüten zu zwei bis drei vereint sind, findet sich nur selten in wildem Zustande in Deutschland. Sie gehört mehr dem Süden an und in Ungarn bildet sie sogar reine Bestände. Die eigentliche deutsche Linde aber ist die Winterlinde, die sich von ihrer Verwandten besonders durch kleinere, unbehaarte Blätter und eine um 8-14 Tage spätere Blütezeit unterscheidet. Sie ist es auch, von der hier im allgemeinen die Rede sein soll.

Die Linde gehört zu unseren anspruchsvolleren Bäumen. Gleich der Buche meidet sie trockene und sandige Gegenden vollständig. Sie will einen fruchtbaren Boden haben, am besten gedeiht sie auf frischem lehmhaltigem Laubwaldlande. Hier häufen sich über dem schweren Erdreich alljährlich die großen Massen von Laub an, das im Vermodern die Nährstoffe an die Bäume abgibt und zugleich den Boden frisch und mürbe erhält. Die Linde sendet ihre Wurzeln sehr tief in die Erde, im Gegensatz zur Buche, die möglichst die kalte Feuchtigkeit des Untergrundes vermeidet. Die Wurzeln verzweigen sich außerdem sehr reich, und so ist die Linde jedenfalls sehr gut verankert, um trotz enormer Höhe und breiter dichter Kronenentwickelung doch allen Stürmen Trotz zu bieten. Im übrigen ist die Linde nicht gerade empfindlich, sie leidet nicht an Krankheiten, und sie hat auch keine spezifischen Feinde, die ihr arg zusetzen könnten. Sind die Wurzeln in gutem Boden, dann verträgt der Baum Wärme wie Kälte ziemlich leicht. Ist er doch in ganz Europa verbreitet, vom Süden an bis weit in den Nordosten, durch ganz Rußland hindurch bis an den Ural, und außerdem im Südosten in den Kaukasusländern. In Deutschland bildet sie nie zusammenhängende Wälder, ist vielmehr immer in einzelnen Exemplaren in den Buchen-, Eichen- oder gemischten Laubwaldbestand eingesprengt. Dagegen gibt es in Rußland, besonders in Estland, reine Lindenwälder.

Die Linde ist nicht besonders geeignet, sich leicht zu verbreiten. Gewiß besitzt sie eine große Menge von Samen, und sie übertrifft darin Eiche und Buche immerhin um ein beträchtliches, aber sie steht doch weit hinter anderen Bäumen, Birken, Erlen, Nadelhölzern, zurück. Besonders sind ihre Samen schwer, und sie wären für den Transport durch den Wind gänzlich ungeeignet, wenn der Stiel, der die Samennüßchen trägt, nicht mit einem großen, langen, häutigen Deckblättchen versehen wäre. Ein starker Wind vermag die Samen infolge dieses Flügelapparates doch recht weit fortzutreiben, allerdings weniger in der Luft als über die Erde hin. Dazu ist aber Vorbedingung, daß der Boden zur Zeit des Samentransports kahl ist. Wirklich hängen die Lindenfrüchte mitsamt dem Deckblatt den ganzen Winter über am Baume, und sie hängen so fest, daß sie ein leichter Wind nicht abreißen kann. Erst ein heftiger Sturm vermag die Nüßchen loszuschlagen, und gerade ein solcher starker Wind ist auch imstande, sie weithin über den Schnee, die gefrorene oder kahle Erde fortzutreiben. durch Tiere, die bei der Verbreitung so vieler Bäume stark beteiligt sind, werden die ungenießbaren Samen der Linde wohl kaum verschleppt. Von großem Werte für den Fortbestand der Linde ist ihre Fähigkeit, an der Stammbasis neu auszuschlagen. Wenn sie vom Sturme umgeknickt oder von einem anderen fallenden Baume umgeschlagen wird, schlägt sie doch von neuem aus dem Stamme aus. Von großem Wert ist es aber, daß sie sehr schnell wächst und darin andere ebenso kräftige Bäume, mit denen sie um den Platz streiten muß, besonders Eichen und Buchen, übertrifft. Das schnelle Wachstum ist aber besonders der Grund geworden, daß der Mensch sich ihrer annimmt und für ihre Verbreitung Sorge trägt. Fast in jedem Dorfe, jedenfalls in jedem Städtchen gibt es eine Straße, die mit Linden bepflanzt ist. Allerdings wählt man dazu weniger die Winter- als die Sommerlinde, die wegen ihrer größeren, weicheren Blätter, wegen ihres früheren Laubausbruchs noch beliebter ist. Jedenfalls würden weit seltener Linden gepflanzt, wenn sie so langsamen Wuchs besäßen wie die Eichen.

Der Same der Linde keimt meistens erst im zweiten Jahre. Das hängt damit zusammen, daß er gewöhnlich erst im Frühling vom Baume fällt und nun nicht mehr Zeit genug vorhanden ist, um die dicke Samenschale erweichen und sprengen zu laffen. So liegt der Same den ganzen Sommer hindurch und auch noch den Winter über regungslos auf dem Boden, um erst im nächsten Frühjahre seine Auferstehung zu feiern. Die Keimblätter sind von den späteren herzförmigen Blättern, wie dies ja bei den meisten Pflanzen der Fall ist, sehr verschieden. Während sonst aber die Keimblätter meist eine einfachere Form besitzen als das spätere Laub, sind sie bei den Linden sehr breit, dabei kurz und in eine Menge von Lappen zerteilt. Vielleicht besitzen sie in diesen Keimblättern noch Anklänge an eine frühere Entwicklungsstufe, wo die Linden tiefgebuchtete Blätter hatten gleich den vielen tropischen Lindengewächsen, von denen die bekannte Zimmerlinde (Sparmannia) ein oft gesehener Repräsentant ist. Wird die Linde von Menschen aufgezogen, so wachsen die auf gut gepflegtem Boden ausgesäten Pflanzen sehr bald heran. Nach zwei Jahren werden die Sämlinge verpflanzt, um zu einer verstärkten Wurzelbildung angeregt zu werden. In zwei oder drei Jahren werden die jungen Bäumchen in sorgfältig geführten Baumschulen in der Regel noch einmal umgepflanzt. Nach etwa fünf Jahren sind sie dann soweit gediehen, daß sie als Alleebäume Verwendung finden können. Auch im Walde wächst die Linde unter günstigen Umständen etwa in derselben Zeit zu einem kleinen Baum heran, während in ebensoviel Jahren Eichen und besonders Buchen noch kleine, nur erst manneshohe Stöckchen sind. Schon in jungen Jahren bekommt die Linde eine breite schattige Krone, darum stellt sie sehr bald etwas vor, sie sieht gewissermaßen respektabler aus als eine dreimal so hohe Pappel, deren Krone aus zwei, drei langen Ruten besteht. Mit zunehmendem Alter wird die Linde immer stattlicher und breiter, ihre Krone, an und für sich zu breiter Wölbung geneigt, gleicht schließlich einem gewaltigen Dom, unter dessen Kuppel Tausende von Menschen Platz finden können. Der Stamm, in der Jugend glatt und von schwärzlicher Farbe, wird borkiger, schließlich bekommt er dicke Furchen und dabei nimmt er an Umfang mächtig zu. Die Linden werden sehr hoch, sie können eine Größe von 25-30 Meter erreichen. Aber ihre Höhe wird dennoch nicht so fühlbar wie etwa bei alten Schwarzpappeln, deren Stamm leicht zu übersehen ist. Bei der Linde imponiert die Gesamtgestalt, diese nach allen Verhältnissen gleichmäßig stark ausgebildete Baumnatur. Die Linde hat nicht die an wilde Leidenschaft erinnernde Stärke der Eiche, nicht die stolze Form- und Farbenpracht der Rotbuche, ihre Kraft ist mehr diejenige gefestigter Verhältnisse, sie hat etwas großväterlich oder noch besser großmütterlich Solides, ihre Größe ist mit Milde, mit Freundlichkeit, mit Märchenpoesie vereint. Die Vorstellungen, die von jeher mit Bäumen verbunden worden sind, und die man auch heute noch unwillkürlich mit ihnen verbindet, hängen zum großen Teil mit der Form der Bäume zusammen. Die Linde mit ihren weichen lichten Herzblättern, ihrer reichen allseitigen Verzweigung, ihrem süßen Blütenduft, ihrem ehrwürdig gefurchten Stamm, das alles muß auch in unserem Gefühl diesem, wenn auch noch so gewaltigen Baum etwas mütterlich Fürsorgliches, Treues, Liebenswürdiges geben. Die Eiche mag an die unbändige Kraft der alten Germanenrecken bei unverfälschter Treuherzigkeit erinnern, die Buche an die stolzen, gewaltigen Ritter des Mittelalters, die Linde hat ohne Zweifel etwas Bürgerliches, allerdings jenes Bürgerliche vergangener Zeiten, wo es noch Solidität in der Welt gab, jener Zeiten der Holzschnitzkunst und des Lukas Kranach, wo mit tüchtigem Können ein froher Sinn und eine Liebe zu Kunst- und Gedankenvertiefung verbunden war.

Die Linde erwacht im Frühjahr ziemlich früh, allerdings treibt die Winterlinde später aus als die Sommerlinde, die in unseren Städten meist angepflanzt ist. Jedenfalls geht sie in der Laubentfaltung der Buche und Eiche weit voraus. Ihr erstes Laub ist ungemein zart, es hat jene lichtgrüne Farbe der jungen Birkenblätter. Wenn sie auch nicht die Zierlichkeit, dies frühlingsduftige Kleid der Birke hat, so ist sie doch mit der Fülle ihres Laubes ein Abbild der von Schöpferkraft überfließenden Frühlingsnatur. Ihre Blätter selbst haben in ihrer Herzform etwas Anziehendes. Übrigens ist die Herzgestalt in den Lindenblättern nicht ganz ideal ausgeprägt, sie sind nicht ganz symmetrisch gebaut, man bezeichnet ihre Form deshalb in der Botanik als schief herzförmig. Im Gegensatz zu fast allen anderen Bäumen Deutschlands blüht die Linde erst lange Zeit nach dem Laubausbruch. Die anderen sind ja fast alle - Ausnahmen sind besonders die Obstbäume, Eschen und Ahorn - Kätzchenträger. Die Linde entwickelt dagegen einzelne, vollständig ausgebildete Blüten. Zwar in dem dichten Laube können die Blüten nicht so leicht zur Geltung kommen, ihre Farbe ist deshalb ein unscheinbares Gelblich-weiß, aber die Blütenfarbe wird ersetzt durch den ungemein lebhaften Blütenduft, der in der Anlockung von Insekten wenigstens ebenso wirksam ist wie jene. In der Blütezeit sind denn auch die Bäume meist von Bienen stark umschwärmt. Und das hat noch für den Menschen einen besonderen Vorteil. Denn der Nektar, den die Bienen hier einsammeln, liefert einen vorzüglichen Honig. Die Imker sind darum immer sehr glücklich, wenn sie sich in der Nähe einer Lindenallee mit ihren Bienenstöcken ansiedeln können. Im Sommer bleibt die Belaubung des Baumes verhältnismäßig hell. Die Linde gibt einen reichen dichten Schatten, so daß sie zu den vorzüglichsten Promenadenbäumen gehört. Im Herbst hält sie ihre Blätter freilich nicht allzulange; besonders in dem Staub und Sonnenbrand der großen Städte macht die Linde schon in der zweiten Hälfte des Septembers einen traurigen Eindruck. Das ist auch der Grund, daß man neuerdings unsere deutschen Linden vielfach durch eine ausländische, die Krimlinde, ersetzt, die ihr Laub viel länger in den Herbst hinein bewahrt. Im Oktober, wenn der Laubwald ein buntes Kolorit bekommt, färben sich auch die Blätter unserer Linde gelb, ohne indes die tiefe Färbung des Ahorns oder der Birke zu erhalten.

Die Linde ist ohne Frage ein nützlicher Baum. Daß sie überall als Alleebaum Verwendung findet, entspricht zwar zunächst nur einem ästhetischen Bedürfnis der Menschheit. Aber da dieses Bedürfnis so allgemein verbreitet ist, so schließt dies schon an und für sich die Wertschätzung des Baumes in sich. Als Forstbaum dagegen ist die Linde nicht allzusehr geschätzt. Ihr Holz reicht durchaus nicht an die Güte des Eichen- und Buchenholzes heran, und doch macht die Linde ebenso große Ansprüche an den Boden wie die besten Forstbäume. Allerdings wächst sie bedeutend schneller als diese. Das Holz ist weich und leicht, der Brennwert ist nicht eben bedeutend. Am besten eignet sich das Holz zur feineren Bearbeitung für Tischler und Drechsler. Es läßt sich leicht schneiden, ohne zu spalten oder sich zu werfen. Es eignet sich ganz besonders zu Holzschnitzereien, und weil früher vor allem die katholischeu Heiligen und die Kruzifixe daraus geschnitten wurden, so nannte man es auch Heiligenholz. In Rußland, wo Linden viel häufiger sind als bei uns, werden auch Möbel häufig aus Lindenholz gebaut, für welche es wegen seiner ebenmäßigen Struktur und seiner ansprechenden rötlichweißen Farbe recht gut geeignet ist.

Die Linde ist der Baum, der am ältesten werden kann von allen deutschen Bäumen. Sie kann ein Jahrtausend ruhig überstehen, ohne an Altersschwäche zugrunde zu gehen. Viele Linden gibt es, viele auch in Deutschland, die schon seit langen Jahrhunderten stehn, die schon im Mittelalter standen, und schon damals als große Bäume bekannt waren. Eine der ältesten ist die Linde, die in der Nähe des Tores von Neustadt am Kocher in Württemberg steht. Sie war schon im Jahre 1252 bekannt, also vor mehr als 600 Jahren und im Jahre 1558 war sie bereits weit und breit als ein Baum von gewaltigem Umfang bekannt. Jetzt hat sie einen Stammumfang ' von über 12 Meter. Die Linde, die in Donndorf bei Bayreuth stand und die 1899 zusammenknickte, muß, nach ihren Jahresringen zu schließen, mehr als 1230 Jahre gestanden haben, sie muß also in jene alte germanische Zeit zurückgereicht haben, wo das Christentum noch nicht eingeführt war und wo ein gesundes Volk seine Gottheit in der Natur suchte, der nun auch wir wieder unsere huldigende Verehrung darbringen.

Birkenweg in der MarkBirkenweg in der Mark

Die Birke.

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it ihrem duftigen Laube, mit ihrem blendend weißen Stamme, mit ihren zarten feingrschnittenen Blättern, mit ihrer ganzen, leichten duftigen Gestalt verkörpert die Birke im deutschen Walde am lebhaftesten die anmutsvolle Innigkeit des Herrscher gewordenen Frühlings. Und wenn die Macht des Lenzes auf ihrem Höhepunkt steht, zu Pfingsten, dann schneiden die Menschen Zweige von dem Baume und stellen sie vor Türen und Tore, und von dem frischgrünen Laub und seinem Maienduft und Waldeshauch steigen Bilder der Erinnerung auf von alten Jahrhunderten und vorgeschichtlichen Jahrtausenden, wo mit dem Birkengrün und Birkenduft der Wald für den Menschen wieder eine schöne Wohnstätte wurde, wo im milden Sonnenschein und in weicher Frühlingsluft die Liebe neu erwachte und das freie Waldleben wieder ein starker Genuß wurde. Heute zwar sind diese engen Beziehungen des Menschen zum Walde längst zerrissen, aber auch der Bewohner der Großstadt, der am Abend nicht weiß, was am Tage für Wetter gewesen ist, hat eine lebhafte Anschauung von diesem leicht erkennbaren Baum, der mit seiner schneeweißen Rinde schon von weitem von allen andern Bäumen absticht. Er hat sich jedem ein wenig ins Herz geschrieben durch diesen wunderbaren Duft seines Laubes, durch das zierliche, luftige Gehänge seiner Krone, die leicht und graziös auf dem langen, weißen, schlanken Stamme ruht. Die Birke belebt jede Landschaft ungemein, es steckt in ihr eine Fülle von Farben und ein interessantes Spiel von Licht und Schatten. In den Gemälden unserer zeitgenössischen Künstler ist die Birke häufiger vertreten als irgendein anderer Baum.

Trotz der Zartheit ihres Laubes, der femininen Anmut ihres ganzen Wesens ist die Birke ein äußerst zäher Baum. Sie hat eine unkrautartige Bedürfnislosigkeit und zeigt eine seltene Unempfindlichkeit gegen alle Witterungseinflüsse. Die Birke gedeiht auf feuchtem wie auf trockenem Boden, auf schwerem wie auf leichtem, auf steinigem wie auf sandigem, sie ist überall verbreitet in ganz Deutschland, ja fast in ganz Europa und den angrenzenden Teilen Asiens. Die Wärme des Südens meidet sie allerdings, aber im Norden dringt sie bis nahe an das Nordkap vor. Ähnlich den Weiden bildet sie dort einen niedrigen verkrüppelten Strauch, wo kein anderer Baum mehr gedeiht.

Da die Birke Trockenheit und mageren Boden leicht verträgt, so ist sie hier weit häufiger als in guten Lagen, wo andere kräftigere Bäume, Eiche und Buche, ihr den Platz wegnehmen. Schon im Norden Deutschlands sind reine Birkenwälder nicht selten; große zusammenhängende Bestände aber bildet der Baum in Skandinavien und besonders in Finnland, wo er geradezu der Charakterbaum des Landes ist. So mit seinesgleichen vergesellschaftet, bildet er lichte Wälder ohne Unterholz. Die weißen Stämme erheben sich aus einem dürren Boden, der nur mit einer spärlichen, niederen, grauen Vegetation bedeckt ist. Die Birke besitzt ein überaus großes Lichtbedürfnis. Deshalb meidet sie die dichten hohen Waldungen, doch tritt sie überall auf, wo ein dürftiger Boden schattengebende Bäume ausschließt oder wo eine Lücke entsteht, die von andern langsam wachsenden Gehölzen nicht so schnell ausgefüllt werden kann.

Denn die Birke ist außerordentlich schnellwüchsig. Nach den ersten fünf Jahren kann sie schon gegen fünf Meter hoch fein. Und in dieser Zeit vermag, es sei denn auf nassem Boden, kein anderer Baum mit ihr im Wachstum zu konkurrieren. Wo also eine Lücke im Walde entsteht, sei es, daß ein alter Baumriese umstürzt, oder durch Menschenhand ein Revier gelichtet wird, da schießen an dem baumlosen Platz sofort Birken hervor, sie wachsen schnell in die Höhe, ehe Buchen, Eichen, Fichten nur überhaupt daran denken, sich vom Erdboden zu erheben. Freilich, wenn diese letzteren erst erstarken und mit ihrem dichten Gezweig, ihrer reichen Belaubung der Birke auf den Leib rücken, dann ist es mit ihr vorbei. Sie wird unfehlbar von den andern unterdrückt. Sie verträgt nicht die Gesellschaft gleich großer Nachbarn, mit Ausnahme derer, die ihresgleichen sind. Der seitliche Druck und die Überschattung vernichten sie in kurzer Zeit, sie wird dürr und geht ein.

Wenn die Birke trotzdem in den Ländern so häufig ist, so kommt das daher, daß sie, wie kaum ein anderer Baum, vorhandene Lücken sofort, man möchte sagen aufspürt und ausnutzt. Es hängt diese Eigenschaft damit zusammen, daß die Birke Unmengen von Samen erzeugt. Und der Samen ist so ungeheuer leicht, So dünn und klein, daß der Wind ihn wahrscheinlich auf sehr weite Strecken hin aussät. Ein paar Samenbäume genügen, um ein weites Waldrevier gleichmäßig zu überstreuen. Ist also eine Lücke vorhanden, so wird man ziemlich sicher sein, daß auf sie einige Birkensamen fallen, aus denen neue Bäume hervorgehen. Häufig tauchen auch in Schonungen so zahlreiche Birken aus, daß sie fast die Hauptbaumart zu bilden scheinen. Und sicherlich würden die Birken die entsetzlichsten Waldunkräuter sein, wenn sie die Fähigkeit besäßen, zu schaden. Aber trotz ihrer sehr starken Vermehrung, trotz ihrer Eigenschaft, schnell ein Terrain zu okkupieren, sind sie doch wegen ihrer leichten Belaubung und wegen ihrer höflichen Art, andern Platz zu machen, wenn diese des Platzes bedürfen, niemandem zur Last. Unter ihrem lichten Laube können sich andere Bäume ebenso gut, ja vielleicht besser als sonst entwickeln. Denn die Birke gibt den jungen Pflanzen Schutz gegen Frost und gegen Wildverbiß. Und wenn die Gehölzkulturen erstarken, dann verschwindet die Birke von selbst, ohne Zutun des Menschen. Oder sie kann dann abgehauen und als Stangenholz verwendet werden. So ist die Birke im Forst nie ein lästiges, in vielen Fällen sogar ein erwünschtes Unkraut.

So schnell wie die Birke wächst, so schnell ist auch ihr Wachstum erschöpft. Sie wird selten über 100 Jahre alt, und ihr Stamm erreicht nie die kolossalen Dickendimensionen wie der der Eichen, Linden oder Buchen. Eine Birke, deren Stamm von einem Manne mit seinen Armen nicht umspannt werden kann, ist fast eine Seltenheit. Für gewöhnlich ist die Birke ein dünner, schlanker, dabei recht hoher Baum. Selten jedoch geht der Stamm senkrecht in die Höhe, meist steigt sie in elegantem Bogen auf, an windigen Orten, besonders an Wegen, findet man auch viele krumme Birken, die aber gerade dadurch meist ein sehr malerisches Aussehen besitzen. In den ersten Jahren ist der Stamm der Birke noch nicht weiß, er sieht zunächst gelblich bis bräunlich aus, erst wenn das Bäumchen drei bis vier Jahre alt ist, erhält es vom Erdboden aufwärts seine schöne weiße Rinde, die sich in Querstrichen abschälen läßt. Lange Jahre und Jahrzehnte hindurch bleibt der Stamm weiß, im höheren Alter indes bekommt er, ebenfalls wieder von unten herauf, Risse und Furchen, wird sehr borkig und bekommt dann eine schwarze Farbe, die infolge einer häufig auftretenden Flechte jedoch leicht in ein sehr zartes Resedagrün übergeht. Der obere Teil des Stammes bleibt auch später weiß, so daß auch dann noch die Birke an dieser leuchtenden Farbe aus weite Ferne hin zu erkennen ist. Eigentümlich ist die Krone der Birke gebaut. Von dem Stamme trennen sich nur selten stärkere Äste ab, vielmehr setzt er sich als Achse des Baumes bis zum Wipfel fort. Die Krone aber wird von sehr zahlreichen und sehr dünnen Zweigen gebildet, die allenthalben von der starken Mittelachse entspringen. Die Krone, ein dünnes, lichtes, reich geästeltes Gehänge, ist also gewissermaßen nur lose um den Oberteil des Stammes geschlungen, sie ist ein luftiges, graziöses Ballkleid. Bei einer Abart der Birke, der sogenannten Hängebirke, wird die Krone dadurch noch weit anmutiger, erhält noch mehr, man möchte sagen, jungfräulichen Chik, daß die dünnen Zweige, gleich langen Haarsträhnen weit herabhängen. So eine zierliche, weiche, anmutige Krone hat kein anderer Baum.

Ziemlich früh im Jahre schlägt die Birke aus. Sie gehört mit der Kastanie und der Linde zusammen zu den Bäumen, die am zeitigsten im Frühjahr ihr junges Laub bekommen. Oft schon Mitte April brechen aus den Knospen die zarten lichtgrünen Blätter. Sie sind anfangs sehr klein, und vergrößern sich allmählich. Aber noch im endgültigen Zustande ist das Birkenblatt recht klein, es hat eine feine rautenförmige Gestalt, ist am Rande gesägt und verlängert sich in eine Spitze. Im Laufe des Sommers wird das Laub dunkler, bleibt aber immer etwas heller, als das der meisten andern Waldbäume. Im Herbst nimmt es eine intensiv gelbe Färbung an, und dann erhält der Baum ein neues anziehendes Aussehen. Ganz allmählich vollzieht sich der Übergang des Sommerkleides zur Herbstfärbung, und im Oktober bis November hinein gibt fast jeder Tag dem Baume ein neues Kolorit. Immer mehr geht die grüne Farbe über eine olivenartige und braune in die gelbe über, in dem Maße, wie das Verhältnis von frischen zu herbstlichen Bättern vorschreitet. und wenn die gelbe Herbstfärbung erreicht ist, und lange, milde, windstille Novembertage eintreten, dann wird das Laub allmählich lederbraun, bis es schließlich nach und nach zu Boden fällt. Auch im entlaubten Zustande behält die Birke noch etwas von der Anmut, die ihr so eigen ist. Das wirre lose Gezweig rings um den blendend weißen Stamm läßt auch im Winter den Baum recht freundlich erscheinen. Die Zweige ragen nicht so starr, so schwarz und gleichsam skelettiert in die Luft, sie bewahren einigermaßen ihr sommerliches Aussehen, das ja auch licht, luftig und locker ist. Aber noch eine andere belebende Eigenschaft besitzen diese Zweige, sie haben eine leichte karminrote Farbe, die der ganzen Krone im Winter einen zwar schwachen, aber doch deutlich auffallenden Purpurschimmer verleiht. Wie im Frühling, wie im Herbst, so hat auch im Winter die Krone der Birke ein helles, farbenfreudiges Aussehen. Auch zu dieser Jahreszeit bildet der Baum einen scharfen Kontrast zu den anderen Bäumen, er bringt gleich wie bunt gekleidete Frauen ein freundliches Moment in die ernste männliche Gesellschaft unserer Waldbäume.

Die Birke blüht, obwohl sie ein Kätzchenträger ist und der Erle am nächsten steht, doch erst mit Ausbruch der Blätter. Ihre zartere, lockere Belaubung und ihre lichte Krone aber hindern den Wind nicht, den Blütenstaub aus den Kätzchenblüten zu schütteln und weiter zu tragen. Darum war es bei ihr nicht nötig, die Blütenperiode in jene verhältnismäßig ungünstige Zeit des Vorfrühlings zu verlegen. Männliche und weibliche Kätzchen sind auf ein und dasselbe Baumindividuum verteilt, beide sind spindelartig angeordnete, unscheinbare Gebilde, die fast nur aus Staubblättern, beziehentlich Fruchtknoten bestehen. Der Ansatz zu einer farbigen, überhaupt zu einer Blütenhülle ist nicht vorhanden. Dieser anmutige Baum ist darin von der Natur ganz stiefmütterlich behandelt worden. Doch kann sich die Birke darin mit unsern meisten Waldbäumeu trösten.

Begünstigt der heutige Waldbau auch die Verbreitung der Birke nicht, so benutzen doch die Forstleute diesen Baum als Zierpflanze, welche die Wege ihrer dunklen Forsten schmückt. Auf unchaussierten Waldwegen in der Mark z. B. wird vorwiegend die Birke angepflanzt. Die Waldwege sind hier meist sehr breit, der Boden ist nicht teuer, man kann sich den Luxus gönnen, breite, alleeartige Verkehrslinien zu schaffen. So sieht man häufig Waldwege mit vier Birkenreihen nebeneinander. Kein Baum ist geeigneter für diese Wege im Kiefernwalde als die Birke. Durch ihre Farbe sticht sie von dem dunklen Nadelholz auffällig ab und verrät so den Bezirk, die Länge und den Lauf des Weges auf weite Entfernung, selbst in der Nacht und bei Schnee. Die Vereinigung von Birken und Kiefern hat etwas Stimmungsvolles. Zu dem düsteren Ernst der Kiefern singt die leichte, zierliche Birke von der Jugendlust und der Schönheit des Lebens. In langen Reihen ziehen die Birken durch den Kiefernforst gleich einer fröhlichen Wanderschar in Festkleidern. Besonders wenn sie im Frühjahr im ersten Laub prangen, in diesem duftig maigrünen zarten Blätterschmuck, geht von den weißglänzenden Bäumen ein süßer Reiz aus, dann duftet und strahlt es in ihnen von dem Glück des Lenzes, dann sind sie das Symbol der Sehnsucht und der Reinheit. In ihnen verdichtet sich die Frühlingsstimmung des märkischen Kiefernwaldes, der an sich immer melancholisch ist im Winter wie im Sommer, im Herbst wie in der Maienfülle des Frühlings. Aber um die Birke, die einsam von den schweigsamen Nadelbäumen umgeben ist, oder mit vielen Genossinnen in langen Reihen die Forstwege begrenzt, webt und lebt der Lenz in seiner ganzen Schönheit.

Die märkischen Dorfbewohner sehen die Birke als eine Art Zierbaum an. Sie pflanzen sie häufig in ihren Gärten, wohl gar im Hofe an. Anderswo sind die Gärten mit Obstbäumen dicht besetzt. In der Regel sind wohl die Bäume nicht einmal angepflanzt, sondern aus Samen ohne Zutun des Menschen emporgewachsen. Auch mitten im Dorfe werden wohl neben den Kastanien und Akazien auf dem weiten Grasanger, der in jedem kleinen Orte der Mark vorhanden ist, Birken gepflanzt. Man findet die Birken selbst auf den Kirchhöfen, diesen armseligen Kirchhöfen der Mark, die in ihrer Schlichtheit ergreifender wirken als manch effektvoller Camposanto der Südländer. Sie liegen in dürrem, armem Boden, die Toten der Mark, in dem ärmsten Sande, der bessere muß die Lebenden ernähren. Sie liegen wie auf freiem Felde, keine Mauer, kein Zaun schließt sie von der übrigen Welt ab, und doch kann man ruhig sein, niemand wird sie in ihrem Schlaf stören. Über ihren Häuptern grünen die Akazien und die Birken, die anspruchlosesten unter den Laubbäumen. Sie grünen so zierlich, so lustig, als wüßten sie nichts von dem Leid, das neben ihren Wurzeln in der Erde ruht. Wenn der Mai herankommt, dann singen die Birken ihr anmutiges Lied vom Frühling und von der Liebe, sie jubeln es unhörbar und doch vernehmlich in die Lüfte, und an den Wurzeln ruhen die Toten. So widerspruchsvoll ist das Leben, ist selbst der Tod. Der schöne Baum schmückt die Stätten der Gräber, wie er die Parkanlagen der Lebenden schmückt. Denn ein kleines Wäldchen von Birken macht selbst in einem gutgepflegten Parke einen vorzüglichen Eindruck. -

Wenn von der Birke die Rede ist, so denkt jeder nur an die Weißbirke (betula alba), doch gibt es in Deutschland noch eine andere nicht seltene Birkenart, die Moorbirke, die aber von Nichtbotanikern nur schwer von der Hauptart zu unterscheiden ist. Sie wächst in Torfsümpfen, ihre Blätter sind zu Beginn der Vegetationszeit sehr dicht behaart, sie bleibt häufig ein Strauch. Die niedrige Birke und die Zwergbirke, die beide ziemlich selten, nur auf einzelne Torfbrüche und hohe Berge beschränkt sind, erwachsen nie zu Bäumen. Jedenfalls sind alle drei Arten gegenüber der Weißbirke von untergeordneter Bedeutung, während diese ja einer unserer verbreitetsten Bäume ist.

Die Birke ist nicht nur ein schöner, sie ist auch ein sehr nützlicher Baum. Ihr Holz vorzugsweise wird zu allen den vielen Geräten verwendet, die der Landmann bei der Bestellung seines Ackers und der Führung seiner Wirtschaft gebraucht. Das Holz ist sehr schwer und fest und läßt sich doch leicht bearbeiten. Auch zu Tischlerarbeiten wird es benutzt, und als Brennholz ist es weit gehaltreicher als das der Fichten und Kiefern. Die schönen weißen Stämme werden häufig zu Bauten im sogenannten Naturstil, zu Lauben, Brücken, Bänken in Gärten und Parkanlagen verwendet. Auch die sehr haltbare Rinde wird zu Dekorationszwecken, als Einfassung von Blumenbeeten und dergleichen angewandt. Die Zweige dienen zu den bekannten Reiserbesen, und gegenwärtig finden in großen Städten die Zweige mit frisch angetriebenen Blättern als “Maien” einen lohnenden Absatz. Die große dekorative Bedeutung der Birke ist von Landschaftsgärtnern schon längst erkannt worden, und so findet sie in Parkanlagen eine reichliche Verwendung. Wunderbar ist die Wirkung, wenn diese leichten, anmutigen,farbenfreudigen Bäume vor einer dichten Phalanx dunkler, ernster, stolzer Fichten stehen. Nie wird es so eindringlich klar, wie in diesem Falle, welch verschiedenartige Charaktere doch unsere Bäume besitzen. Vergleiche mit Menschen drängen sich unwillkürlich auf. Wie Dame und Ritter stehen sich jene beiden Baumarten gegenüber. Doch mit welchem anderen Baume immer man die Birke zusammenstellt, stets wird sie dem andern gegenüber das Anmutige, das Graziöse, das Weibliche vertreten.

EschenEschen

Die Esche.

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em Namen nach ist die Esche so bekannt wie irgendein Baum. Aber gesehen haben sie wohl nur wenige von denen, die ihren Namen kennen. In Norddeutschland zumal kommt der Baum auch den Landleuten nur selten zu Gesicht. Das Blatt einer Eiche, Linde, Birke könnte jedes Kind beschreiben, aber wollte man selbst nur unter den erwachsenen Personen in Deutschland Umfrage halten, wer das Blatt der Esche kennt, es würden wohl nicht fünf von hundert Antwort geben können.

Wer sie aber einmal wirklich gesehen hat, der kennt sie für immer. Kein anderer Baum Deutschlands gleicht ihr. Ihre äußere Form, ihr Wachstum, ihr Blühen und Fruchten, ihre Gewohnheiten geben der Esche ein selbständiges Gepräge, so daß sie mit keiner anderen einheimischen Pflanze verwechselt werden kann. Vor allem das Blatt ist charakteristisch, dieses große, straffe Fiederblatt, das aus drei bis sechs Paaren von länglichen Teilblättern besteht. nur die Eberesche, die sonst keine Berührungspunkte mit der Esche besitzt, und der fast ausgerottete, der Eberesche nahe verwandte Speierling haben Fiederblätter von allen deutschen Bäumen. Aber ihre Fiederblätter sind weich, zart, lieblich gegen das scharf und energisch geschnittene Blatt der Esche. Man möchte sagen: kühne Entschlossenheit spricht sich in ihm wie in dem ganzen Wesen der Esche aus. Da bei uns Bäume mit Fiederblättern so selten sind, so sehen wir in ihnen schon an und für sich etwas Apartes, einen besonderen, auffallenden Schmuck. Beim Walnußbaum, der ja auch bei uns erst eingeführt worden ist, sind die Teilblätter zu groß, so daß die gewaltigen Blattfiedern imposant wirken. Sonst geht von den fiederblättrigen Bäumen, die bei uns angepflanzt werden, Akazie, Gleditschie und Götterbaum, eine leichte, liebliche Anmut aus. Bei der Esche haben die Blätter zwar auch viel Gefälliges, aber mehr als die Grazie macht sich die Elastizität und die Straffheit geltend. Die dunkelgrüne Farbe, die feste, harte Struktur, der gesägte Rand der Blätter benimmt ihnen die Lieblichkeit und gibt ihnen eine strenge Schönheit. Derselbe Charakterzug prägt sich auch in der Form des Stammes aus. Die Esche wächst kerzengerade in die Höhe und verzweigt sich nicht so leicht und so schnell wie unsere anderen Bäume. So bildet sie in der Jugend einen schlanken, glatten Schaft, im Alter einen hohen, astlosen Stamm. Stolz und ebenmäßig strebt sie in die Höhe, ohne mit der Nachbarschaft durch Seitenäste in Berührung zu treten, gleich als scheute sie sich, sich mit ihrer Umgebung einzulassen.

Die Esche, so stolz und stattlich sie erscheint, hat doch keinen eigentlichen Schmuck wie mancher andere Baum. Der eine Baum besitzt anmutige Blüten, der andere Früchte, ein dritter hat andere dekorative Zierden zu gewissen Jahreszeiten. Die Esche besitzt davon nichts. Ihre Schönheit ist während der ganzen warmen Jahreszeit dieselbe, sie liegt in ihrer Form. Unscheinbar sind zumal ihre Blüten. Dabei gehört sie nicht, wie die meisten unserer Bäume, zu den Kätzchenblütlern, sondern zu den Olbaumgewächsen, die, wie verwandte Gehölzpflanzen, Flieder, Schneeflockenbaum und Liguster zeigen, durch Blütenpracht ausgezeichnet sind. Aber die Esche hat die Blütenblätter verloren, nur die unscheinbaren Fruchtorgane hat sie behalten. Um die Blüten noch unansehnlicher zu machen, läßt die Esche sehr häufig in ihnen nur ein Geschlecht zur Ausbildung kommen. So gibt es außer den Zwitterblüten noch solche, die entweder nur aus Staubgefäßen oder nur aus Stempeln bestehen. Die Blüten sind in kleinen Rispen angeordnet, die als schwarze Büschel, wenig bemerkbar, aus den Seitenknospen der Zweige hervorbrechen. Die Esche blüht wie die meisten unserer Bäume noch vor Ausbruch des Laubes. Im Frühjahr, wenn die Stürme über das Land brausen, kann der Wind den Blütenstaub leicht durch die Luft führen, ohne daß dieser an den Blättern der Bäume und Sträucher hängen bliebe. So kommt er ungehindert an seinen Bestimmungsort.

Nach der Blüte, ziemlich spät, schlägt die Esche aus. Wenn Birke, Linde und Weide längst den vollen Laubschmuck besitzen, dann denkt erst die Esche daran, ihren Blätterschmuck zu entfalten. Bei vielen unserer Bäume hat dieses frische Maiengrün einen milden, lieblichen Farbenton, bei der Esche ist die Maistimmung des Laubes weniger ausgeprägt, als wollte sie alles vermeiden, was das Herz weich und sehnsüchtig stimmt. Und doch ist dieses Laub, doch sind diese straffen, elegant geformten Fiederblätter eigenartig schön. Sie sind es aber im Hochsommer ebenso wie im Mai. Es ist kaum je eine Veränderung an ihnen zu bemerken. Sie bleiben straff, grün und sauber, bis in den Herbst hinein. auch der Oktober verändert sie kaum. Wenigstens bekommen sie kein bestimmtes Herbstkolorit. Die weichen blassen Oktoberfarben, die uns noch einmal die sterbende Natur in ihrem buntesten Farbenkleide zeigen, gehen an der Esche vorüber. Ihre Blätter färben sich nicht, wohl nimmt ihnen der Frost die saubere, frische, grüne Farbe, aber grün bleiben sie doch, bis sie der Wind zu Beginn des Novembers einzeln von den Ästen reißt. Dann liegen die langen Fiederblätter unter dem Baume, starr und unbeugsam wie immer, noch ziert sie ein mattes Grün.

Wenn die Esche sich entlaubt hat, tritt ihre schlanke, gerade Gestalt erst recht deutlich hervor. Der Stamm in seiner stolzen Länge ist das Sinnbild starken, mutigen Aufstrebens. Er ist lang und ebenmäßig, aber bei weitem nicht so dick wie der Stamm anderer gleich hoher Bäume. Das gutmütig Behagliche, das sich in der untersetzten Gestalt der Linde ausspricht, fehlt dem Stamm der Esche ebenso wie das kernig Biedere, das der ungeschlachte, eigensinnig verzweigte Stamm der Eiche aufweist. Auch bei größerer Stärke des Baumes furcht sich doch die Rinde der Esche nicht allzusehr. Sie ist nicht entfernt so zerrissen wie die der Eiche, Kiefer und Akazie, aber sie ist auch nicht ganz so glatt wie die der Buche. Die Esche hat eine schwarze Rinde, an jungen Bäumen und an den Spitzen der Äste ist sie jedoch heller, oft sogar weißlichgrau. Von diesen hellen Trieben stechen die kohlschwarzen Endknospen wirkungsvoll ab, die eine ansehnliche, auffällige Größe besitzen, fast wie die der Roßkastanien. Noch seltsamer aber wird die Winterfärbung der Esche, wenn sie in einem guten Samenjahr sich über und über mit Früchten bedeckt. Diese Früchte sind flache, häutige, weißliche Scheiben, oval und ziemlich so groß wie Hauspflaumen, aber oben ganz dünn und flach. In der Mitte liegt der Samenkern und rings um ihn läuft ein breiter, häutiger Flügelsaum. Mit diesen Samenscheiben dicht behängt, erscheint die Krone der Esche hechtgrau. Sie macht im Winter darum nicht den düsteren Eindruck, wie die anderen Bäume, hell und ungebeugt leuchtet ihre Krone in die kühle, kahle Winterlandschaft hinein.

Die Früchte der Esche bleiben lange am Baume hängen, an geschützten Stellen den ganzen Winter über, wenn auch von Neujahr an immer einige von den Zweigen fallen. Der Baum teilt diese Eigenart mit der Linde und dem Ahorn. Der Zweck dieser Einrichtung liegt auf der Hand. Die Samen der Esche sind durch ihren Flügelsaum recht dazu geeignet, vom Winde hinweggetragen zu werden. In der Luft würden sie aber doch nur eine kurze Strecke weit fliegen. Im Winter dagegen können sie über den kahlen Boden oder auch über den Schnee weitergetrieben werden. Sie finden zu dieser Jahreszeit lange nicht so viele Hindernisse wie im Sommer und Herbst. Auch das Laub des Mutterbaumes selbst wie das der benachbarten Gehölzpflanzen würde die Verbreitung der Früchte in der wärmeren Jahreszeit beschränken.

Der Reichtum an Samen ist bei der Esche beträchtlich, wenn sie darin auch nicht mit der Birke und Erle verglichen werden kann. Gewöhnlich keimt der Samen noch nicht im Frühjahr, sondern erst ein Jahr später. Diese Einrichtung findet sich bei vielen Bäumen, Linden, Hainbuchen und Ahornarten, und hat wohl den Zweck, den Fortbestand der Art auch im Falle einer Krisis, bei Dürre, Waldbrand oder verheerenden Krankheiten, zu sichern. Ist der Same aufgelaufen, so zeigt sich sofort im Sämling die unbändige, hochstrebende Energie der Esche. Die junge Pflanze erreicht gleich im ersten Jahre eine ansehnliche Höhe, während die Sämlinge anderer Baumarten im ersten Jahre winzige Pflänzlein bleiben, wird die Esche oft schon im ersten Vegetationsjahr zwanzig bis dreißig Zentimeter hoch. Sie gehört mit den Pappeln und einigen Weidenarten zu den deutschen Gehölzarten, die am schnellsten wachsen und übertrifft vielleicht alle an Energie des Wachstums. Jedenfalls vermag sich keine andere so schnell in die Höhe zu arbeiten. Die Esche verzweigt sich nicht oder nur schwach, sie wächst in senkrechter Richtung weiter, während bei Weiden und Pappeln die zu lang gewordenen Triebe leicht zur Seite fallen und die Fortsetzung des Stammes daher von einer Seitenknospe aus erfolgen muß. Alle unsere Bäume sind in der Jugend mehr oder minder Büsche, sie verzweigen sich gleich von der Erde an. Viele scheinen gar keine Lust zu haben, ein Baum zu werden, sie bilden in der Jugend keinen richtigen zentralen Stamm, sondern werfen sich mit ihren Zweigen bald nach dieser, bald nach jener Richtung, besonders die Eichen, Buchen, Ulmen und Weiden. Andere, wie Birken, Fichten und Kiefern, streben zwar in die Höhe und suchen einen festen, senkrechten Mittelstamm zu gewinnen, aber senden doch gleich im zweiten Jahre Seitenzweige aus. Nur der Ahorn, noch mehr aber die Esche zeigen von Anfang an, daß sie darauf ausgehen, Bäume zu werden. Fängt die Esche schließlich an, sich zu verzweigen, so hat sie bereits einen hohen, kräftigen Stamm gebildet. Aber auch im Alter läßt sie ihre Äste nicht wagerecht abgehen, geschweige denn herabhängen. Vielmehr streben auch diese energisch in die Höhe, sie rücken nahe an den Stamm heran und so entsteht jene längliche Baumkrone, die in ihrer männlichen Straffheit so weit von der Kugelgestalt der Linde, von dem eigensinnig nach allen Seiten unregelmäßig sich ausstreckenden Astwerk der Eiche, von der imposanten Fülle der Ahornkrone abweicht. Kraft steckt schließlich in allen diesen Bäumen, aber bei der Linde wirkt sie mit gutmütiger, alles umfassender Mütterlichkeit, bei der Eiche mit starrem, unbeugsamem Individualismus, beim Ahorn mit höfischer, steifer Würde, bei der Esche offenbart sich die Kraft in jugendlicher Elastizität.

Es ist kein Zufall, daß solch ein schnellwachsender, energisch aufstrebender Baum wie die Esche einen guten und besonders Feuchten Boden liebt. Nur das Wasser mit seiner erquickenden, aufmunternden, befruchtenden Kraft kann einer Pflanze so große Energie verleihen. Aber der Boden, in dem sich die Esche behaglich fühlen soll, muß auch nahrhaft sein. Am besten gedeiht sie in Aueboden, in jenen Niederungen, in denen Flüsse seit unvordenklichen Zeiten fruchtbares Schwemmland abgelagert haben. Hier fühlen sich natürlich auch andere Bäume sehr wohl, Eichen, Rüstern und Linden. Aber hier vermag sich die Esche unter ihnen zu behaupten, hier kommt ihre Kraft zur Geltung. Auch in anderen feuchten Wäldern, in den kleinen Buschwäldern an Bachufern kann man die Esche noch allenthalben antreffen. In Norddeutschland sind allerdings Auewälder und Bachufer selten. Die ersteren sind fast überall selten geworden, der Boden, den sie einnahmen, ist als Wiesen- oder Ackerland längst von den Menschen mit Beschlag belegt worden. In der norddeutschen Tiefebene gibt es so wenig guten Boden, daß man das Land da, wo es die Buschbäume innehalten, längst urbar gemacht hat. Bäche gibt es nun erst recht nicht, die Wasserkanäle aber, die sumpfige Wiesen entwässern sollen, führen meist durch zu nasses Land, als daß sich an ihren Ufern andere Bäume als Erlen und Weiden wohlfühlen könnten. Aber auch an den Ufern von Seen und Flüssen, an den Rändern von Kiefernwäldern, die Wiesen abgrenzen, findet man in Norddeutschland kaum je eine Esche. Hier ist der Baum jedenfalls vom Menschen ausgerottet worden, wie wohl auch die Erlen und Weiden längst ausgerottet wären, wenn nicht eine besondere Eigenschaft sie schützte. Sie schlagen nämlich aus dem Wurzelstumpfe wieder aus, wenn ihr Stamm gefällt wird. Der Besitzer solcher Ländereien an Flüssen und Seen pflegt derartige Laubbäume umzuhauen, sobald sie einigermaßen verbrauchsfähig sind. An das Anpflanzen denkt er nicht. Die Bäume, die aus dem Wurzelstumpfe nicht wieder, oder wenigstens nach wiederholtem Umhauen nicht mehr ausschlagen, werden auf diese Weise ausgemerzt. So ist es der Esche ergangen. Nun ist sie in weiten Landschaften Deutschlands ein seltener Baum geworden.

Die Esche gehört nicht zu den Bäumen, die sich des Vorzugs erfreuen, von den Menschen systematisch begünstigt zu werden. Es gibt kaum einen Forstbetrieb, der einen reinen Bestand von Eschen auswiese. Allenfalls ist sie in Buchenwäldern eingesprengt oder wird bei gemischten Beständen verwendet. In Mittel- und Süddeutschland sieht man die Esche eher einmal auch in der Nähe von Ortschaften. Am häufigsten aber ist sie im Gebirge. Dem Aussterben nahe ist sie noch lange nicht. Noch gibt es in Deutschlaud genug feuchte Abhänge und Wälder, die nicht zum Ackerbau benutzt werden können; hier wird die Esche sich voraussichtlich immer erhalten, aber ihre allgemeine Verbreitung in Deutschland büßt sie mehr und mehr ein. Einst war ihr Schaft begehrt zu Speeren, jeder kannte die Esche, die eine so unentbehrliche Waffe lieferte. Heute hat das Volk im ganzen alle Beziehungen zur Esche verloren. Gleichwohl gehört ihr Holz zu dem besten, das deutsche Bäume liefern. Es ist vorzüglich zur Möbeltischlerei, zäh und elastisch, dicht und hart, wird es als das beste Material zum Maschinenbau, aber auch zur Herstellung sauber gearbeiteter Werkzeuge geschätzt. Auch der Brennwert ist bedeutend, er erreicht fast den der Eiche.

Häufig wird die Esche noch als Alleebaum angepflanzt, an Wegrändern, die guten Boden besitzen, oder sich nicht hoch über dem Grundwasserspiegel erheben. Ihr gerader Sinn, ihre Höhe, ihr schnelles Wachstum machen sie zu einem vortrefflichen Straßenbaum, der immer schmuck und imposant aussieht. in Parkanlagen wird die Esche leider zu selten angepflanzt, eine eigenartige Varietät, die sogenannte Traueresche, die ihre Zweige in sauftem Bogen überhängen läßt, findet man häufiger. Eigentlich stimmt diese melancholische Form gar nicht zu dem Wesen des jugendlich elastischen, aufstrebenden Baumes. Aber die Gärtner haben Trauerbuchen, Trauereichen, Traueräpfel und noch vieles andere Traurige dieser Art gezüchtet und verbreitet. Manche streben danach, die Eigenart eines Wesens zu ergründen, andere danach, sie zu verwischen.

Erlen im SpreewaldErlen im Spreewald

Die Erle.

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ein anderer Baum hat ein so düsteres, finsteres Gepräge wie die Erle. Ihr Aussehen, ihre Blüte, ihre Frucht, ihr Standort, ihre Gewohnheiten, fast alles ist charakterisiert durch ein ernstes, unheimliches oder mürrisches Schwarz. Mit keinem andern Baume hätte Goethe in seinem Erlkönig so intensiv das Gefühl des Schauerlichen verknüpfen können, als mit der Erle, diesem düsteren Gesellschafter der Sümpfe. Es gibt in Deutschland hanptsächlich zwei Arten von Erlen, die Schwarzerle und die Weißerle. Denn die beiden anderen, die weißhaarige Erle und die Alpenerle, besitzen nur untergeordnete Bedeutung. Schwarzerle nnd Weißerle haben viel Gemeinsames, äußerlich unterscheiden sie sich am deutlichsten durch die Farbe des Stammes, der bei der Weißerle perlgrau, bei der anderen Art dunkelfarbig, häufig ganz schwarz ist. Hier soll nur von der Schwarzerle die Rede sein. Sie ist die weitaus häufigere, die allgemein verbreitete und allbekannte Art.

Es gibt in Deutschland kaum einen Bach, einen See, Teich, überhaupt ein Gewässer irgendwelcher Art, an dem nicht die Schwarzerle sich angesiedelt hätte. Und fehlt sie irgendwo noch, an einem neu gebauten Kanal, einem jungst erst abgedämmten oder frisch ansgegrabenen Teich, in zehn Jahren werden hohe Erlenbüsche die Ufer umsäumen. Denn der Baum verbreitet sich leicht durch seinen dünnen, leichten Samen, den der Wind weit hinwegträgt, oder der auch inmitten des ganzen Fruchtkätzchens von Vögeln verschleppt werden kann. So leicht findet der Samen ja allerdings nicht eine günstige Stelle, wie der der Birke oder der Eiche. Er keimt nur auf feuchtem Boden, und dieser ist an und für sich reicher mit Pflanzen bedeckt wie trockenes Land. Dafür aber bietet der feuchte und besonders der direkt nasse Boden einen andern großen Vorteil, der sich in neuerer Zeit immer mehr geltend macht. Die Stellen, an denen Erlen gedeihen, sind für den Menschen am wenigsten nutzbar. durch nichts wird die Verminderung in der Mannigfaltigkeit unferer Waldpflanzen mehr befördert, als durch den intensiveren Betrieb der Landwirtschaft und den Kahlschlag in den Forsten. Um die Plätze an Gewässern und sumpfigen Gebieten kümmert sich weder der Landwirt noch der Forstmann in erheblichem Maße. Und gerade dieser Umstand ist der Verbreitung der Erle so günstig. Zwar wird sie häufig genug gefällt, aber doch wird den Bäumen nicht systematisch zu Leibe gegangen. Hier und da wird einmal einer mit der Axt umgehauen, wenn gerade ein Stamm gebraucht wird und Zeit genug übrig ist, um die Arbeit des Fällens vorzunehmen. Aber durch das Umhauen entsteht nicht etwa eine Lücke in dem Erlenbestand. Denn der Baum hat die vorzügliche Eigenschaft, aus dem Stumpf wieder auszuschlagen. Schon im ersten Jahre wachsen die Triebe meterhoch empor, im zweiten Jahre ist bereits ein großer breiter Busch von mehreren Metern Höhe entstanden. Daß ein Stumpf mit feinen unverschmälerten Wurzeln mächtige Triebe in die Höhe schleudern kann, kommt allerdings auch bei träg wachsenden Bäumen, z. B. bei der Eiche vor. Aber die Erle ist auch sonst ein sehr rasch aufschießender Baum. Ist der Samen einmal gekeimt, und hat der Sämling das erste Jahr glücklich überstanden, dann hat er die schlimmste Zeit hinter sich. Die Wurzeln haben sich gut entwickelt und sind nun fähig, dem Stämmchen einen reichen Nährstoffvorrat zuzusenden, so daß dieses sich kräftig strecken und in wenigen Jahren zu einem respektablen kleinen Baum emporwachsen kann.

Die Erle hat in der Jugend einen sehr reichverzweigten buschförmigen Wuchs. Die Seitenzweige beginnen dicht über dem Wurzelhals, und sie erreichen fast dieselbe Länge wie der Mitteltrieb. Aber dieser steigt doch senkrecht in die Höhe und behauptet immer die Vorherrschaft vor den übrigen Trieben, obwohl auch diese einen sehr aufrechten Wuchs besitzen. So strebt der ganze Busch energisch aufwärts, der Stamm verdickt sich nach und nach, und die unteren Äste werden aus Mangel an Licht allmählich dürr und fallen ab. Wenn sich so der Stamm von seinen unteren Zweigen befreit hat, bildet er oben eine zwar immer noch etwas längliche, aber wohlproportionierte Krone. Die Erlen sind stets sehr gerade, steife, regelmäßig gebaute Bäume. Sie können, wenn man ihnen Zeit gönnt, sehr stark werden und eine Höhe von 25 Metern erreichen. Mit unseren stattlichsten Bäumen, den Eichen, Buchen, Fichten können sie sich freilich weder an Höhe, noch an Lebensdauer im entferntesten messen.

Die Erle hat immer ein düsteres Aussehen, mag sie belaubt oder kahl sein. Der Stamm und die Aste haben eine dunkle, im Winter meist ganz schwarze Farbe. Im Winter machen unsere meisten Bäume, wenn das Laub herabgefallen ist und die Äste mit all ihrer kleinen und kleinsten Verzweigung kahl in die Luft starren, einen trübseligen Eindruck. Aber so schwarz, so durch und durch finster ist doch kein anderer Baum. Auch im ersten Frühjahr, wenn sich die Blüten entfalten, wird die Erle nicht viel freundlicher. Ihre Blütenkätzchen haben eine rote Farbe, aber das ist kein feuriges, kein belebendes Rot, sondern ein grauer, matter, unscheinbarer Fleischton, der nicht den mindesten Reiz hat. Schon im Herbst haben sich die Kätzchen gebildet, im Winter bleiben sie geschlossen am Baum, ohne ihn zu verschönern, und im zeitigen Frühjahr, im März, April, erschließen sie sich, ohne dadurch an Reiz zu gewinnen. Die Erle trägt männliche und weibliche Kätzchen auf demselben Individuum. Die männlichen Kätzchen enthalten Blüten, die vier Staubgefäße und eine vierteilige Blumenkrone besitzen. Dagegen entbehren die weiblichen Blüten auch dieser unscheinbaren Blumenkrone, sie bestehen nur aus einem Fruchtknoten. Vielleicht sind also die Erlen im Begriff, aus windblütigen insektenblütige Pflanzen zu werden. Die Samen reifen erst im Winter, bis zu dieser Zeit verholzen die Schuppen des weiblichen Kätzchens gänzlich und es entsteht ein kleines kugeliges, einem Kiefernzapfen ähnelndes schwarzes Gebilde, das den düsteren Eindruck des Baumes im Winter nur noch verstärkt.

Ende April, wenn die Bäume ihr frisches junges Grün bekommen und die ganze Natur in sehnender Frühlingspracht erzittert, bekleidet sich auch die Erle mit einem neuen Grün. Aber es ist nicht das wunderbare jugendliche Maigrün, das die finsteren Erlenzweige verschönt. Aus den Knospen lösen sich zunächst weißliche Deckblätter ab, die etwas Kahles und Kaltes besitzen. Die wirklichen Blätter aber erhalten fast sofort jenes dunkle, schwarze Grün, das die Erle nun den ganzen Sommer über behält. Die Blätter sind ziemlich groß, sie sind kreisrund und haben keine Spitze, auch dadurch wird die Belaubung schwer, dicht und finster. Selten aber sind die Blätter so verstaubt und welk im Sommer, wie diejenigen anderer Bäume. Denn da die Erle in feuchtem Boden steht, so hat sie immer starkes, prall gefülltes, sauberes, wenn auch düsteres Laub. Dagegen leidet dieses in der warmen Jahreszeit ziemlich beträchtlich durch Insektenfraß. Oft findet man blaue Blattkäfer oder deren schwarze Larven auf den Blättern, die von diesen Tieren mitunter so stark zernagt werden, daß nur das Nervengerippe übrig bleibt. Auch zur Zeit des Herbstes verändert die Erle ihr Laub nicht im geringsten, gleich als wollte sie sich hüten, ihren finsteren Charakter durch ein freundlich-weiches Oktoberkleid zu mildern. Sie bleibt dunkelgrün bis zuletzt. Im November muß zwar ein Blatt nach dem anderen der Kraft des Windes weichen, aber es fällt grün herab, und das letzte das fällt, ist noch so unverändert wie das erste.

Der feuchte Boden, auf dem die Erle wächst, ist auch immer reich an Nährstoffen, deren die Pflanzen bedürfen. Sumpfiges Land ist ja jederzeit überreich An solchen Stoffen, nur können nicht alle Pflanzen auf sumpfigem Boden wachsen, weil dieser eine schädliche Säure, die sogenannte Humussäure enthält. Die Erle ist gegen diese Substanz nicht empfindlich, sie nimmt die Stoffe, die ihr dienen, auf, um jäh emporzuschießen, ohne sich durch die beirren zu lassen, die schädlich sind. Denn auch sehr extreme Nässe, langwährende Überschwemmung, schaden ihr ebensowenig oder noch weniger als den Weiden. Aber selbst auf sandigem, nährstoffarmem Boden gedeiht die Erle sehr gut, vorausgesetzt, daß er die nötige Feuchtigkeit enthält. Gleich manchen Schmetterlingsblütlern kann sich der Baum mit kleinen Pilzchen zu einer Lebensgemeinschaft verbinden. Die Bakterien setzen sich an seinen Wurzeln fest und vermögen den im Boden fehlenden Stickstoff der freien Luft zu entnehmen, um ihn dem Baum zuzuführen. Hitze wie Kälte können der Erle selten etwas anhaben, so ist sie denn in ganz Europa zu Hause und geht selbst über die Grenzen Rußlands weit nach Asien hinüber und bis an die Südküste des Mittelmeeres hinab. Sie hat also ein Verbreitungsgebiet, das an Größe demjenigen der Pappeln, Weiden und Birken nicht nachsteht. Die Erle ist neben den Weiden die charakteristischste Begleitpflanze der Gewässer. Sie gibt vielen Bächen und Sümpfen, die sie umrahmt, ein düsteres, verzaubertes Aussehen. Ein offener Teich macht einen freundlichen oder nüchternen Eindruck, aber ein mit Erlen umstandenes Gewässer wird sofort düster, ernst, wenn nicht unheimlich. Das Wasser erscheint in ihrem Schatten dunkler, tiefer, grauenhafter. Alte Kindervorstellungen von bösen Nixen und versunkenen Schlössern werden in uns wach vor diesen dunkellaubigen Bäumen, deren schwarze Stämme sich im Wasser spiegeln. Den vielfach verschlungenen Pfaden der Bäche folgen die Erlen aufs genaueste, so daß man häufig schon von fern den Lauf eines Baches feststellen kann, ohne diesen selbst zu sehen. Ihre Wurzeln umklammern das Erdreich des Ufers, so daß dieses längere Zeit der immer wechselnden Strömung und der bodenverändernden Tätigkeit des Wassers standhalten kann. Man kann es oft beobachten, wie das Wasser das Erdreich unter einer am Bache stehenden Erle weggespült hat und wie diese sich doch noch lange Jahre festhält und dadurch auch das Ufer ebensolange vor einer Zerstörung bewahrt. Besonders erfüllen die Erlen zu Zeiten der Frühjahrsüberschwemmung die dankbare Aufgabe, die Ränder des Baches vor einer Zerstörung zu schützen und dadurch auch eine Zerreißung und Verwüstung der angrenzenden Gebiete zu verhindern. Hierin liegt vielleicht überhaupt die größte Bedeutung der Erle für den Menschen. Denn im übrigen ist ihr Nutzen nicht sehr groß. Zum Verdienst kann man ihr im übrigen anrechnen, daß sie auf Bodenstellen wächst, die auf andere Weise nicht nutzbringend verwendet werden können. Ihr Holz, das eine sehr eigentümliche rötlichgelbe Färbung besitzt, ist noch weniger wertvoll als das der Weiden. Der Brennwert ist gering, und da es nur geringe Haltbarkeit besitzt, weich ist und leicht zerbricht, so hat es auch als Nutzholz keinen besonderen Wert. Es wird ja allerdings zu allerhand Kleinigkeiten benutzt, doch könnten diese auch von anderem Holze angefertigt werden. Dagegen bewährt sich das Erlenholz bei Wasserbauten und bei der Versteifung von Gruben und Schächten. Ist auch der Wert der Erle nicht sehr hoch anzuschlagen, so beansprucht sie doch keinerlei Pflege, und was sie gibt, ist im wahren Sinne des Wortes geschenkt, denn sie entzieht keiner andern wertvolleren Pflanze den Platz.

Die Erle genießt auch als Zierbaum kein ansehen, in Parkanlagen findet man sie selten, wie man ja in ihnen überhaupt wirkliche Natur nie findet. Sie ist gewiß kein dekorativer Baum, aber ihre Früchte nähren im Winter Manche Singvögel, Hänflinge, Meisen, besonders aber den Zeisig, und um diese Vögel anzulocken und durch sie einen Park beleben zu lassen, könnte der Baum häufiger angepflanzt werden. Aber auch so ist die Erle eine unentbehrliche Staffage für den deutschen Bach, dem sie von seiner Quelle bis zur Mündung in seinem Zickzacklaufe folgt. Dem munteren, leichten, vor Kraft übersprudelnden Gesellen gibt sie einen größeren Ernst und eine größere Tiefe. Am Bachrand gesellt sich zur Erle die Weide, dazu einige Sträucher, vor allem Faulbaum, Kreuzdorn und Haselnuß, denen auf dem erhöhten Rande oft noch eine Eiche Gefellschaft leistet. Aber die Erle ist doch der vorherrschende Begleiter des Baches, oft ist sie auf weite Strecken hin der einzige. Fast überall, wo die Erle am Bachrand wächst, ist sie vom Hopfen, der stärksten der deutschen Schlingpflanzen, umwuchert. Mit seinen Stengeln umwickelt der Hopfen den Stamm und die Zweige und bedeckt sie mit seinen großen, dichten, gelappten Blättern. Mehrere solcher Schlingpflanzen bilden zusammen mit Stämmen oder großen Büschen von Erlen dichte Geflechte, ja ganze wunderschöne Laubhallen, die einen Teil des Baches von dem andern abgrenzen und nur hier und da weitere Durchsichten auf eine neue Szenerie der Bachlandschaft offen lassen. Die Erle bildet auf weitem, nassem Terrain auch geschlossene Wälder, sogenannte Erlenbrüche, die sich durch einen schwarzen humusreichen Boden auszeichnen. Solche Wälder sind äußerst imposant, die dunklen Bäume, der schwarze Boden, in dem man jeden Angenblick versinken kann, diese große Gleichmäßigkeit der düsteren Landschaft macht einen unheimlichen und erhabenen Eindruck zugleich. Der berühmteste der Erlenwälder in Deutschland ist der Spreewald, eine der eigentümlichsten und in ihrer Naturursprünglichkeit ziemlich einzig dastehende Landschaft. Hier bedeckt die Erle in mächtigen Exemplaren meilenweite schwarze Niederungen, zwischen denen die Spree in unzähligen Armen hindurchfließt. Diese Arme sind meist so schmal, daß die Laubkronen der Bäume von beiden Ufern her sich berühren und dann stundenlang dichte Laubhallen bilden, unter denen die Boote der Bewohner langsam auf dem stillen Wasser dahingleiten. Hier erreicht die ernste, düstere, schmucklose Erle den Höhepunkt ihrer ästhetischen Wirkung. Aber wäre der Baum selbst abstoßend häßlich, giftig oder sonstwie widerwärtig, wir müßten ihm doch einen Hauptplatz in den Naturbildern unserer Heimat einräumen. Er ist eine landschaftsformende Pflanze, ebenso wie die Fichte der Gebirgswälder, die Gräser der Wiesen, oder die Getreidearten der Felder. Zum Glück ist nun die Erle keine schädliche Pflanze, sie ist zwar ein bescheidener Baum, aber als Begleiter des munter plätschernden Baches kann sie etwas von der Sympathie beanspruchen, die wir diesem entgegenbringen.

Charakterbild der EspeCharakterbild der Espe

Die Espe.

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uch im Winter ist das Leben in den Bäumen nicht vollständig erstarrt. Schon im Januar und noch mehr im Februar sehen wir die Knospen sich leise verdicken. Bei keinem andern unsrer Bäume ist zu dieser Zeit das Knospenwachstum so weit vorgeschritten wie bei der Espe. Ist das Februarwetter mild, so brechen aus den dicken, großen braunen Bohnen gleichenden Knospen bereits die grauen Kätzchen wohl einen Zentimeter weit hervor. Die Espe ist daher recht eigentlich der Baum des Vorfrühlings, der noch kahlen, wasserreichen, stürmischen Zeit des Februar-März, in der der Winter im Sterben liegt und der Frühling noch nicht gekommen ist. Das ist die Glanzzeit der Espe. Ein paar wärmere Tage genügen, um lange vor der Blüte der Sahlweide die grauen Kätzchen ganz aus dem braunen Gehäuse hervordringen und ihre eigenartige Pracht entfalten zu lassen.

Die Espe ist ein Sproß der großen Weidenfamilie, und sie stammt speziell aus dem Geschlechte der Pappeln. Sie ist eine Pappel, Zitterpappel wird sie auch genannt wegen der unruhigen, zitternden Bewegung, in die ihre Blätter beim leisesten Windzug geraten. Ihre Zugehörigkeit zur Weidenfamilie erweist sie in der Bildung der bekannten wolligen Kätzchen und in der Verteilung der Geschlechter auf besondere männliche und weibliche Individuen. Von unseren anderen einheimischen Pappeln unterscheidet sie sich auf den ersten Blick. Ihr Stamm besitzt eine trüb-weiße Rinde, wie sie keiner anderen einheimischen Gehölzpflanze eigen ist. Das ist nicht das blendende Weiß der Birke und nicht das metallische, man möchte fast sagen glänzende Silbergrau der beiden Buchenarten, es ist ein stumpfes, mattes Gelblich-oder Grauweiß, das zwar nicht besonders schön genannt werden kann, aber doch ein auffälliges Merkmal des Baumes bildet.

Während unsere anderen Pappeln den Aufenthalt in der Nähe menschlicher Wohnungen oder an Weg-, Feld- und Bachrändern bevorzugen, ist die Espe ein echter Waldbaum. Sie liebt feuchte Schluchten, oder sie wird vielmehr in diese gedrängt, da an solchen Standorten die edleren Baumarten, besonders Eichen und Buchen, sich nicht mehr wohl fühlen und hier auch die Erle, für die direkt nasser Boden der beste Aufenthaltsort ist, nicht als Nebenbuhlerin auftritt. Aber wählerisch, wie etwa die Rotbuche, ist die Espe überhaupt nicht. Man begegnet ihr überall, in feuchten wie in trockenen Wäldern, in schweren wie in leichten Bodenarten. Ihre Wurzeln, die ziemlich flach unter der Erde dahinlaufen, dabei aber sich zehn Meter und mehr nach allen Seiten des Stammes entfernen, finden sich sowohl in einem wasserreicheren Terrain zurecht, da sie nicht so leicht bis in das schädliche Grundwasser eindringen, aber sie kommen auch mit einem dürftigen, trockenen Boden noch aus, da sie das Erdreich auf weite Strecken hin durchlaufen und so alle Nahrungsstoffe aufnehmen können, die in weitem Umkreise des Stammes von außen her, durch verwesende Blätter, tierische Abfälle usw. dem Boden einverleibt werden. Die Espe ist jedoch nicht nur Waldbaum, man trifft sie auch in lichten Gebüschen, an Feldwegen, an Ufern häufig genug.

Auch gegen das Klima ist die Espe ziemlich unempfindlich. Ein Baum, der seine Blüten, diese zartesten Organe der Pflanzen, schon im März entfaltet, der ist gewiß geeignet, ein großes Vaterland zu besitzen. Und wirklich ist die Espe über ein weites Erdgebiet verbreitet. Sie fehlt in keinem Lande Europas, höchstens daß sie in Griechenland recht selten ist. Aber sie dringt auch bis Nordafrika vor. Für mehrere andere Bäume geht die Ostgrenze ihres Verbreitungsgebiets mitten durch Rußland, da hier ein Klima beginnt, das in der Richtung nach Asien immer lufttrockener, immer kontinentaler wird. Für die Espe gibt es eine solche Grenze nicht. Sie ist im ganzen mittleren und auch im vorderen Asien heimisch, ihre Heimat zieht sich bis China und Japan hin. Die Espe scheut sich auch vor größerer Kälte nicht, sie steigt hoch auf die Berge hinauf, und sie dringt in Finnland bis zum 69. Breitengrade, also fast bis an die Baumgrenze vor. Sie steht darin nur den Birken und Weiden nach und ist viel robuster als Buche, Eiche, Esche und Ahorn.

Wenn die Espe zu Beginn des März ihre grauen Kätzchen ganz hervorgestreckt hat, dann ist sie ein Baum von ganz eigenartigem Aussehen. Ihre etwas knorrigen, an den Knoten aufgetriebenen Zweige sind dann dick mit diesen großen Blütenständen übersponnen, deren filzig zottige Schuppen und roten Staubgefäße zusammen das Bild dicker, wolliger, purpurner Chenille hervorrufen. So mit langen, dicken, roten Wollraupen überschüttet, macht der Baum einen sehr phantastischen Eindruck, zumal in dieser Zeit des allerersten Frühlings, wo noch alle anderen Laubbäume ganz kahl erscheinen und wo selbst die frühesten Kinder des Lenzes, die Gänseblumen, sich noch nicht regen. Da bei der Espe männliche und weibliche Blüten auf verschiedene Bäume verteilt sind und die Individuen entgegengesetzten Geschlechts oft ziemlich weit voneinander entfernt sind, so ist von vornherein anzunehmen, daß für die Befruchtung in besonderer Weise gesorgt sein muß. Zu diesem Zwecke sicher ist die Blütezeit der Espe in so frühe Zeit gefallen, in der windige Tage häufig sind und in der der Wind, noch nicht durch das Laub der Waldbäume aufgehalten, den Blütenstaub über weite Strecken hin verstreuen kann. Denn die Espe hat sich der Befruchtung durch die Beihülfe des Windes angepaßt. Darauf deutet auch die verschwenderische Fülle von Blüten, von denen ein einziges Kätzchen eine sehrstattliche Anzahl besitzt. Mag schon eine Menge Blütenstaub verlorengehen, er ist trotzdem in solcher Überzahl vorhanden, daß es auf Millionen Verluste nicht ankommt. Wenn die Espe ihre Kätzchenblüten entfaltet, dann ist auch sie noch blätterleer, die Entwicklung des Laubes nimmt nicht den Blüten Kraft weg, und die Blätter stellen sich auch dem Winde, der den Blütenstaub hinwegträgt oder herbeiführt, nicht als Hindernis entgegen. Die Blütezeit der Espe ist ziemlich lang, sie erstreckt sich auf den März und den April. So ist die Liebesperiode der Espe lang genug,es ist in jede rBeziehung dafür gesorgt, daß neue Abkömmlinge aus der alten Espenart entspringen.

Es hängt wohl mit dieser langen Blütezeit zusammen, daß die Espe ebenso wie die übrigen Pappeln ihre Blätter erst ziemlich spät hervorschickt. Wenn Birken und Weiden schon längst ihr duftig grünes Laub im Mai entfaltet haben, wenn die Apfelbäume blühen und auch Eiche und Wallnußbaum allmählich ihr grünes Kleid anziehen, dann ist die Espe ganz kahl, sie ist viel kahler als vorher. Denn nun sind die Chenillekätzchen unscheinbar geworden, die männlichen Bäume haben sie gar abgeworfen, so daß die wolligen Räupchen jetzt rings um den Stamm den Erdboden bedecken. Erst gegen Mitte Mai, kurz vor der Akazie und der Schwarzpappel schmückt sich die Espe mit neuem Laub. Es ist ein ganz bestimmtes Bräunlichgelb, ein scharfer bronzefarbener Ton, der die jungen, leicht wolligen Blätter der Espe (wie allerdings auch der nächst verwandten Pappeln) kennzeichnet. Schon von weitem unterscheiden sich diese Bäume im Frühjahr von allen anderen durch dieses bräunliche Kolorit, das einige Wochen anhält, um dann bei der Espe in ein ziemlich helles, eine leichte Reseda-Nuance enthaltendes Grün überzugehen. Die Espenblätter sind nahezu kreisrund, und ihr Rand ist buchtig ausgeschnitten. Sie sitzen an auffällig langen, sehr dünnen und dabei ganz plattgedrückten Stielen. Daher kommt es auch, daß sie in unaufhörlicher raschelnder, gleichsam zitternder Bewegung sind. Man hat in diesem Zittern eine besondere Anpassungsform erblickt und die Erscheinung auf verschiedene Weise gedeutet. So sollte sie ein Mittel darstellen, die Blätter vor dem Ankriechen und dem Fraß der Insekten zu schützen. Neuerdings will man in dem Zittern eine Einrichtung zum schnellen Verdunsten der überreichen Wassermengen erkennen, die den Blättern des Baumes angeblich aus dem feuchten Standorte zuströmen. Wie nasse Wäsche vom Winde bewegt, ihr Wasser leicht abgibt, so soll dies auch bei den Blättern der Espe der Fall sein. Alle diese Vermutungen sind möglich, aber es sind eben nur Vermutungen. Sicher ist, daß dieses Rascheln der Espen dem Walde einen stimmungsvollen Reiz gibt. Wer den Wald kennt, der weiß, wie verschiedenartige melancholische oder feierlische Töne in ihm erklingen. Wer ein Ohr dafür hat, wie in alten Eichenhainen ein verhallendes Brausen die Wipfel durchströmt, wie im Kiefernwalde ein scharfes, fast klirrendes Pfeifen durch die Nadeln geht, wie zur Winterszeit in Akazienhainen die braunen Samenschoten surrend aneinanderschlagen, für den ist auch das Zittern des Espenlaubes eine alte liebe Melodie.

Im Sommer ist die Belaubung der Espe nicht besonders schön, weil die Krone dieses Baumes sich immer sehr licht hält und darum die starken Aste und die wulstigen Zweige immer zu sehr hervortreten. auch sind die Blätter verhältnismäßig klein, ohne doch die duftige Zartheit des Birkenlaubes zu besitzen. Im Oktober dagegen verwandelt sich das schlichte Grün in ein auffallendes Bräunlichgelb, das nach und nach bis zur Schwefelfarbe übergehen kann. Oft sieht man auch schöne weinrote Farben, wie sie unter unseren einheimischen Bäumen nur die Apfelgewächse, vor allem die Kirschbäume und die Ebereschen aufweisen. Die herbstliche Farbenpracht der Espe hält jedoch meist nicht lange an. Die Blätter fallen ziemlich früh vom Baum, und es ist wohl die unaufhörliche Bewegung, die den raschen Abfall des welken Laubes begünstigt. Liegen aber die Blätter einmal am Boden, dann werden sie rasch schwarz. Sie bilden nicht den schönen gelben oder rostbraunen Teppich, der im Herbst den Ahornalleen, den Birken- und Buchenwäldern einen weichen, zarten Reiz verleiht. Die Blätter der Espe werden im Nu schwarz wie die Nacht, und hingebreitet wie ein düsteres Bahrtuch unter den kahlen Stamm, versinnbildlichen sie den Tod, der jäh und mit allen Schrecken kommt, ohne Erbarmen und ohne Versöhnung.

Wenn die Blätter von den Zweigen abgefallen sind, dann tritt uns der Baum gewissermaßen in seinem Gerippe, in seinen Grundlinien vor Augen. Da sehen wir denn, daß die Espe ein außerordentlich breit gebauter Baum ist. Zwar ihr Stamm ist selten dick, und ihre Höhe ist nicht beträchlich, obwohl man zuweilen, besonders in tiefen Gründen, sehr hochstrebende Individuen bemerkt. Aber die Espe ist in ihrer Krone immer sehr breit, ohne doch die schöne runde Form einer Linde oder einer Kastanie zu besitzen. Die Espe streckt ihre Äste weit nach den Seiten aus, und diese Äste sind, ganz im Gegensatz zur Eiche, meist lang und wenig verzweigt, und sie halten einen weiten Zwischenraum untereinander inne. So bekommt die Espe eine etwas steife, wegweiserähnliche Gestalt, ihre Äste greifen wie lange, robuste Arme in die Luft, ohne die schöne feinzweigige Gliederung der meisten andern Bäume oder die malerische Knorrigkeit der Eichen und Ulmen zu erlangen. Die Espe ist ganz und gar ein wilder Baum, um den sich selten jemand bekümmert. Sie wird wohl nirgends von Menschenhand systematisch gepflegt, höchstens daß sie einmal an Wegen angepflanzt wird, wenn gerade kein anderes Baummaterial zur Stelle ist. Der Brennwert ihres Holzes ist gering, und als Bauholz wird sie auch kaum je verwandt. Doch lassen sich aus ihrem Stamm dauerhafte, wenn auch nicht gerade fehr schöne Bretter schneiden. Am meisten wird das weiche, poröse Holz zu solchen Geräten verwandt, zu deren Anfertigung Höhlungen ausgeschnitten werden müssen, also zu Schaufeln, Mulden, Trögen, Holzschuhen, Löffeln. Espenholz wird auch zur Papierfabrikation benutzt. und die aus dem Holz hergestellte Kohle dient auch zu einem der am meisten mißbrauchten Produkte der Welt, zum Schießpulver.

Im ganzen verdient jedenfalls die Espe den bescheidenen Platz, den sie in unseren Wäldern einnimmt. Da sie vom Menschen zwar öfters gefällt, aber nur ganz ausnahmsweise angepflanzt wird, so muß sie einen besonderen Trick haben, um ihre Art nicht verschwinden zu lassen. Sie wächst einmal außerordentlich rasch, und dann vermehrt sie sich sehr stark. Aber diese Vermehrung beruht weniger auf der Verbreitung ihrer Samen. Trotz der Reichhaltigkeit der geschlechtlichen Apparate findet man doch nur wenig Sämlinge der Espe, wohl darum, weil der Mensch ihnen den günstigsten Boden zur Entwickelung entzogen hat. Aber die Espe vermehrt sich überaus reich aus Schößlingen, die aus den Wurzeln hervortreiben. Es wurde bereits gesagt, daß diese Wurzeln sehr weit vom Stamm hinweglaufen. An den verschiedensten Stellen dieser Wurzelstränge brechen nun junge Bäumchen hervor, die, weil von der Mutterpflanze genährt, außerordentlich schnell in die Höhe schießen. So entsteht denn rings um jede Espe sehr bald ein ganzer Hain von neuen Espen, und wird gar ein Baum gefällt, so treibt die junge Wurzelbrut erst recht an allen Stellen des Bodens hervor. Solch lebensfreudige Eigenschaften muß ein Baum haben, wenn er dem Raubtier Mensch nicht verfallen soll. Die verhältnismäßig geringwertige Espe wird ob dieser Eigenschaft weiter leben, obwohl ihr eine Behandlung zuteil wird, bei der die Buche, die Linde, die Eiche und mancher andere Baum unserer Wälder in Kürze aussterben würde.

Bergulme im DorfeBergulme im Dorfe

Die Ulme

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n unseren Laubwäldern findet sich häufig ein Baum, an dem man leicht achtlos vorübergeht, weil er so ganz und gar nichts Auffälliges hat. Die Blätter sind ziemlich >klein, ihre Gestalt ist unansehnlich, die Farbe, die Form des Stammes, der Zweige, das alles ist bescheiden, ohne besondere hervorstechende Merkmale, die sich dem Gedächtnis leicht einprägen. Dieser Baum ist die Ulme. Jeder kennt ihren Namen, aber ihre Gestalt, ihre Eigenschaften sind nicht im entferntesten so bekannt, wie die der Eichen, Birken, Fichten. Und doch gibt es Ulmen, die an malerischer Schönheit mit vielen anderen Bäumen sich messen können. Das sind freilich nur einzelne Exemplare, im ganzen und besonders inmitten des Waldes ist sie einer unserer bescheidensten Bäume, schmucklos wie die Erle, aber sie entbehrt selbst der finsteren Unheimlichkeit. die an jener haftet und ihr wenigstens einen ausgeprägten Charakter gibt.

Die Ulme, die imVolksmunde meist Rüster heißt, kommt in Deutschland in drei verschiedenen Arten vor. Diese ähneln einander ziemlich stark. Die Flatterulme hat hängende Blüten an langen Stielen. Die Feldulme, welche die verbreitere ist, unterscheidet sich von der Bergulme duch kurz zugespitzte, am Grunde ungleiche Hälften bildende Blätter, während die letztere lang zugespitzte und an der Basis ohrenförmig herabhängende Blätter besitzt. Es sind also nur geringfügige Unterschiede, welche diese drei Arten von einander trennen. Wir halten uns im folgenden an die gemeine oder Feldulme.

Trotz ihres Namens ist die Feldulme in den Wäldern sehr verbreitet. Aber sie ist doch bei weitem nicht so häufig wie die Eiche oder die Birke. Sie liebt einen frischen Boden, der fruchtbar ist. Sie ist also darin ziemlich auspruchsvoll. Das ist wohl der Hauptgrund, warum sie in unseren Wäldern nicht zu häufig vertreten ist. Denn im übrigen besitzt sie mehrere Eigenschaften, die für ihre Verbreitung sehr günstig sind. Sie produziert eine Unmenge von Samen, und diese Samen sind leicht und mit einem breiten, häutigen Saum, einem sogenannten Flügel versehen, so daß der Wind sie weithin verstreuen kann. Sie wächst auch sehr schnell. Schon in demselben Jahre, in dem der Samen reift, wächst aus ihm ein Pflänzchen heran, das bis zum Herbst mitunter schon eine Höhe von 20 Zentimetern erreicht. In jedem Jahre macht es, besonders auf gutem, feuchtem Boden, sehr lange Triebe, so daß es sehr bald zu einem Baum emporgewachsen ist. Am meisten von allem aber kommt der Feldulme die Eigenschaft zustatten, daß sie sich durch Wurzelausläufer gleich der Espe vermehren kann. Nach allen Richtungen vom Stamm, oft weite Strecken von ihm entfernt, springen kräftige Wurzeltriebe aus der Erde hervor. Mitten im Walde ist diese Eigenschaft der Ulme noch nicht so bedeutungsvoll, als am Waldrande, in kleinen Gebüschen und auf freiem Felde. Denn durch diese Art der Vermehrung entgeht sie am leichtesten den Nachstellungen der Menschen. Wird ein anderer Baum auf einem Terrain, das der Mensch bereits fest in Besitz genommen hat, umgehauen, so kommt an seiner Stelle kein neuer auf. Denn mit den Sämlingen macht der Pflug, der Spaten, die Sense des Menschen kurzen Prozeß. Dagegen wird ein Wurzelschößling durch diese Werkzeuge nicht vernichtet, er schlägt, nachdem inzwischen die tiefliegende Wurzel erstarkt ist, im nächsten Jahre um so kräftiger hervor. Um die Werkzeuge nicht stumpf zu machen, geht der Mensch um diesen Schößling herum, nimmt sich zwar vor, ihm das nächste Mal mit einem Messer oder einer Axt den Garaus zu machen, allein bei der Vornahme bleibt es sehr oft, und so wird aus dem Schößling nach und nach ein Baum. Das ist die Jugendgeschichte unzähliger Ulmen, die in Gärten, zwischen den Feldern, in kleinen Gebüschen und an Waldrändern stehen. Der Same aber, den diese Bäume hervorbringen, gelangt gelegentlich auch in den Wald selbst, und so befördert diese Vermehrungsweise der Ulme ihre Verbreitung auch mitten im Walde.

Einen eigenartigen Eindruck macht die Ulme im März, wenn aus den kahlen, dunklen Zweigen die Blütenbüschel hervorgetreten sind. Dann ist über den ganzen Baum ein zarter, hellbrauner Schimmer gebreitet, der teils noch an das Welke der kühlen Jahreszeit und doch schon an die ersten, zarten Farbentöne des erwachenden Frühjahrs erinnert. Die Blüten bestehen aus weißen, meist fünfspaltigen Hüllen, ans denen rötliche Staubfäden hervorgucken. Diese Farbenmischung bringt dann zusammen mit den bräunlichen Knospen und den Ästen jenes schlichte, aber ungemein zarte Hellbraun hervor, daß zur Charakterisierung der Vorfrühlingslandschaft ebenso gehört wie das Rotbraun der Espenkätzchen oder die weißen Seidenflocken der Weiden.

Da die Ulme gutentwickelte Blüten mit Staubfäden, Fruchtknoten und farbiger Blumenhülle besitzt, so hat für sie die frühe Blütezeit nicht die Bedeutung wie für Erle, Hasel, Espe und andere Gehölzpflanzen. Die Blütenbefruchtung wird bei ihr schon durch die Insekten besorgt, und diese würden die hellfarbigen Blütenbüschel auch finden, wenn der Baum schon belaubt wäre. Immerhin ist dieses frühe Blühen gewiß kein Nachteil für eine Pflanze; für die Ulme wird es noch insofern wertvoll, als sie dadurch ihre Früchte sehr bald zur Reife bringen und noch in demselben Jahre eine Nachkommenschaft aufwachsen lassen kann. Ende April etwa kommen die Blätter in langen, weißlich grünen Rollen aus den runden Knospen hervor. Die Triebe verlängern sich mehr und mehr, und schließlich falten sich aus ihnen kleine maigrüne Blätter ab, die nun von Tag zu Tag größer werden. Sehr groß werden die Blätter freilich überhaupt nicht, nur die Bergulme bringt es zu etwas ansehnlicherem Laub. Die Blätter sind etwa eiförmig, ihr Rand ist doppelt gesägt, die Spitze ist kurz und die Basis vollständig unsymmetrisch. An der einen Seite des Stiels reicht die Blattspreite viel tiefer hinab als an der anderen Seite. Das Maigrün wirkt bei der Ulme meist nicht ganz rein, da zu derselben Zeit der Baum mit hellbraunen, welk aussehenden Früchten beladen ist, die zu der Blattfarbe wenig passen. Bereits Ende Mai sind die Früchte reif und sie fallen in dieser Zeit in Menge von den Bäumen, so daß der ganze Boden oft mit diesen dünnen, hellbraunen häutigen Scheiben dicht bedeckt ist.

Wenn die duftigen Farbtöne des Mai den härteren sommerlichen Farben Platz gemacht haben, dann bekommen die Blätter der Ulme ein mattes Grün, das weder das Freundliche der Birken und Buchen, noch das Düstere der Eichen und Erlen besitzt. Auch hierin wählt der Baum den bescheidenen Mittelweg. Doch spendet die Ulme sehr viel Schatten. Ihr Laub ist nicht nur dicht, sondern es ist auch so gestellt, daß es alle Lichtstrahlen sehr gut auffängt. Die Ulme besitzt nämlich ein ganz eigenartiges Wachstum, wie es kein anderer deutscher Baum und von den Sträuchern nur die Hasel aufweist. Die Verzweigung geht hier nicht steil oder wenigstens schräg in die Höhe, sondern breitet sich fast horizontal aus. An den wagerechten Zweigen sind auch die Blätter in zwei Reihen horizontal gestellt. Dadurch wirkt ein solcher Blattzweig wie ein breiter Schirm, und ein ganzer Ast mit solchen Zweigen spendet einen tiefen Schatten.

Im Herbst färbt sich das Laub der Ulme gelb. Es ist ein helles Gelb, das zwar dazu beiträgt, die Oktoberstimmung in der Landschaft hervorzurufen, das aber nicht entfernt so nuancenreich oder so prächtig ist wie das der Birken oder des Ahorns. Rote oder braune Töne fehlen dem Herbstlaub der Ulme gänzlich. Die Verfärbung tritt häufig sehr bald ein, meist lange vor der der Buchen und Eichen, und auch der Blattfall vollzieht sich sehr rasch. In unbelaubtem Zustände erscheint die Ulme ziemlich dunkel. Der Stamm ist schwärzlich und zeigt einzelne Risse in seiner Rinde. Auch die Äste und Zweige sind dunkel, nur die glatten rundlichen und ziemlich spitzen Knospen sind von schöner, brauner Färbung, doch sind sie zu klein, als daß sie dem Baum ein besonderes Kolorit verleihen könnten.

Infolge der eigentümlichen horizontalen Verzweigung wächst die Ulme von Anfang an sehr buschförmig. Später bekommt irgendein Zweig die Oberhand und wird zum definitiven Stamm. Infolgedessen neigt die Ulme dazu, besonders am Waldrande und bei ganz freiem Stande, schräg aufzuwachsen. Dazu ist ihr Stamm meist mit auswüchsen und Astwülsten bedeckt. Alte Bäume erhalten dadurch eine sehr unregelmäßige, malerische Gestalt. Da die Ulme gern in frischem Boden wächst, so sieht man bisweilen alte Bäume, die an Teichen stehen und mit ihrem Stamm sich schräg über das Ufer neigen, während ihre altehrwürdige Laubkrone den Spiegel des Gewässers verdunkelt.

Alte Ulmen gleichen in ihrer unregelmäßigen derben Gestalt einigermaßen den Eichen. Sie sind viel schlichter noch als diese, aber sie haben etwas ebenso Solides. auch sie werden viele Jahrhunderte alt und man kennt jetzt noch Bäume, die aus dem Mittelalter stammen. Die Ulme ist viel weniger frostempfindlich wie die Eiche. Sie ist überhaupt viel weiter verbreitet als diese. Sie kommt in ganz Europa, im Süden wie im Norden vor und auch im nördlichen Asien ist sie zu Hause.

Die Ulme ist ein sehr geschätzter Baum. Ihr Holz ist ebenso hart und zähe und widerstandsfähig wie das der Eiche. Eben deshalb wird es selten zum Heizen, meist als Nutzholz verwendet. Zu Wasserbauten, als Maschinen- und Werkholz ist es sehr gesucht. Da es eine feine Maserung besitzt, so dient es selbst zum Fournieren von Möbeln. Im Altertum wurde die Ulme als Weinspalier benutzt. Man ließ die edle Rebe an dem Baume emporklettern, und noch jetzt pflanzt man in Oberitalien Ulmen zu diesem Zwecke in die Weingärten. Der Baum verträgt auch das Köpfen gleich den Weiden. Er gewährt also dem Forstmann oder dem Landwirt sehr bald eine Rente. Wegen ihrer schattigen Krone eignet sich die Ulme sehr gut als Alleebaum, sie wird aus demselben Grunde auch sehr häufig in Parkanlagen angepflanzt. Im nördlichen Deutschland sieht man sie oft inmitten von Ortschaften, sie spielt hier etwa dieselbe Rolle wie sonst die Linde.

Die Ulme kann ein sehr hoher Baum werden. Bis zu dreißig Meter Höhe kann sie emporwachsen. In Hecken wird sie mitunter bei öfterem Beschneiden als Strauch gezogen. Noch mehr zum Heckenstrauch eignet sich indes eine Abart der Feldulme, die Korkulme. Diese besitzt an ihren Zweigen dicke Korkleisten, welche der Pflanze ein höchst eigentümliches Aussehen verleihen. Sie wird in der Regel nicht hoch, sondern bleibt buschartig, und da sie das Schneiden gut verträgt, so kann sie neben Hainbuche, Weißdorn und Kreuzdorn sehr gut zur Bildung von lebenden Zäunen verwendet werden. Störend hierbei ist allerdings die Eigenschaft, Ausläufer zu bilden, da diese es leicht mit sich bringt, daß das eingehegte Land in Gebüsch verwandelt wird. Dieselbe Eigenschaft ist es freilich auch, die, wie wir gesehen haben, der Feldulme für ihre Existenz so wichtig ist. Diese Vermehrungsart garantiert dafür, daß die Ulme nicht gänzlich unterdrückt und ausgerottet wird. Überall, wo ein solcher Baum gefällt wird und wo man seine Anwesenheit nicht wünscht oder wenigstens für Nachpflanzung nicht sorgt, versucht die zahlreich aus dem Boden hervordringende Wurzelbrut, den Verlust zu ergänzen. Die Feldulmen sind gewiß nicht sehr häufig, aber es ist noch keine Gefahr vorhanden, daß sie aussterben.

Waldahorn in der AlbWaldahorn in der Alb

Der Ahorn.

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itten im Walde unter den vertrauten Formen der Eichen, Buchen, Birken treffen wir hin und wieder einen Baum mit ungewöhnlich großen gelappten Blättern an, deren breite Üppigkeit nicht zu der nordischen Sparsamkeit unseres Waldes zu passen scheint. Es ist der Ahorn. Und wirklich ist diese Baumgattung mehr im Süden zu Hause, sie erreicht bei uns die Nordgrenze ihrer Verbreitung. In unseren Wäldern bildet sie aber gerade darum eine auffällige, imposante Zierde.

Der Ahorn gehört in unseren Wäldern nicht zu den sehr häufigen Erscheinungen. Desto öfter begegnen wir ihm neuerdings als Alleebaum an Chausseen und in den Straßen der Städte, und von hier kennen ihn wohl viele, die ihn im Walde nie gesehen haben. So feiert mancher Baum, der heute fast dem Untergang in der freien Natur geweiht ist, seine Auferstehung an den Wegrändern und in den Straßen der Stadt, soweit ihm hier nicht ein ausländischer Nebenbuhler den Rang abläuft. Wir haben in Deutschland, wenigstens in seinem mittleren Teile, drei verschiedene Ahornarten, und am warmen Rhein und an der Mosel kommt noch eine vierte Art, der französische Ahorn, hinzu. Der Feldahorn tritt bei uns meistens als Strauch auf und ist hier in Gebüschen und häufig auch in den Hecken der Bauerngärten zu finden. Der zweite, der stumpfblättrige Ahorn, findet sich ebenso zerstreut in den Wäldern gleich unserer dritten Art, dem Spitzahorn. Sie haben alle drei etwa dieselben Eigenschaften und Gewohnheiten, und wenn wir im folgenden vom Spitzahorn sprechen, so gilt das meiste auch für die übrigen Arten. Von allen diesen unterscheidet sich der Spitzahorn am aufälligsten durch die Form seiner Blätter, deren einzelne Lappen in sehr feine lange Spitzen auslaufen, während bei den anderen Arten die Lappen abgestumpft sind.

Der Spitzahorn ist besonders im südlichen und mittleren Europa verbreitet. Bei uns aber ist er schon nicht übermäßig häufig, und in Nordwestdeutschland fehlt er merkwürdigerweise gänzlich. Nach dem Norden zu wird er immer seltener, aber hier und da tritt er selbst in Finnland auf, wenn er auch hier bei weitem nicht so hoch hinaufgeht wie die Birke und Kiefer. Über den 62. Breitengrad hinüber tritt kein Baum, und auch im Gebirge bleibt der Spitzahorn schon mitten in der Laubholzzone stehen, im Harz steigt er gar nur bis zu 450 Meter aufwärts. Der Baum liebt also ein ziemlich warmes Klima,mehr als unsere anderen Baumgattungen, selbst die Eiche und Buche nicht ausgenommen. Aber es wäre falsch, dem Baume eine besondere Frostempfindlichkeit zuzuschreiben. Er ist mindestens ebenso winterhart wie die Eiche und gegen Spätfröste nicht einmal so empfindlich wie sie. Die Verbreitung der Pflanzen hängt mitunter von einer ganz unbedeutenden, nebensächlichen Eigenschaft ab. So auch hier. Die Samen des Ahorns keimen außerordentlich früh, bisweilen, wenn das Frühjähr warm ist, schon Anfang April. Stellt sich dann ein strenger Nachtfrost ein, so gehen natürlich die zarten Sämlinge zugrunde, genau so, wie die meisten unserer Baumarten zugrunde gehen würden, wenn sie zu dieser frühen Zeit schon vorhanden wären. So setzt dieses frühe Keimen der Samen der Verbreitung des Ahorns bestimmte Grenzen, und wir finden denn auch, daß er bis zum kalten Ural vordringt, im maritimen Nordwestdeutschland aber fehlt. Im östlichen Rußland tritt der Frühling sehr spät ein, aber wenn er einmal kommt, dann gibt es auch keinen Rückfall in winterliches Wetter mehr. In Nordwestdeutschland dagegen begünstigt das milde, feuchte Wetter noch mehr die Frühzeitigkeit des Keimens. Nachtfröste aber treten im März und April trotz alledem regelmäßig ein, und ein einziger würde genügen, die jungen Ahornpflanzen zu vernichten. So findet denn der an und für sich nicht weichliche Baum sein bestes Gedeihen in mehr südlichen Ländern. Schon bei uns tritt die Individuenzahl des Ahorns bedeutend zurück gegenüber derjenigen unserer anderen Waldbäume.

Im übrigen besitzt der Spitzahorn mancherlei Eigenschaften, die seiner Verbreitung günstig sind. Er ist alljährlich reich mit Früchten behängt, wenn diese auch sehr groß sind und der Ertrag daher noch nicht so bedeutend ist wie bei Birken und Erlen. Aber seine Samen keimen sehr leicht und sehr schnell. Das ist zwar, wie wir gesehen haben, der Verbreitung des Ahorns in nördlichen Gegenden hinderlich, in wärmeren dagegen ist es ohne Zweifel ein Vorteil. Bei den Ulmen, Erlen, den meisten Nadelbäumen verdirbt der Samen sehr leicht oder ist überhaupt von Anfang an nicht genügend ausgebildet, um keimen zu können. Beim Ahorn dagegen ist die Keimfähigkeit sehr stark. An den Rändern von Alleen, die mit AhornBäumen bepflanzt sind, kann man im Frühjahr häufig ungezählte Tausende von Sämlingen bemerken, in einer Lindenallee wird man meistens vergebens nach jungen Lindenpflanzen suchen. Der Ahornsamen keimt eben leicht, selbst auf ungünstigem Boden. Und der Baum ist an und für sich nicht besonders wählerisch im Boden. Auf Lehm, Kalk und Sand gedeiht er fast gleich gut, nur darf der Grund nicht gerade dürr und trocken sein. Ebensowenig wie auf ganz wasserarmem Boden gedeiht er in Nässe. Mit der Kiefer kann er darin also ebensowenig wetteifern wie mit der Erle. Auf fruchtbarem, lockerem Laubwaldboden fühlt er sich am wohlsten.

Der Spitzahorn wächst gleich den verwandten Arten ziemlich schnell. Im ersten Jahre bleibt er freilich nach allgemeiner Baumgewohnheit ganz klein, um vom Wild übersehen und im Winter von Laub bedeckt zu werden. Aber im nächsten Jahre streckt er sich wohl schon bis zu einem Meter in die Höhe. Und nun wächst er Jahr für Jahr flott weiter, um nach zehn Jahren ein kleines Bäumchen von vielen Metern Höhe darzustellen. Kerzengerade wächst er empor, ohne sich zu verzweigen. Das buschartige Wachstum, das unsern meisten Bäumen in der Jugend So sehr eigen ist, kennt er nicht. Selbst wenn er am Waldrande steht, wo er sich breit machen kann, eilt er unverzweigt als dünne Stange in die Höhe, während in solchem Falle Eichen, Rotbuchen und Weißbuchen immer sehr gesperrt wachsende Sträucher bilden. Der Ahorn wird, wie fast alle schnell wachsenden Bäume, nicht sehr alt. Nach hundert Jahren ist seine beste Kraft dahin. Er wird auch nie sehr stark, und seine Rinde bleibt bis ins Alter ziemlich glatt, aber er erreicht doch eine Höhe von 20-25 Metern.

Der Spitzahorn besitzt jederzeit eine große Ebenmäßigkeit. Sein gerader, glatter Stamm, die volle runde Krone, die schweren riesigen und doch an schlanken langen Stielen horizontal ausgestreckten Blätter geben ihm eine ritterliche Würde. Er besitzt nicht die altersgraue Ehrwürdigkeit und die eiserne Kraft der Eichen und Buchen, aber es ist ihm eine stolze Eleganz eigen. In Mancher Beziehung ist er das männliche Pendant zur Birke. Bei ihr ist alles Zierlichkeit, Anmut, Leichtigkeit, bei ihm alles Ebenmäßigkeit, Würde, Straffheit. Die Birke gibt unsern Wäldern einen ihnen sonst ungewohnten heiteren und lebhafteren Charakter, der Ahorn steht in ihnen wie ein südländischer Potentat in einem prunktvollen Aufzuge, seine ganze Umgebung überstrahlend.

Kurz bevor im Frühjahr der Blattaustrieb im Spitzahorn erwacht, erscheinen seine Blüten. Sie sind, obwohl nicht gerade klein, doch recht unscheinbar gelblichgrün. Der Baum besitzt männliche und weibliche Blüten auf einem Individuum. Alle sind ziemlich regelmäßig gebaut. Im Kelch und in der Blumenkrone herrscht die Fünfzahl. Dagegen variieren die Staubfäden zwischen 5 und 9. Die Blüten sind zu Ebensträußen angeordnet, die im Unterschied zu denen des stumpfblättrigen Ahorns aufrecht stehen. Zu Anfang Mai folgen dann den Blüten die Blätter, die sich von dem kräftig hervorstoßenden Trieb erst allmählich absondern und erst nach und nach ihre stattliche Größe bekommen. Der Laubausschlag des Spitzahorns hat eine schöne gelbgrüne Maienfarbe. Nach und nach verdunkelt sich diese, so daß sie im Sommer dem allgemeinen Waldesgrün entspricht. Die Blätter sind so breit wie lang, sie sind in fünf großen Lappen buchtig ausgeschnitten, und jeder Lappen läuft in drei bis fünf schmale lange Spitzen aus. Diese reiche Gliederung der Blätter trägt viel zur Schönheit des Baumes bei, ihre Größe gibt der Krone eine große Fülle, so daß sie einen reichen Schatten gewährt. Gerade darum wird der schnellwachsende Spitzahorn gegenwärtig so oft in den jungen Straßen neu begründeter Siedelungsorte angepflanzt, die recht schnell zu Bäumen kommen möchten, die ,,nach etwas aussehen”. Die Blätter hängen an straff gespannten langen Stielen, die - was den Baum noch besonders ziert - meist eine rote Farbe haben. Schon im Frühsommer machen sich auch die grünlichen Flügelfrüchte bemerkbar, mit denen der Baum gewöhnlich reich behängt ist. Der Wind reißt einige von ihnen schon sehr frühzeitig ab, so daß im Sommer unter den Bäumen immer eine Menge dieser eigenartig geformten Gebilde zu sehen sind. Eine solche Frucht besteht aus zwei lose aneinander hängenden Samenkörnern, deren jedes mit einem langen, häutigen Flügel versehen ist. Flügeleinrichtung ist immer eine Anpassung an die Verbreitung durch den Wind. Um aber so weit fliegen zu können wie die Samen der Birken und Ulmen, dazu sind die Ahornsamen viel zu schwer. Sie können nur, wenn sie durch den Sturm vom Baum gerissen werden, allenfalls einen weiten Bogen durch die Luft beschreiben. Auch liegen die platten Früchte viel zu sehr auf dem Erdboden auf, um weit über ihn hin vom Winde gefegt zu werden. Immerhin muß der Besitz der Flügel den Ahornsamen von Nutzen sein, andernfalls würde an ihnen keine solche Flugvorrichtung sich gebildet haben. Im Spätsommer dann bräunen sich die Samen, um im Laufe des Winters nach und nach abzufallen.

Den Höhepunkt seiner Schönheit erreicht der Spitzahorn im Herbst, im Oktober, wenn sich seine Blätter verfärben. Alsdann ist der ganze Baum in reinstes, tiefstes Gelb getaucht. Wenn die milde Oktobersonne über dem taufeuchten Grase lächelt, dann geht von diesen großen, in blinkendes Gelb umgewandelten Ahornblättern ein wehmutiger Hauch versunkener und im Versinken noch imponierender Herrlichkeit aus, wie von einem verfallenen Palast, den vor langen Zeiten ein großer Künstler gebaut hat und der im Verfall eine neue melancholische Schönheit bekommt. Oft malt sich in das satte Gelb der Blätter ein tiefschwarzer Fleck, hervorgerufen durch kleine Pilzchen. Noch eigenartiger, noch glänzender und doch noch wehmütiger erscheinen diese in gelb und schwarz gekleideten Ahornblätter, die in wenigen Tagen der Wind von den Zweigen reißen und auf den Boden werfen wird.

Sehr schnell gewöhnlich entblättert sich der Ahorn. Die großen, starken, quittegelben Blätter sammeln sich unter dem kahlen Baum an und bilden einen vollen Teppich. Eigentümlich, härter, gleichsam grausamer als in anderem Laub raschelt des Menschen Fuß in diesen großen, schweren Blättern, wenn er den Teppich betritt. Aber nach einigen Wochen ist auch dieser entfärbt, verbräunt, verfault, und nun hat der Ahorn den letzten Farbenreiz verloren. Der Baum hat ziemlich dunkle Zweige, so daß er im Winter bei aller Straffheit seines Wuchses etwas düster erscheint. Einigermaßen gemildert wird dieses Aussehen jedoch durch die starken Winterknospen, mit denen seine Zweige abschließen, noch mehr aber durch die hellbraunen Früchte, falls diese, vor Wind geschützt, während der kalten Jahreszeit am Baume hängen bleiben.

Der Ahorn kommt nur eingestreut in dem Laubwald vor. Doch nie besteht in der vom Menschen unberührten Natur ein Wald nur aus Ahornbäumen. Da diese verhältnismäßig kurzlebig sind und ihre Standortsbedingungen auch vielen anderen Bäumen zusagen, so ist es erklärlich, daß sie immer mit andern Gehölzpflanzen einen Mischwald bilden. Ihr schnelles Wachstum ermöglicht es ihnen zwar, entstehende Lücken auszufüllen, aber auf die Dauer werden sie von der nie versagenden Kraft der Eichen und Buchen zurückgedrängt. An einen ungewöhnlichen Boden aber ist der Ahorn nicht angepaßt, wie etwa die Kiefer, Birke, Erle oder Fichte, die unter bestimmten Verhältnissen alle Konkurrenz anderer Bäume ausschließen und darum reine Bestände bilden. Auch kommt ihm nicht irgendeine spezielle waldbildende Eigentümlichkeit zu, wie etwa der Buche, die in der Ebene, wo die Fichte sich nicht zu Hause fühlt, infolge ihres tiefen Schattens unter sich keine andern Sämlinge aufkommen läßt als die ihrer eigenen Art.

Der Ahorn ist im Walde vom Forstmann gern gesehen. Er produziert ziemlich schnell eine große Menge wertvollen Holzes. An Brennkraft ist dieses eines der besten Hölzer, aber zum Verbrennen ist es im allgemeinen viel zu gut. Das beste, zu Möbeln und Gerätschaften aller Art zu verwendende Holz liefert der stumpfblättrige Ahorn. Aber auch das des Spitzahorns ist, wenn auch nicht ganz so fein, so doch sehr zäh, hart und dauerhaft. Dem Stellmacher ist es darum sehr willkommen zur Anfertigung der landwirtschaftlichen Geräte, bei denen es nicht auf Feinheit und Leichtigkeit, sondern auf Zähigkeit und Haltbarkeit ankommt. Wie mehrere amerikanische Ahornarten, von deren Saft Zucker gewonnen wird, so läßt auch der Spitzahorn beim Anbohren seines Stammes eine zuckerhaltige Flüssigkeit abträufeln. Der Zuckergehalt ist indes bei unserem einheimischen Baum zu gering, als daß sich, zumal seit der Herrschaft des Rübenprodukts, die Gewinnung des Zuckers lohnte. Wegen seiner schönen Form wird der Ahorn, wie bereits erwähnt, häufig an Alleen und Straßen angepflanzt. auch in größeren Gärten und in Parkanlagen wird er stets vertreten sein. Überall ist er durch die stolze Würde seiner Gestalt, durch die Auffälligkeit seiner mächtigen, spitzgelappten Blätter, durch die Prächtigkeit seines Herbstkolorits von eindrucksvoller Wirkung.

Eberesche bei BerlinEberesche bei Berlin

Die Eberesche.

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enn der August gekommen ist, dann treffen wir am Rande von Gebüschen oder mitten im Walde einen Baum an, der über und über mit Büscheln korallenroter Früchte bedeckt ist. Die ganze Krone ist ein einziger Ballon roter, leuchtender Perlen. In diesem reizvollen Kleide ist der Baum mit keinem andern zu verwechseln, es ist die Eberesche. Gewiß, in diesem blendenden Schmuck der Früchte überstrahlt die Eberesche an Schönheit alle anderen Bäume, die unser Wald besitzt. Aber sie sticht auch zu anderer Zeit, im ganzen Frühjahr wie im Sommer, auch ohne Früchte durch ihre Zierlichkeit und Anmut von unseren meisten andern Bäumen ab.

Die Eberesche hat im Volksmunde sehr verschiedene Namen, sie heißt auch Quitschernbaum, Maasbeerbaum, Vogelbeerbaum. Die Bezeichnung Eberesche ist eine Verstümmelung von Aberesche, d. h. falsche Esche. durch die Fiederform ihrer Blätter hat nämlich dieser Baum eine Ähnlichkeit mit der Esche, ohne mit dieser die geringste natürliche Verwandschaft zu besitzen. Denn die Eberesche gehört zu den Kernobstgewächsen. Man braucht nur ihre Blüten, ihre Früchte etwas näher anzusehen, um sogleich zu bemerken, daß sie mit einem Apfelbaum die größte Ähnlichkeit besitzt. Nur ist an diesem alles größer und gröber. Die Blüten der Eberesche sind genau so nach der Fünfzahl gebaut wie diejenigen unser Kernobstbäume. Aus den fünf gelblichweißen Blütenblättern ragen eine Menge von Staubfäden hervor. Auch die Stellung der Blüten ist an der Eberesche dieselbe wie beim Apfelbaum. Nur stehen bei ihr diese Gebilde in einer großen Doldentraube in viel reicherer Zahl zusammen, als bei jenem. Die Frucht ist bei der Eberesche nur etwas über erbsengroß, aber an ihrem oberen Ende sind genau so die Reste des Kelches zu sehen, wie am Apfel oder an der Birne. Die Frucht ist auch durch Querwände in Fächer geteilt, in denen sich die Samenkerne befinden, kurzum, es ist ein Apfel im kleinen, der eine korallenrote Schale besitzt.

Die Eberesche ist in unseren Wäldern sehr verbreitet. In der Ebene zieht sie ganz unzweifelhaft den Laubwald dem Nadelwald vor. Aber auf den Gebirgen ist sie außerordentlich häufig in die Fichten eingesprengt, besonders in dem Höhengürtel, wo diese NadelBäume bereits niedriger bleiben und die Eberesche von ihnen nicht mehr unterdrückt werden kann. So zierlich das Bäumchen erscheint, so fürchtet es sich doch nicht vor Kälte. Es dringt so hoch wie die Fichte auf das Gebirge hinauf und bildet mit ihr zusammen die Grenze des Baumwuchses. Ebenso ist es auch in den nördlichsten Ländern einheimisch und zieht sich auch über Rußland bis weit nach Sibirien hinein. Sie ist mit der echten Esche zusammen der einzige Baum, der, vom mittleren Deutschland an nordwärts verbreitet, Fiederblätter trägt. Denn diese deuten mehr auf eine südliche Heimat. Die eigentliche Esche ist auch ein ziemlich empfindlicher Baum, der sich weder ins Gebirge versteigt noch sehr hoch nach Norden hinaufgeht. So ist denn die Eberesche der abgehärtetste Baum, der Fiederblätter trägt, ja sie ist überhaupt einer der unempfindlichsten Bäume.

Ihre große Verbreitung verdankt die Eberesche aber nicht nur ihrer Unempfindlichkeit gegen Kälte. Sie ist auch eine anspruchslose Pflanze. Allerdings kann sie nicht mit der Birke wetteifern, wenigstens vermag sie nicht auf so dürrem Sande Fuß zu fassen wie diese. Aber jedenfalls, ganz ungünstige Verhältnisse abgerechnet, gedeiht die Eberesche überall. Sie kann noch auf sehr feuchtem Boden stehen, wo Buchen und Eichen schon versagen, und sie hält auch trockenen Boden noch am besten aus, wenn man von der Kiefer und Birke absieht. An steilen Felswänden, auf steinigen Gebirgsfeldern sieht man oft genug kleine Ebereschen, deren reicher Fruchtschmuck deutlich verrät, daß sie hier die volle Höhe ihres Vegetationslaufes erreichen. Diese Bereitwilligkeit, in noch ziemlich jugendlichem Alter und überall reichlich Früchte zu tragen, ist auch eine der Verbreitung sehr günstige Eigenschaft der Eberesche. Vor allem aber sind diese Früchte selbst eine sehr beliebte Nahrung der verschiedenartigsten Vögel und ohne Zweifel stellt das saftige Fruchtfleisch, wie bei allen Kernobstgewächsen, ein Lockmittel für Tiere dar. Indem diese die Frucht verzehren, tragen sie zur Verbreitung der Samenkerne bei, die sie unverdaut wieder abgeben und dadurch unbewußt überall aussäen. Nur dadurch erklärt es sich, daß in allen Wäldern, auch an Stellen, wo stundenweit kein Ebereschenbaum vorhanden ist, doch große Mengen von Sämlingen aus dem Boden hervorsprießen. Nur so auch ist der Same verbreitet worden, aus dem jene Ebereschen entstanden sind, die man aus alten Türmen, auf Burgmauern oder auf isolierten Felsenbergen antrifft. So kann denn die Eberesche in ihren Früchten jegliche Anpassung an den Wind entbehren, die Vögel sorgen Jahr für Jahr dafür, daß die Samen überall ausgesät werden.

Das Wachstum der Eberesche geht ziemlich rasch vonstatten. Aber so schnell wie das der Birke ist es doch nicht. Die Eigenschaft dieses Baumes, überall da zu erscheinen, wo Lücken vorhanden sind und rasch empor zu wachsen, ehe noch ein anderer Baum ihr nachkommen kann, ist der Eberesche nur in einem geringen Grade eigen, obwohl sie aus gutem Boden weit schneller wächst als Buche, Eiche und selbst Linde. Aber dafür ist sie nicht so lichtbedürftig wie die Birke, sie läßt sich nicht so leicht unterdrücken, ihre weit nach den Seiten ausgreifenden Fiederblätter ermöglichen es ihr immerhin, an einer von der Nachbarschaft unbenutzten Stelle Licht und Luft zu erlangen. Und wenn sie einmal ein Bäumchen von zwei, drei Metern Höhe geworden ist, dann fängt sie schon an, Früchte zu tragen, sorgt also dann bereits für ihre Nachkommenschaft, wenn die meisten anderen Bäume noch jahrzehntelang auf Fruchtbarkeit warten müssen. Die Eberesche wird überhaupt nicht sehr hoch, häufig begegnet man Bäumen von 4 bis 6 Metern Höhe, und nur mitunter solchen bis zu 10 Metern Höhe.

Die Eberesche schlägt im Frühjahr nur wenig später als die Birke aus. Ihre ersten Blüten und jungen Triebe sind mit einem weichen Filz von Härchen bedeckt, so daß der Laubausschlag eine überaus zarte, weißgrüne Färbung besitzt. Dadurch erhält das junge Laub dieses Baumes eine außerordentliche Weichheit, eine unsagbare Innigkeit, die recht im Einklang steht mit dem milden Frühlingslicht, das durch den reichen Feuchtigkeitsgehalt der Maienluft gedämpft wird. Dazu kommt noch diese höchst anmutige Fiederform der Blätter. Die Eberesche hat ein unpaarig gefiedertes Blatt. Zu beiden Seiten des Blattschaftes stehen 7-9 Paare von Blättchen und ein einzelnes Blättchen steht außerdem an der Spitze des Schaftes. Jedes Blättchen hat eine länglich lanzettliche Form, es ist also ziemlich lang und schmal und erhält durch die scharf ausgeprägte, tiefe Sägegestalt seines Randes eine große Leichtigkeit und Zierlichkeit. Die Eberesche hat ohne Zweifel von allen unseren einheimischen Bäumen die schönste gefälligste Blattform, sie hat diese auch dann, wenn sich die seidige Behaarung verliert und die Blätter ihre dunklere grüne Sommerfarbe bekommen haben. Sehr schön ist die Eberesche auch dann, wenn sie blüht. Im Mai entfaltet sie reiche Dolden von gelblich weißen Blüten, die sich zwar an Stattlichkeit nicht mit denen der Obstbäume messen können, aber doch durch ihre reiche Zahl und durch ihre straußartige Anordnung sehr zierend wirken. Es geht von ihnen ein süßlicher, narkotischer Duft aus, der diesem frauenhaft anmutigen Baume auch einen leisen Anflug von weiblicher Falschheit verleiht.

Den Gipfel ihrer Schönheit erreicht die Eberesche aber im Spätsommer, wenn ihre Früchte sich in ein lebhaftes Rot kleiden. Diese graziösen Fiederblätter, von denen sich die leuchtenden Kugeln von roten Fruchtperlen wirkungsvoll abheben, diese glückliche Vereinigung von Grün und Rot, von Blattanmut und Fruchtglanz, das gibt der Eberesche eine entzückende Schönheit, die nicht nur derjenigen unserer einheimischen, sondern auch der meisten fremdländischen Bäume überlegen ist. Die mit Riesenblüten ausgestatteten Magnolien, die Tulpenbäume Nordamerikas, die zierlichen Zypressen Japans, die zarten Acacias Australiens besitzen keine größere Lieblichkeit und Schönheit als unsere Eberesche in ihrem roten Fruchtschmuck.

Auch die Herbstfärbung der Eberesche ist schön. Ihre Blätter bekommen im Oktober ein weiches Rotgelb, das demjenigen mancher Obstbaumsorten ähnlich ist. Die Fiederform der Blätter trägt auch in dieser Zeit dazu bei, das Kolorit noch anmutiger erscheinen zu lassen. Hat der Baum im Herbst noch seine roten Früchte, so behält er auch in der melancholischen Zeit der Blätterverfärbung noch ein Stück lachenden Lebens aus der reichen Fülle des Sommers. Häufig freilich besitzt der Baum zu dieser Zeit bereits keine Früchte mehr. Der Volksmund nennt die Eberesche nicht umsonst den Vogelbeerbaum. Sobald die Früchte reifen, wird der Baum von den verschiedensten Vögeln besucht. Besonders ist die Frucht eine Lieblingsspeise der unzähligen Drosselscharen, die zu Beginn des Herbstes vom Norden her durch Deutschland reisen. Mitunter jedoch, wenn Waldfrüchte aller Art gut geraten sind, behält der Baum seinen schönsten Schmuck den ganzen Herbst hindurch bis in den Winter hinein. An dem blattlosen Baum nehmen sich die roten Fruchtdolden herrlich aus. Lange dauert indes ihre Herrlichkeit nicht. Denn selbst wenn die Vögel aus Ueberfluß an Nahrung sie nicht vom Baume abholen, so machen doch einige stärkere Fröste die Stiele der Früchte mürbe, so daß diese bei einigermaßen heftigem Winde bald herabfallen. Als kahler Baum zeichnet sich die Eberesche durch einen ziemlich ebenmäßigen Wuchs, besonders aber durch einen recht glatten, kirschbaumartig gefärbten Stamm aus. An den Spitzen ihrer Zweige stehen große Knospen, die mit einem weißen Pelz von Haaren bedeckt sind. An ihnen ist die Eberesche leicht zu erkennen, selbst mitten im Winter, wenn keines der graziösen Fiederblätter, keine der stolzen, roten Fruchtperlen mehr den kahlen Baum zieren.

Die Eberesche ist nicht nur ein sehr schöner, sie ist auch ein sehr nützlicher Baum. Ihr Holz ist zähe, schwer und hart und eignet sich daher zu Gerätschaften, die der Wagner anfertigt. Es ist aber auch sehr fein und gleichmäßig und nimmt eine gute Politur an, deshalb ist es auch zu den eleganteren Arbeiten des Tischlers verwendbar. Die Früchte können zur Fütterung des Federviehs beuutzt werden. Sie dienen vielfach auch beim Vogelfang. Besonders werden die Drosseln massenweise in mit Ebereschenfrüchten belegten Fallen gefangen. Eine Abart des Baumes in Südeuropa trägt Früchte, die auch von Menschen gegessen werden können. Die Eberesche wird häufig an Wegen und Alleen angepflanzt, und es gibt für diesen Zweck kaum einen schmuckeren Baum als sie. In Parkanlagen bietet sie außer ihrem hervorrageuden Zierwert auch noch den Vorteil, durch ihre Früchte Vögel anzuziehen und dadurch zur Belebung der Landschaft beizutragen. Als Alleebaum wie als Parkbaum sollte sie schon deshalb viel häufiger angewendet werden, weil sie sehr anspruchslos ist und ungünstige Verhältnisse leichter erträgt als die meisten anderen Bäume. Die Eberesche wird wohl nirgends direkt forstlich kultiviert. Gleichwohl braucht man um ihre Zukunft kaum bange zu sein. Sie ist kein Baum, der so leicht ausgerottet werden könnte. Die Vögel, ihre Freunde, denen sie Nahrung gibt, werden dafür Sorge tragen, daß die Eberesche immer wieder hier und da im Walde oder im Gebüsch ein Plätzchen frei findet.

Feldweg in der Mark mit WeidenFeldweg in der Mark mit Weiden

Unsere Weiden.

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ielgestaltiger, formenreicher, leichtlebiger als irgendein anderes baumbildendes Pflanzengeschlecht sind die Weiden. Es ist schwer, ein allgemeines Bild von ihrem Charakter zu entwerfen: die einen sind hohe und stolze Bäume, die andern sind zwerghafte Sträucher, die eine Art ist zierlich und von höchster Anmut, die andere ist plump und sparrig und düster wie die Nacht. Die eine steht am Wasser, die andere gar auf trockenem Sand, die eine in der Ebene, die andere im Gebirge, die eine in vollster Isolierung, die andere im Walde. Aber im allgemeinen kann man doch sagen, daß die Weiden viel Licht und Luft brauchen und den schattigen Wald meiden, daß sie ein luftiges, leichtes Geäst und Laub haben und daß sie das Wasser lieben. Sie wachsen ungemein schnell empor und bilden jedes Jahr lange biegsame Ruten; sie leben gewissermaßen flott dahin, schon in frühester Jugend blüht ihnen die die Liebe, und dann schmücken sie sich mit schönen seidigen Kätzchen, aber sie sterben auch schnell hinweg. Wenn die Eiche noch eine schmale Stange ist, sind die Baumweiden schon dicke, ehrwürdige Stämme, und wenn jene beginnt ein Stamm zu werden, wird diese von der Kernfäule, der Alterskrankheit der Weiden, dahingerafft.

Die Weiden rechnet der Pflanzenkundige mit Eichen, Buchen, Birken, Erlen zu den Kätzchenträgern. Mit den Pappeln zusammen bilden sie als Weidengewächse eine Familie. In ihrer äußerlichen Gestalt haben sie mit den starken, steifen, etwas ungeschlachten Pappeln wenig Übereinstimmendes. Aber die Kätzchen der beiden Pflanzengeschlechter sind doch recht ähnlich.

Die Weiden sind fast in der ganzen Welt in vielen Arten vertreten, nur in den Tropen fehlen sie. Die übergroße Wärme verscheucht sie, aber gegenüber der Kälte sind sie sehr wenig empfindlich. Noch in den Polargegenden gibt es Weiden, und es gibt solche, die hoch im Gebirge leben an der Grenze des ewigen Schnees. Als wildes, luftiges, gleich dem Rohr schwankendes Gebüsch begleiten sie mit ihrem blinkenden Blattwerk und ihren dünnen Ruten den Lauf der Flüsse und Bäche. Als sehr schlanke Bäume mit lichten Kronen mischen sie sich mit Erlen und Pappeln am Rande der Gewässer. Besonders malerisch sind die alten hohlen Kopfweiden, die mit ihrem dicken kurzen Stamm und ihrem Rutenausschlag den Bach begleiten, der sich in Zickzacklinien durch das Wiesengelände schlängelt.

Bei ihrem raschen Wachstum ist es fast selbstverständlich, daß sie kein sehr festes, kerniges Holz bilden. Als Brenn- und Bauholz haben sie wenig Wert. Dagegen sind sie in Manchen Gegenden für die Korbflechterei von größerer Bedeutung. Für diesen Zweck wird hauptsächlich die sogenannte Korbweide benutzt, die sehr lange, dünne, biegsame Ruten liefert. Aber auch einige andere Arten, namentlich die Silberweide, Reifweide und Purpurweide werden zur Flechterei benutzt. Jedes Jahr werden alle Triebe, die dort zwei bis drei Meter lang sind und das Flechtmaterial darstellen, abgeschnitten. Der Stamm der Weiden kann also nicht nach oben, sondern nur in die Breite wachsen, er wird jährlich dicker und dicker, aber nach oben entsendet er immer nur seine langen, unverzweigten Ruten, die ihm immer wieder genommen werden. Die Korbweidenzucht kann sehr lohnend sein, da sie an Ortlichkeiten betrieben werden kann, die sonst kaum zu verwenden sind, an Flußläufen und Kanalufern und auf feuchtem Gelände, das nur schlechtes Gras liefert. Ein Vorteil bei der Kultur der Weiden ist es, daß sich diese aus Stecklingen vermehren. Soll ein Stück Land zum Anbau von Buschweiden verwendet werden, so schneidet man von einer alten Weide halbmeterlange Ruten ab und steckt diese ziemlich dicht nebeneinander schräg in die Erde des betreffenden Landes. Hier schlagen sie alsbald aus. Im nächsten Jahre werden die Setzlinge dicht über dem Boden abgeschnitten, alsdann treiben aus dem Stumpf lange Gerten hervor, die eben zur Flechterei verwendet werden. Um dagegen Kopfweiden heranzuziehen, nimmt man große, mehrere Meter lange Stangen und steckt diese gerade in den Boden. Hier schlagen sie sehr bald Wurzeln und nach wenigen Jahren ist aus der Setzstange ein dicker hoher Stamm geworden. Dieser vorteilhaften Eigenschaft, sich leicht durch Setzstangen und Stecklinge zu vermehren, haben es die Weiden zu verdanken, daß sie häufig an Gewässern angepflanzt werden. Die Weide vermehrt sich aber auch leicht aus Samen, der, in Wollhaar eingebettet, vom Winde leicht nach allen Richtungen verbreitet wird. Die verschiedenen Weidenarten kreuzen sich sehr leicht, so entstehen eine Menge Bastarde, welche den Formenreichtum dieses an und für sich artenreichen Pflanzengeschlechts um ein beträchtliches vermehren.

Zwei große Gruppen von einheimischen Weiden wird jeder Naturfreund, auch wenn er keine tieferen botanischen Kenntnisse besitzt, ohne weiteres unterscheiden. Die eine Gruppe sendet ihre Kätzchen schon im ersten Frühjahr, im März und Anfang April aus den Zweigen hervor, wenn diese noch kein Laub besitzen. Die Vertreter der anderen Grnppe dagegen entwickeln ihre Blätter und Blüten zu gleicher Zeit.

Von den Weiden mit vorlaufenden Kätzchen ist die Salweide eine der bekanntesten. Sie ist es, die im zeitigsten Frühjahr die ersten und allerschönsten Kätzchen hat.

Bei den alten Römern heißt salix die Weide, und die Franzosen nennen danach den Baum saule, die Engländer sallow und auch im Althochdeutschen findet sich der Name salha. Die Salweide hat diese alte Bezeichnung bewahrt. Sie heißt aber auch Palmweide, weil in katholischen Ländern am Palmsonntage die Kirchenbesucher die blühenden Zweige zu tragen pflegen. Sie bilden da einen Ersatz für die Palmen, die nun einmal in Deutschland nicht so leicht zu beschaffen sind.

Die Salweide ist vielleicht die verbreitetste, zum mindesten aber die auffälligste und darum bekannteste aller Weiden. Keine andere hat so große, herrlich duftende Kätzchen wie sie, und da diese zumal so früh im Jahre erscheinen, so prägt sich der blühende Baum jedem ins Gedächtuis ein, der ihn einmal in voller Entfaltung feiner Kätzchen gesehen hat. Zu dieser Zeit aber ist die Salweide wirklich schön, sie besitzt dekorative Pracht, die auf jeden wirkt, mag er Naturfreund sein oder nicht. Bei einer Eiche, Rotbuche, Ulme und anderen Waldbäumen muß man sich in die ganze Eigenart vertiefen, um eine volle ästhetische Wirkung zu empfangen, und sie sind nicht einmal das, was wir im gewöhnlichen Leben schön nennen, sie sind nicht ebenmäßig, besitzen keinen besonderen Zierrat oder Farbenschmuck. Die Salweide kann sich nun im übrigen nicht im entferntesten mit diesen schlichten und doch in ihrer Eigenart so gewaltigen Bäumen messen, aber zu ihrer Blütezeit ist sie von einer lieblichen Schönheit. Schon wenn zu Beginn des März die Kätzchen zwar noch nicht erschlossen sind, aber gleich großen blendendweißen Schneeflocken die etwas rötlich oder gelblich gefärbten schlanken Zweige bedecken, geht von den Bäumen ein intimer Reiz aus. Einige Wochen später, dann plustern sich die Kätzchen auseinander, sie erreichen fast Eigröße, und nun treten die gelben Staubfäden oder Narben deutlich hervor. Nun ist der Baum mit dem großen, intensiv gelben Flitterwerk behangen, das um so mehr auffällt, als die Blätter noch in den Knospen schlafen. Das Laub vermißt man nicht, da die Zweige nicht jene düstere dunkle Farbe und kahle Starrheit besitzen, wie bei anderen Bäumen, sondern wegen ihres lebhaften Kolorits und ihrer eleganten schlanken Biegsamkeit die angemessenen Träger dieser luftigen zierlichen Blütengebilde sind.

Die Blütezeit währt bei der Salweide nicht so lange wie bei der Espe, die darin etwas früher beginnt und bedeutend später aufhört. Die Weide kann sich mit weniger Zeit behelfen, da ihr nicht nur der Wind, sondern auch die Insekten bei der Befruchtung die erforderlichen Dienste leisten. Ohne Zweifel stellen die Weiden, und besonders die Salweiden, den Übergang her zwischen windblütigen und insektenblütigen Pflanzen. Das frühe Blühen im März-April bei Abwesenheit störenden Laubes, die lose Kätzchenform deutet darauf hin, daß der Baum zunächst darauf angewiesen war, durch den Wind den Blütenstaub auf weite Entfernungen hin davontragen zu lassen. Aber die Kätzchen erwarben sich die verlockenden Eigenschaften des Wohlgeruchs und der Blütenpracht, und die ehemals vorhandenen Blütenblätter wandelten sich in kleine Honigdrüsen um. Diesem Aufgebot von Lockmitteln konnten die Insekten nicht widerstehen, und nun sind es besonders die Bienen, die in der blumenarmen Frühzeit des Jahres von der Salweide ihren Honig beziehen.

Wie die Pappeln sind auch die Weiden sogenannte zweihäusige Pflanzen. Die Kätzchen enthalten nur Blüten eines Geschlechts, und auf einem Baumindividuum entfalten sich immer nur männliche oder nur weibliche Kätzchen : die Geschlechter sind also auf zwei verschiedene Individuen verteilt. Die Blüten selbst sind sehr einfach, sie bestehen bei der Salweide nur aus zwei Staubgefäßen, beziehentlich einem Fruchtknoten, und kleinen Honigdrüsen. Das weißfilzige aussehen erhalten die Kätzchen dadurch, daß jede Blüte von einem zottig behaarten Deckblättchen umgeben ist. Diese einzelnen Deckblättchen stehen vor Aufbruch der Blüte so dicht übereinander und sind so prall um die Kätzchenspindel gereiht, daß man nur ihre weißen filzigen Haare als eine dichte seidige Masse zu Gesicht bekommt. Später verlängert sich die Spindel, die Deckschuppen rücken weiter auseinander, die Staubfäden oder Fruchtknoten werden sichtbar und treten schließlich weit hervor. Nun erst blüht der Baum, nun erst lockt er durch seinen Wohlgeruch und seine Schönheit die Bienen herbei.

Frühzeitig schon, gegen Mitte April, beginnt das Laub der Salweide sich allmählich aus den Knospen herauszuwickeln, und gegen das Ende des Monats steht der Baum meist im vollen hellgrünen Blätterschmuck. Es sind ziemlich große und breite Blätter. Die anderen Baumweiden und auch mehrere strauchige Vertreter dieser Pflanzengattung besitzen jene langen, schmalen, lanzettlichen Blätter, wie sie eigentlich als charakteristische Weidenblätter gelten. Aber die Salweide gleicht in ihrer Belaubung mehr den meisten buschartig wachsenden Verwandten. Ihr Blatt ist elliptisch bis oval, es hat eine etwas rauhe Oberfläche und einen welligen, leicht gekerbten Rand. Oben läuft es in eine Kurze Spitze aus. Obwohl die Belaubung der Salweide keinen besonderen Reiz besitzt, so ist sie doch wegen der Größe der Blätter immerhin nicht unscheinbar zu nennen. Im Sommer hat das Laub einen ziemlich stumpfen, dunklen Ton, und vor allem fehlt der Salweide wie ihren Verwandten eine eigentliche Herbstfärbung. Ende Oktober werden die Blätter höchstens etwas dürr, meist aber fallen sie, ohne sich zu verändern, nach und nach herab. Früher als andere Bäume ist die Salweide blätterleer und kahl.

Im entlaubten Zustande fällt die Salweide, besonders wenn sie noch jung ist, durch ihre langen, biegsamen, rutenartigen Zweige auf. Sie hat eine große Neigung, buschartig zu wachsen, und manche Salweide bleibt zeitlebens ein großer, lockerer, mit seinen langen Zweigen unregelmäßig ausgreifender Busch. Diese Gestalt hängt mit der Art ihres Wachstums zusammen. Wie alle Weiden ist der Baum außerordentlich raschwüchsig. Die Zweige schließen ihren Trieb nicht wie die Buchen, Eichen, Ebereschen und noch andere Bäume spätestens zu Johanni ab, sondern sie sind den ganzen Sommer hindurch in eifrigster Vegetation. Dadurch entstehen jene schlanken, langen Zweige, die, eben wegen ihrer Länge, sich zur Seite neigen. Es bildet sich daher nicht ein fester, nach oben strebender zentraler Ast, der sowohl den Stamm des Baumes als auch seinen Gipfel bilden könnte. Erst nach und nach gewinnt einer der Seitenzweige der Salweide ein Uebergewicht über die anderen, häufig genng entsteht ein schiefer, selten ein sehr hoher Baum. Die Salweide, wie man sie gewöhnlich antrifft, ist ein strauchartig verzweigter Baum oder ein schwaches, vier bis sechs Meter hohes Bäumchen. Exemplare von sieben bis neun Meter Höhe werden bereits seltener, und solche von zehn bis fünfzehn Meter nur ausnahmsweise gefunden. Die größeren Individuen besitzen eine weit regelmäßigere Baumform da bei ihnen die Länge der Zweige zur Größe des Stammes und der Hauptäste in einem weit günstigeren Verhältnis steht. Überhaupt bilden stärkere Bäume nie mehr so lange schlanke Zweige, da sich bei ihnen die vegetative Kraft auf ein Heer von Ästen verteilen muß. Indes tritt dieses Gleichmaß der wachsenden Teile bei der Salweide eben nur selten und wohl nie in dem Maße ein, wie etwa bei der Bruchweide oder gar der Silberweide, von der man wahre Riesenexemplare überall antreffen kann.

Wie die Mehrzahl ihrer Verwandten liebt die Salweide einen feuchten Standort. Darum findet man sie im Walde häufig an Bächen, ohne daß sie doch so sehr an einen wasserreichen Standort gebunden wäre wie die Erle oder einige andere Weiden. Auch ist sie keineswegs nur ein Waldbaum, in ganz dichtem Bestände fühlt sie sich nicht wohl, und das Lichtbedürfnis, das bei ihren Gattungsgenossinnen so ausgesprochen ist, macht sich auch bei ihr geltend. Darum findet man die Salweide häufig in lockerem Ufergebüsch oder bisweilen auch vereinzelt an einem Graben oder schattigen Abhange. Im Walde aber sucht sie sich meist Stellen aus, die augenblicklich noch nicht von hohen Bäumen beschattet werden. Sie gleicht darin der Birke: überall, wo gerade ein Plätzchen frei ist, taucht sie auf, um sofort zu verschwinden, wenn andere Bäume erstarken und sie überschatten. Diese Eigenschaften, die die Birke so geeignet zum Lückenausfüllen machen, kommen auch der Salweide zugute. Auch diese produziert eine reiche Menge von Samen, der, mit wolligem Flaum umgeben, vom Winde nach allen Himmelsrichtungen weggetragen wird. Er gelangt überall hin, und wo er an ein geeignetes Plätzchen gerät, da geht er auf. So findet man Sämlinge der Salweide fast ebenso häufig wie solche der Birke oder der Eiche. Aber während die Eiche im Wachstum nicht von der Stelle kommt, schießt die Salweide ebenso schnell empor wie die Birke, nur ist dieser die Weide darin überlegen, daß sie schon nach drei, vier Jahren Samen trägt, und also, selbst wenn sie auch schon nach kurzer Zeit verdrängt wird, doch nicht umsonst gelebt hat. So schnell läßt sie sich allerdings gewöhnlich nicht verdrängen. Ist der Standort nur geeignet, den Samen keimen zu lassen, so entwickelt sich die Salweide so rasch, daß sie leicht einen Vorsprung über alle Nachbarn gewinnt. So hält sie sich wohl mehrere Jahrzehnte. Später jedoch erlahmt ihre Kraft. Wenn die Nachbarbäume mehr erstarken, sich gegenseitig mit den Astarmen berühren und nun, weil an den Seiten kein Platz mehr frei ist, gewaltig in die Höhe streben, da freilich muß die Weide unterliegen; sie beginnt zu kränkeln und zu verdorren. Gegen Witterungseinflüsse ist die Salweide sehr unempfindlich. Dieser Eigenschaft im Verein mit der Leichtigkeit der Vermehrung hat sie es zu danken, daß sie ziemlich weit verbreitet ist. In ganz Europa ist sie heimisch, und auch im nördlichen Asien hat sie einen weiten Wohnungsbezirk inne. Dabei ist sie überall ganz auf ihre eigene Kraft gestellt, denn vom Menschen wird sie kaum jemals angepflanzt oder gepflegt, wenn man von den wenigen Liebhabern absieht, die ihr in ihrem Garten oder Park einen Platz anweisen. Für die Waldwirtschaft hat die Salweide keine Bedentung. Ihr Holz ist weich und wenig dauerhaft. Als Brennmaterial und zum Bauen wird es nur ausnahmsweise benutzt. Immerhin findet es zu mancherlei Geräten Verwendung, ohne gerade unentbehrlich zu sein. häufig wird es zur Anfertigung von Stielen und Leiterscheiten benutzt und in dünnen Streifen zu Schachteln, Sieben und Körben verarbeitet. Die Rinde wird in Rußland zum Gerben von feinem Leder verwendet. Unter ihr befindet sich wie bei allen Weiden ein fehr süßer Saft, aus dem ein in der Medizin angewandter Stoff, das Salicin, gewonnen wird. auf dem Lande naschen die Kinder sehr gern von diesem süßen Saft, wie denn auch bei ihnen die Weide zur Herstellung von Pfeifen und anderem Spielwerk sehr beliebt ist. Überhaupt spielt die Weide im Glauben und in den Gebräuchen des Landvolks eine große Rolle. Das hindert natürlich nicht, daß diese Bäume ebenso vernichtet werden, wie der Wald allenthalben dezimiert wird. Leider gehört die Salweide nicht zu den Weiden, deren Zweige zur Korbflechterei benutzt werden können. In der Erzeugung äußerst langer, schlanker und biegsamer Ruten sind ihr die Bandweide, die Silberweide, die Purpur- und Reifweide bedeutend überlegen. Aber die Salweide sollte doch in Ziergärten und öffentlichen Anlagen häufiger angepflanzt werden. In der blütenarmen Zeit um Ende März und zu Anfang des April entfaltet sie mehr Pracht als irgendein anderer deutscher Baum.

Viel düsterer und unscheinbarer als die Salweide, aber doch in ihren Formen jener recht ähnlich ist die Werftweide. Sie bleibt immer ein Strauch, und sie ist meist sogar ein ziemlich niederer Strauch. Die Blätter sind auch bei ihr breit, und sie haben fast immer etwas Unfreundliches. Auch die Kätzcheu sind denen der Salweide sehr ähnlich, aber sie sind weit kleiner. Die Zweige sind bedeutend kürzer als bei ihrer Verwandten, sie sind an und für sich kurz und besitzen kaum das Schlanke, Biegsame, das sonst den Weidenruten eigentümlich ist. Vor allem aber sind die Zweige mit einem dicken, kurzen, schwarzgranen Flaum besetzt, der sie sehr düster und griesgrämig erscheinen läßt. Etwas ausgesprochen Unfreundliches liegt über diesem Strauch, nicht nur im Verhältnis zu den Weiden, diesen lichten, leichten, anmutigen Gehölzen, sondern er hat ganz allgemein auch im Vergleich mit anderen Sträuchern etwas Finsteres und Verdroffenes. Es ist, als laste ein schweres Schicksal auf ihm, und in der Tat ist sein Dasein freudloser als das der anderen Weiden.

Die Werftweide drückt sich gewissermaßen in allen Ecken herum, und nirgends ist sie gern gesehen. Auf den Wiesen wird sie als lästiges Unkraut betrachtet; ist sie noch jung, so geht die Sense über sie hin, ist ihr Stamm erstarkt, so verwünscht man sie, kann ihr aber nicht so leicht beikommen, weil Spaten oder Axt auf der Wiese selten vorhanden sind. Sie legt sich außerordentlich breit, ohne sehr hoch zu werden, gerade als ob sie es darauf absähe, besonders viel Wiesenraum in Anspruch zu nehmen und sich nur um so verhaßter zu machen. An feuchten Orten siedelt sie sich allenthalben an, aber hier wird ihr das Leben von Erlen, anderen Weiden und vom Faulbaum schwer genug gemacht. Auf Torfboden allenfalls hat sie Ruhe, solches Terrain ist nicht sehr begehrt von Baum und Strauch. Hier auf dem schwarzen Boden mit der allezeit herbstlich dreinschauenden Vegetation von Sauergräsern, Binsen und Heidegewächsen ist sie am rechten Platze.

Die Werftweide ist ein sehr zäher Strauch, der noch überall in reicher Individuenzahl vorhanden ist. Auch er hat dieselbe weite Verbreitung wie die Salweide. Im Frühjahr, wenn die Kätzchen an den dunklen, blattlosen Zweigen hängen, bekommt auch die Werftweide einen Schimmer von Lieblichkeit, sonst ist sie eher häßlich zu nennen. Im Winter lagert sie mit ihren grauen, nach auswärts gebogenen Zweigen verdrossen auf dem bleichen Gras der Wiesen und der Uferränder.

Von ganz anderer Art ist die Purpurweide. Auch ihre Kätzchen erscheinen vor den Blättern, und sie wächst strauchartig. Aber welche feine zierliche Belaubung besitzt sie doch im Gegensatz zu den beiden vorigen. Die Blätter sind ganz schmal und lang, und sie haben einen sehr schönen bläulichen Ton und sind an der Unterseite direkt hellblaugrau. Dabei sitzen sie so straff und doch elegant an den langen Zweigen. Diese selbst haben meist eine glänzend rote Farbe. Sie sind von sehr großer Geschmeidigkeit, ist doch die Purpurweide eine von den Weiden, deren Ruten mit Vorliebe zur Flechterei benutzt werden.

Es ist alles Geschmeidigkeit, Leichtigkeit und Eleganz an dieser Weide. Die Blätter sitzen nicht dicht nebeneinander, sondern sie sind durch große Zwischenräume voneinander getrennt. Das nimmt dem Strauche alle Schwere, er ist so leicht, so licht mit seinem zierlichen Laub und seinen dünnen, langen, schwankenden Zweigen. Kein Mensch, kein Tier könnte sich unter ihm verbergen oder Schutz vor Regen suchen, er ist für den Sonnenschein und für den Wind geboren. Und an den Seerändern Norddeutschlands mit ihrem breiten sandigen Ufersaum, der zeitweise von Wellen überspült wird, und darum nie von Gras bedeckt ist, hier in diesem feuchten, losen, freien Sande am Wasser kommt er am besten zur Geltung. Hier drängt sich nicht Pflanze an Pflanze, hier hat jede Purpurweide ihren eigenen freien Stand, jeder Busch ist vom anderen weit entfernt. Aber die Purpurweide kommt auch sonst überall an Ufern vor, sie ist weit über Europa und Vorderasien hin verbreitet.

Die Kätzchen der Purpurweide sind nicht groß. An den so außerordentlich dünnen Zweigen kommen sie jedoch immerhin gut zur Geltung. Besonders die männlichen fallen sehr auf, da sie eine ziegelrote Farbe besitzen, die später in ein dunkles Schwarz übergeht. An den männlichen Kätzchen ist die Weide auch daran leicht zu erkennen, daß die Staubfäden mit einander verwachsen sind. Die Purpurweide pflanzt sich außerordentlich leicht durch Stecklinge fort, das hat sie allerdings mit vielen Weiden gemein, aber gerade die Salweide und die Werftweide wachsen nicht gut aus Schnittlingen.

Man sieht die Purpurweide oft als kleinen meterhohen Strauch, sie kann jedoch auch größere Dimensionen annehmen und ein riesiger Busch werden. Aber das Wort Busch paßt kaum für sie. Selbst bei einer Höhe von drei, vier Metern und einer ebensolchen Breite ist die Purpurweide doch eine so lichte und leichtgebaute Gehölzart, daß man bequem durch sie hindurch sehen kann.

Eine besondere Eigentümlichkeit sei noch von der Purpurweide erwähnt. Ihre Blätter schmecken außerordentlich bitter. Auch daran ist sie im Notfalle zu erkennen, wenn man sie vorher noch nicht kannte. Wem sie aber einmal gezeigt worden ist, der wird sie so leicht nicht mit anderen Weiden verwechseln. Dazu ist das Kolorit und die Form ihrer Belaubung zu auffällig. Die Purpurweide gehört zu unseren schönsten Weiden, sie kann sich getrost in jedem Park neben ausländischen Ziergehölzen sehen lassen. Leider aber sieht man sie hier nicht gerade häufig.

Manche Ähnlichkeit mit ihr besitzt die Korb- oder Bandweide. Wie schon ihr Name sagt, ist das die eigentliche Art, deren Ruten zur Korbflechterei Verwendung finden. Ihr ganzer Bau ladet förmlich dazu ein, sie zu diesem Zwecke zu benutzen.

Die Korbweide ist ein hoher breiter Busch. Von einem recht dicken Stamm gehen nahe am Boden eine große Zahl von aufrecht emporstrebenden äußerst langen Ruten aus. Einen Busch von senkrecht gestellten Ruten stellt sie dar. Sie hat das Schlanke, Biegsame, Lichte, Leichte der Purpurweide. Aber an Zierlichkeit kann sie sich doch nicht mit dieser messen. Sie ist in allem etwas derber und robuster. Das gilt allerdings nur im Vergleich zur Purpurweide, denn auch die Korbweide ist unter den Weiden, geschweige denn unter unseren sonstigen Gehölzarten, eine der graziösesten. Ihre Zweige sind sehr lang und geschmeidig, auch haben sie eine helle gelblich oder olivengrau glänzende Färbung. Ihre Blätter sind länglich lanzettförmig und laufen in eine lange energische Spitze aus. Sie sind oben dunkelgrün und haben häufig einen spiegelnden Glanz. Die Unterseite ist mit einem leuchtenden Seidenhaar besetzt. Der Rand der schmalen Blätter ist leicht umgebogen. Der Seidenglanz kommt besonders dann zur Geltung, wenn der Wind die Blätter bewegt. Während bei der Purpurweide aber die Belaubung so spärlich ist, daß das Gezweig ganz deutlich hervortritt, ist bei der Korbweide das Blattwerk energischer, es macht sich in seiner Masse immerhin bemerkbar, wenn man schon die einzelnen gerade aufsteigenden Ruten auch bei ihr erkennen kann. Mit der Grazie mischt sich bei ihr aber doch eine gewisse Straffheit, die sich in den langen geraden Trieben und in den langgespitzten, zu den Zweigen strikt senkrecht gestellten Blättern kundgibt.

Kurzum, bei vieler Ähnlichkeit im Bau mit der Purpurweide ist doch die Eigenart der Korbweide ausgeprägt genug, um ein festumrissenes individnelles Charakterbild zu ergeben.

Die Korbweide wird zur Flechterei schlechthin verwendet. Aber zu den zierlicheren Körben und Geflechten zieht man ihr die Purpurweide doch vor. Wie in allem, so ist die erstere auch in ihren Flechtruten robuster. Sie ist es auch in ihrem energischen Wachstum und in der Form und Größe ihrer Kätzchen. Diese Kätzchen zeichnen sich nicht gerade durch besondere Schönheit aus, aber sie sind doch nicht unscheinbar. Sie treten ebenfalls im Vorfrühling, noch vor Ausbruch des Laubes hervor. Schon dadurch geben sie dem Busch einen freundlichen Schmuck.

Gleich der Purpurweide liebt die Korbweide die Nähe des Wassers. An den Ufern von Flüssen,. Seen und Teichen ist sie fast überall anzutreffen. Sie gehört zu den Weiden, die noch allenthalben verbreitet sind, und deren Aussterben nicht im geringsten zu befürchten steht. Selbst wenn sie nicht so häufig kultiviert würde, wäre sie doch ein allgemein verbreiteter Strauch. Und sie ist nicht nur in Deutschland einheimisch, sie ist in ganz Europa und im nördlichen Asien zuhause.

Alle Weiden, über die wir bisher gesprochen haben, besitzen einen mehr oder minder strauchartigen Wuchs. Überhaupt sind fast alle Arten dieser Pflanzengattung, bei denen die Kätzchen vor den Blättern erscheinen, Sträucher. nur die Reifweide ist es ganz und gar nicht. Sie strebt in die Höhe, sie strebt aufwärts mit Ungestüm wie eine Pappel. Und sie wächst ganz unglaublich schnell, sie wetteifert darin mit den amerikanischen Pappeln. Es steckt etwas unaufhaltsam Emporstrebendes in ihr, in ein paar Jahren ist sie ein hoher Baum.

Die Reifweide ist ein aparter schöner Baum. Der Hauptreiz liegt in den dunkelroten Zweigen, die mit einem bläulichen Reif, ähnlich wie die Pflaumen, angelaufen sind. Danach heißt sie eben Reifweide oder auch Schimmelweide. Der Reif erscheint manchmal recht weiß, als hätten die Blätter einen Kalkanstrich, meistens ist er aber sehr schön hellblau, er gibt den Zweigen ein sehr ungewöhnliches lebhaftes Kolorit. Faßt man einen solchen Zweig der Reifweide an, so wischt man den blauen Schimmel sehr leicht weg, und dann kommt das Dunkelrot zum Vorschein. Daran kann man den Baum gut erkennen und von anderen Weiden unterscheiden.

Ein anderer Schmuck der Reifweide liegt in ihren Kätzchen. Diese sind recht groß, und sie erscheinen ganz früh im März, lange ehe die Blätter aus den Knospen hervorbrechen. Dann hängen sie in großer Anzahl an den langen, straff aufwärts gerichteten blauen Ruten des Baumes. Die Blätter haben die eigentliche Weidenblattform, sie sind länglich-lanzettlich, leicht gesägt und gehen in eine lange Spitze aus. Sie sind hellgrün, ohne besonders aufzufallen, passen aber in ihrer Schmalheit und Leichtigkeit zu dem schlank emporstrebenden Wuchse der Zweige.

Die Reifweide ist in ganz Europa einheimisch. In Deutschland ist sie nicht allzusehr verbreitet. Sie kommt namentlich am Ostseestrande, in den Rheinwäldern des Elsaß und Badens und im Bayerischen Gebirge vor. Im übrigen ist sie sogar sehr selten, allerdings ist sie neuerdings häufig angepflanzt worden. Sie wächst selbst auf Sandboden und wird deshalb namentlich am Seestrande zur Befestigung des Bodens oder auch auf Eisenbahndämmen zu demselben Zwecke verwandt. Sie hat die Fähigkeit, wie das allerdings bei fast allen Weiden der Fall ist, ihre Wurzeln sehr tief in die Erde zu senden, so tief, bis sie auf Wasser stoßen oder wenigstens eine frische Bodenschicht antreffen. So sieht man gerade diese Reifweide mitunter auf ganz lockerem Sandlande, wo kaum eine Kiefer gedeihen würde. Man ist höchst erstannt, hier eine Weide, ein so durstiges Kind feuchten Bodens zu finden, und sicher würde die Reifweide hier nicht gedeihen können, wenn ihre Wurzeln nicht in der Tiefe des Erdreichs Feuchtigkeit aufnehmen könnten.

Die Reifweide wächst nicht nur schnell zu einem Baum empor, sie wird sogar ein recht stattlicher Baum, bis zu 20 Meter Höhe kann sie es bringen. Sie ist nicht sehr breit gebaut, da ihre Äste und Zweige sich wenig vom Stamme aus wegneigen, vielmehr in dem unaufhaltsamen Streben nach oben, sich dicht an den Stamm anlegen. So bekommt die Reifweide meist eine sehr schmale Fignr, die in manchen Fällen sogar an die der Spitzpappel und der Zypresse erinnert. Auch im Winter nimmt sich der Baum mit seinen blauen Ästen und Zweigen sehr gut aus, er hebt sich durch sein Kolorit vorteilhaft von den düsteren Winterbäumen ab, ja er fällt durch das Ungewöhnliche der Färbung fast noch mehr auf als Buche, Espe Birke oder Goldweide.

Auch die letztere, die Goldweide, gehört zu den schöneren Arten der formenreichen Gattung. Sie ist allerdings nur eine Abart der Silberweide, und von dieser müssen wir zunächst reden. Mit ihr wenden wir uns zu den in viel weniger Arten vertretenen Weiden, deren Kätzchen zu gleicher Zeit mit den Blättern erscheinen.

Die Silberweide hat schmale lange Kätzchen, die in dem jungen weichhaarigen Laube infolge ihrer großen Anzahl doch leicht zu bemerken sind. Die Blätter haben eine lanzettliche zugespitzte Form, der Rand ist nur ganz schwach gezähnt. Sie besitzen infolge einer helleren Behaarung eine wenig ausdrucksvolle grüne, mehr graue Farbe. Dagegen sind die Unterseiten mit einem dichten weißglänzenden Seidenhaar bedeckt. Die Blätter sind es, die dem Baum den Namen Silberweide verschafft haben.

Gleich der Reifweide hat die Silberweide immer die Tendenz, zu einem Baume heranzuwachsen. Auch sie wächst ziemlich schnell, aber ihr Wachstum geht doch mehr in die Breite. Nicht als ob sie der Reifweide an Größe nachstünde, im Gegenteil, sie kann ein mächtiger Riese von 25 Metern werden. Aber ihr Stamm hat ein starkes Dickenwachstum und ihre Zweige laden breit aus wie die der Eiche und Linde. Eine alte Silberweide ist ein höchst malerischer Baum. Besonders am Wasser ist sie von großartiger Wirkung. Verschiedene Stimmungen gehen von ihr aus. Ihr breitschultriges Wesen mit dem umfangreichen Stamm und den mächtigen Ästen atmet die Ehrwürdigkeit alter Eichen. Aber in ihrem zierlichen flirrenden Laub spiegelt sich das leichte glitzernde Wellenspiel des Wassers ab. Dabei hat jedoch das silberglänzende Blattwerk auch etwas Welkes, Lebloses, Herbstliches wie alles Laub, das nicht grün ist. So ziehen durch diese dünnen Blätter, die im Winde von Grün zu Silber changieren, leise Töne der Melaucholie. Die Freude und der Ernst des Wassers, seine leichte glänzende Oberfläche und seine dunkle Tiefe finden in der Silberweide ein getreues Abbild.

Der Baum wächst auch auf Sandboden wie die Reifweide, und er verdankt diese Eigenschaft derselben Fähigkeit, seine Wurzeln in die Tiefe zu senden. An Gemeinde- und Feldwegen der Mark, die wegen ihres Sandes kaum zu passieren sind, findet man doch häufig alte Riesenstämme von Silberweiden. zu dem armen Gelände mit seinen armseligen Roggenfeldern, seinen mageren Kartoffeläckern und öden Sandsteppen paßt die bleiche Färbung des Baumes nicht schlecht. An solchen Stellen macht er überhaupt mehr einen grauen, griesgrämigen Eindruck, er hat hier nicht das leuchtende Silber der Artgenossen, die am Wasser stehen. Silberweiden werden auch häufig in Dörfern und in deren Nähe angepflanzt, des Schmuckes wegen. Aber der Baum liefert auch Flechtmaterial, und sein Holz wird zu allerhand landwirtschaftlichen Werkzeugen und Geräten, namentlich zu Stielen verwendet. Dieser Baum ist es auch, den man oft als Kopfweide in der Nähe von Ortschaften findet. Mit dem dicken Stamm, dessen oberer Teil, der Kopf, mächtig aufgeschwollen ist, und dem verhältnismäßig leichten Geäst, haben solche Kopfweiden etwas sehr Ernstes und Trübseliges.

Als Abart der Silberweide ist bereits die Gold- oder Dotterweide genannt worden. Sie hat in der Regel nicht die grauen, unterseits silberglänzenden Blätter, oder wenigstens tritt dieses Kolorit an ihnen weniger hervor. An der Goldweide ist alles viel mehr Frische und Lebhaftigkeit, ja sie macht den munteren, leichtlebigen Eindruck wie die meisten anderen Weiden. Sie besitzt Äste von einem leuchtenden Gelb bis Orangerot. Das gibt ihr etwas außerordentlich Freundliches. Selbst im Winter leuchtet sie mit ihren hellen Ästen frohsinnig aus der düsteren oder öden Landschaft hervor. Ihre Lebensgewohnheiten gleichen im übrigen der Hauptart, nur scheint sie auf sandigem Boden weniger zu gedeihen. Auch sie wird ein hoher, stattlicher Baum.

Der eigentliche Typus der Baumweiden ist die Knack- oder Bruchweide. Sie hat eigentlich alle die Eigenschaften, die man etwa im allgemeinen den Weiden zuschreibt. Andere haben indes alle noch etwas besonderes, das sie auszeichnet und worin sie selbständig sind. Man möchte sagen, die Knackweide hat nichts Individuelles; sie hat alles, was andere Weiden auch haben, und sie hat nichts, was diese nicht auch hätten. Nur eine Eigenschaft, an der man sie leicht erkennen kann und nach der sie den Namen führt, besitzt sie doch im Gegensatz zu anderen Arten. Das ist freilich nichts Erhebliches, und man kann es ihr äußerlich nicht ansehen. Ihre Zweige knacken nämlich sehr leicht an der Basis ab. Während man es bei anderen Weiden recht schwer hat, einen Zweig von einer Rute abzureißen, braucht man bei der Knackweide nur ein wenig mit dem Finger gegen den Zweig zu drücken, um diesen unter hörbarem Knacken abbrechen zu lassen.

Die Knackweide hat lange, lanzettliche, lebhaft grüne Blätter mit langer Spitze. Ihre Kätzchen, die erst nach Ausbruch des Laubes erscheinen, gleichen denen der Silberweide. Die Knackweide blüht ziemlich spät im Mai, viel später als alle anderen Weiden, mit Ausnahme der Lorbeerweide, die ihr äußerlich recht ähnlich ist, aber meist strauchartig wächst. Diese blüht mitunter selbst erst im Juni. Aber die Knackweide geht ihr darin auch nicht viel voran. In ihrem Wuchs gleicht sie der Silberweide; sie wird ein schöner breiter Baum mit einem dicken Stamm und erreicht eine Höhe von zwölf Metern. Sie wächst an Flußufern und an Wiesenrändern, wird aber auch häufig in der Nähe von Ortschaften angepflanzt. Sie ist eine der verbreiteren Weiden und kommt ebenso häufig vor wie Silber- und Salweide. In Europa und einem großen Teil Asiens ist sie heimisch. Ohne hervorragend schön zu sein oder besonders dekorative Elemente zu besitzen, vertritt sie doch das Leichte, Lebhafte, Freundliche des Weidengeschlechts aufs beste.

Im Anschluß an die Silberweide und die Knackweide mag auch eine diesen beiden verwandtschaftlich nahestehende ausländische Weide erwähnt werden, die Trauerweide. Sie heißt botanisch Salix babylonica. Linné hat ihr diesen Namen gegeben, er hielt sie nämlich für den Baum, an dem nach dem 137. Psalm der Bibel die Juden während der babylonischen Gefangenschaft ihre Lauten aufhängten, als sie an den Wassern des Euphrat saßen und weinten. Allein jene Weide war eine Pappel, die sogenannte Euphrat-Pappel.

Die Trauerweide selbst kommt weder am Euphrat noch überhaupt in Vorderasien vor, sie stammt ursprünglich aus China und Japan, und wurde von dort schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Europa gebracht. Es wurde aber nur der weibliche Baum durch Stecklinge verbreitet, und so sind alle Bäume der Trauerweide, die in Europa angepflanzt sind, weibliche Exemplare. Die Kätzchen erscheinen bei ihr mit dem Laub, sie gleicht überhaupt der Knackweide äußerlich am meisten, nur sind ihre Blätter viel schmaler. Der Hauptunterschied besteht aber darin, daß die jüngeren Aste und die Zweige bei der Trauerweide in elegantem Bogen überhängen. Durch diese scheinbare Erschlaffung der Zweige, durch dieses müde Herabneigen zur Erde wird die Weide zum Symbol der Trauer. Darum wird sie auf Friedhöfen häufig angepflanzt. Es gibt viele andere Bäume, die infolge ihrer herabhängenden Zweige als Trauerbäume kultiviert werden. Sie sind alle viel düsterer, das Bild der Trauer wirkt bei ihnen viel niederschmetternder. Bei der Trauerweide ist es ob seiner Grazie freundlicher und versöhnlicher.

Neuerdings wird eine andere japanische Weide als Hängeweide bei uns angepflanzt, die Salix elegantissima. Sie ist härter als die echte Trauerweide, und sie wächst schneller zum Baume aus. Ihre Zweige hängen senkrecht zur Erde herab. So macht sie einen etwas anderen, aber sicher einen ebenso schönen Eindruck wie die babylonische Trauerweide. Beide Bäume werden ziemlich hoch und breit, sie wirken namentlich durch die umfangreiche, bis zur Erde herabhängende Krone sehr malerisch.

Zum Schluß seien nur noch die kleinen niedrigen und kriechenden Weiden erwähnt, die namentlich auf unseren Gebirgen, zum Teil aber auch im hohen Norden wachsen. auch auf moorigen Wiesen lebt bei uns eine kleine Weide, die Kriechweide, deren Äste sich auf dem Boden lagern, um nur an ihren Enden kaum fußhoch in die Höhe zu streben. Sie hat kleine lanzettliche Blätter und ihre Kätzchen erscheinen vor dem Ausbruch des Laubes. Solche kleine Weiden gibt es in verschiedenen Arten auf unseren höheren Gebirgen und in den Polarländern. Hier wachsen sie teils in Mooren und an anderen feuchten Stellen, zum Teil überziehen sie das Gestein, ja, die Krautweide, ein ganz zwergiger Strauch, kriecht sogar mit ihren Stämmchen unter dem Moos und in den Felsenritzen des Hochgebirges dahin. An der Schneegrenze, wo fast keine Holzpflanze mehr zu leben vermag, stellen die Weiden noch ihren Mann. Gewiß haben sie hier ihre stolze Höhe, ihr freudiges Aufstreben ablegen müssen, sie sind zu kleinen unscheinbaren Pflanzen geworden, kaum zu unterscheiden von den niederen Kräutern des Hochgebirges und des Polarlandes. Aber sie schrecken doch vor der grimmigsten Kälte nicht zurück. Sie besitzen eine Zähigkeit, die man dem leicht gebauten, graziösen Weidengeschlecht nicht zutrauen möchte. Und doch ist es eine seiner vielen ansprechenden Eigenschaften, daß es sich leicht in vielerlei Lebensgewohnheiten zu schicken weiß.

Wilder Apfelbaum in NorddeutschlandWilder Apfelbaum in Norddeutschland

Unsere wilden Obstbäume.

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ie wenigsten von unseren Obstarten sind in unserem Vaterlande einheimisch. Die meisten sind vom Süden und Südosten her über Italien zu uns gekommen und haben sich bereits im frühen Mittelalter von den Klostergärten aus verbreitet. So sind nicht nur Pfirsiche und Aprikosen, Weinstock und Walnuß zu uns gekommen, sondern auch die Sauerkirsche und der Pflaumenbaum. Nur Apfel uud Birne und die Süßkirsche sind bei uns einheimisch. Aber die vielen edlen Sorten, die von den letzteren drei Baumarten jetzt allenthalben angepflanzt werden, stammen ebenfalls ans dem Mittelmeergebiet. Sie sind in Deutschland erst durch Kultur aus den wilden Arten entstanden und gehen auf diese znrück, die bei uns ebenso heimisch sind, wie in südlicheren und südöstlichen Ländern. So sind die Urformen unserer kultivierten Äpfel, Birnen uud Süßkirschen einheimische Bäume.

Es hat, auch in neuerer Zeit, nicht an Dendrologen und Botanikern gefehlt, welche selbst diese drei Obstbaumarten, die häufig in unseren Wäldern gefunden werden, nicht als eingeborene sondern als verwilderte angesehen haben. In alter Zeit sollen sie mit der Einwanderung des Menschen von Südosten her nach Deutschland gelangt sein, so daß die betreffenden Obstkerne schon unter den Pfahlbautenüberresten gefunden werden konnten. Nun ist es aber wenig wahrscheinlich, daß Bäume, die von Kleinasien stammen, bei uns in dem Grade verwildern sollten, daß sie als ganz eingebürgert betrachtet werden müßten. Es wäre auch nicht zu erklären, warum Pflaumen und Sauerkirschen, die gegenüber unseren klimatischen Verhältnissen abgehärteter sind als Süßkirschen, sich nicht ebenso bei uns eingebürgert haben sollten. Überdies kommt es tatsächlich vor, daß von unseren edlen Birn-, Apfel- und Süßkirscharten bisweilen ein Kern verschleppt wird und daraus Bäume hervorgehen. Allein diese verwilderten Bäume sind doch sehr leicht, sowohl nach ihrem Standort als nach ihren Früchten, von denen zu unterscheiden, die in unseren Wäldern seit alter Zeit wachsen. So nimmt man jetzt allgemein an, daß Apfel, Birne und Süßkirsche von Anfang an bei uns einheimisch waren.

Wenn irgendein Obstbaum, so kann der Apfel als ein deutscher Baum bezeichnet werden. Nicht nur, daß er in jedem kleinsten Dorfe angebaut wird und manche Landschaft von Apfelkultur lebt, der Apfel fühlt sich bei uns auch wohler als in irgendeinem anderen Lande. Der Apfelbaum bleibt bei uns am gesündesten und seine Früchte erhalten im deutschen Klima ein feineres Aroma und ein buntfarbigeres Kolorit als in südlicheren Ländern. Wohl gibt es dort einige vorzügliche Sorten wie den Rosmarin und den weißen Winterkalvill, aber im übrigen ist die heiße Sonne und die Trockenheit wärmerer Länder dem Apfelbaum weniger günstig. auch daraus kann man folgern, daß der Apfel eine einheimische deutsche Pflanze ist. Wir finden den wilden Apfelbaum, den sogenannten Holzapfel, überall in unseren Wäldern, besonders in den Laubwäldern der Gebirge. Auf dem Verwitterungsboden der Höhen gedeiht er ebenso gut wie auf dem Schwemmland der Täler und Auen und ist gegen Frost nicht empfindlich. Der Wildapfel bleibt meist ein kleiner Baum, bis über zehn Meter Höhe bringt er es selten. Er hat überhaupt nicht die Neigung, nach oben zu wachsen, sondern breitet sich gern nach den Seiten aus. Im geschlossenen Bestande des Waldes muß er freilich einen Stamm bilden, obwohl er sich am liebsten zu einem wirren Busch verzweigen möchte. Um aber geung Luft und Licht zu haben, muß er sich emporarbeiten, wobei der Stamm etwas schief wird. Die Krone geht beim Apfelbaum meist in die Breite, die Äste gehen wagerecht nach den Seiten ab und hängen nach dem Boden herab. Es steckt etwas Behäbiges und zugleich Knorriges im Apfelbaum. Seine Äste mit dem verschnörkelten Fruchtholz und den stumpfen Dornen, seine dicken Triebe mit den schweren, filzigen Knospen, seine Unregelmäßigkeit im Bau erinnern an die derbe Meisterkunst der Hans Sachs-Zeit. Der Besitz von Dornen ist übrigens ein Merkmal, das nur dem wilden Apfelbaum und noch mehr dem Birnbaum zukommt. In der Kultur bilden diese Bäume keine Dornen.

Die Gestalt des Apfelbaumes ist nicht schön zu nennen, aber er hat trotzdem eine Zeit, wo er den schönsten aller Holzpflanzen zur Seite gestellt werden kann: die Zeit der Blüte. Dann liegt ein unbeschreiblicher Zauber über den großen, in schönstes Weiß und Rosa gehüllten Blüten. Liebliche, dunkelrote Knospen und das junge, spärliche, glänzendgrüne Laub machen das Blühen noch schöner. Vielleicht ist es die Erinnerung an die Kindheit, der Gedanke an den Obstsegen, den diese Bäume spenden, der uns die Blüte des Apfelbaumes in besonderem Glanze erscheinen läßt. Eine Traulichkeit, eine Heimatfreude winkt uns aus dem blühenden Apfelbaum entgegen. Der erste zarteste Frühling ist schon vorüber, wenn der Baum blüht, aber er erzählt uns von der Fülle und der üppigen Pracht des Lenzes. Wenn er blüht, ist es mit dem Flor der Birnbäume und Kirschen bereits vorbei, und die Tage werden schon wärmer.

Vielleicht möchten die Blüten des Apfelbaumes manchem zu groß und stattlich erscheinen, um ihn für einen einheimischen Baum zu halten. Aber der Baum gehört zu den Pomaceen, und auch unsere anderen einheimischen Pflanzen dieser Familie haben schöne, große Blüten. Von der Birne abgesehen, braucht nur der Weißdorn und die Mispel genannt zu werden, die fast ebenso große herrliche Blüten besitzt wie der Apfelbaum. Auch die Früchte der Mispel sind beinahe so groß wie die des Holzapfels. Denn die Holzäpfelchen sind ziemlich klein und haben einen herben Geschmack, so daß sie jetzt für ungenießbar gelten. In früheren Zeiten hat der Mensch sie aber sicher gegessen, er pflanzte darum den Baum an, und so entstanden in der Kultur nach und nach wohlschmeckendere Sorten. Die Holzäpfel werden vom Wild gern verzehrt, wohl auch von manchen Vögeln, und von diesen Tieren werden die Samenkerne nach allen Richtungen hin verschleppt.

Obwohl dem Apfelbaum nahe verwandt, weicht der Birnbaum doch in seiner äußeren Gestalt und in seinen Lebensgewohnheiten erheblich von ihm ab. Der wilde Birnbaum hat zunächst denselben Verbreitungsbezirk wie der Wildapfel. Auch er wächst in unseren Wäldern, doch ist er weit seltener zu finden, als sein Verwandter. Er ist nicht so abgehärtet und steigt nicht so hoch ins Gebirge hinauf wie der Apfelbaum. In der Kultur werden die Früchte in warmen Gegenden schöner und aromatischer als in kühlen. Der Birnbaum liebt eine warme, trockene Lage. Ganz anders ist sein Wachstum als das des Apfels. Er strebt aufwärts, liebt eine größere Regelmäßigkeit in der Verzweigung und bildet, wo er nicht der Macht des Windes ausgesetzt ist, einen geraden, aufrechten Stamm. Seine Zweige gehen nach allen Seiten gleichmäßig auseinander, so daß leicht eine Pyramidenform entsteht, wie bei der Fichte. Ganz so stolz, ebenmäßig, so straff und jugendmutig wie die Fichte ist nun freilich die Birne keineswegs. Dazu trägt sie auch ein zu unscheinbares Kleid. Ihre Zweige sind mit struppigen Dornen und verrenkt aussehendem, kurzem Fruchtholz bedeckt. Ihre verhältnismäßig kleinen, fast ganzrandigen Blätter, haben einen verstaubten, graugrünen Farbenton. So macht der Birnbaum keinen besonderen Eindruck, aber er wird viel höher als der Apfelbaum und kann eine Höhe von zwanzig Metern erreichen. Diesem Aufwärtsstreben entspricht es, daß seine Wurzel tief in die Erde geht. Der Apfel breitet sich unter dem Boden nach allen Seiten aus, die Birne sendet eine lange Pfahlwurzel senkrecht in die Tiefe. Das Tempo ihres Wachstums ist aber kaum schneller als das des Apfels. Beide Bäume wachsen nicht allzu rasch, und sie werden erst nach Jahrzehnten fruchtbar. Darin sind ihnen unsere anderen Waldbäume, mit Ausnahme der Eichen und Buchen, überlegen. Gleichwie der Apfelbaum hat auch der Birnbaum seine Glanzzeit in der Blüte. Aber er wirkt nicht so bezaubernd wie jener. Gewiß ist er mit schönen weißen Blüten förmlich überschüttet, die bei dem Mangel des Laubes in ihrer ganzen schneeigen Fülle ausdrucksvoll hervortreten, aber zu derselben Zeit, Anfang Mai, blühen auch die Kirschbäume, und mit ihren duftigen Blüten können die der Birnen nicht wetteifern. Die Birnblüten sind nicht so blendend weiß, nicht so duftig und luftig wie die Kirschblüten. Die Fruchte des wilden Birnbaums sind kleiner als die des kultivierten und gelten heutzutage ebenfalls für ungenießbar. Von Tieren aber werden sie gern gefressen, und diese sind es auch, welche die Verbreitung der Birnen vermitteln wie die der Äpfel. Wenn indes die beiden Kernobstbäume immerhin seltene Erscheinungen in unseren Wäldern sind, so liegt das kaum daran, daß sie nicht Fruchtbar genug wären. Eiche und Buche sind nicht so fruchtbar, aber sie sind doch noch die Hauptbäume unserer Laubwälder. Das kommt daher, daß Eiche und Buche mächtige, hohe Bäume sind, die von anderen nicht so leicht unterdrückt werden können, sondern ihrerseits alle Pflanzen der Nachbarschaft einengen oder verdrängen. Der Apfelbaum verträgt den geschlossenen dumpf feuchten Bestand des Waldes noch besser als die Birne. Aber auch er muß ebenso wie die Birne schließlich in der Enge und Finsternis verkümmern. Beide erreichen nicht die Größe der anderen Waldbäume, auch ist ihr Laub nicht so schattig. So wachsen unter ihnen zwar Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, aber sie selbst verkümmern unter dem schattigen Blätterdach dieser Waldbäume. Wenn sie noch so schnellwachsend und frühzeitig fruchtbar wären wie die Birke, die Salweide und die Eberesche, würden sie sich trotz ihrer Lichtbedürftigkeit und ihrer bald eintretenden Altersschwäche halten können. So aber ist ihre Daseinskraft nicht groß. Sie gleichen darin den verwandten Pomaceengehölzen, dem Speierling, der Elsbeere, der Mehlbeere, die im Walde selten und dem Aussterben nahe sind. An dem seltenen Vorkommen des wilden Birnbaums und Apfelbaums hat wahrscheinlich auch der Mensch seine Schuld. Denn in den Wäldern pflanzt man diese Bäume nicht an. Wird ein Schlag abgeholzt, so werden die wilden Obstbäume mit gefällt, aber nicht wieder angepflanzt.

Auch die wilde Kirsche, die Vogelkirsche, leidet unter den ungünstigen Verhältnissen, unter denen heute viele nicht forstlich bevorzugte Bäume stehen. Aber sie ist in manchen Gegenden doch noch ein häufig anzutreffender Waldbaum. Sie ist von anderer Art als die beiden Kernobstbäume, in ihr steckt mehr Frische, Energie und Jugendlichkeit. Sie ist schnellwüchsig Und hochstrebend, in kurzer Zeit ist sie ein kleiner Baum und fängt bald zu blühen und zu fruchten an. Birne und Apfel haben die Neigung, sich zu verzweigen, und einen kurzen Stamm zu bilden. Die Vogelkirsche dagegen verzweigt sich erst hoch oben. Sie steigt gerade empor und bildet meist gerade Stämme. Die Stellung ihrer Äste ist eine regelmäßige, fast etwas steife. Aber die Äste streben mehr in die Höhe als beim Birnbaum, und so mildert das Jugendlich Aufstrebende die starre Regelmäßigkeit.

Im Gegensatz zu den beiden wilden Kernobstarten ist die Vogelkirsche ein dekorativer Baum. Er ist nicht nur zur Blütezeit schön, er besitzt zu jeder Zeit gewisse zierende Eigenschaften. Sein gerader schlanker Wuchs, sein frisches aufstrebendes Wesen erwecken Sympathie. Die Rinde des Stammes ist nicht so dunkel und borkig wie die der beiden anderen Obstarten, sondern glatt und hat eine rötlichbraune bis hellgraue Farbe. Die Vogelkirsche ist zudem ein stattlicher Baum, der den Apfelbaum weit überragt. Auch ihre Blätter wirken durch ihre große bewegliche Form dekorativer als das Laub der Apfel- und BirnBäume, sie sind an ihrem Rande mit energischen Sägezähnen versehen und haben eine lange Spitze. Obwohl sie von dünner Struktur und mattgrüner Färbung sind, so beleben sie doch mit ihrer Größe, ihrer Form und ihrer langen Spitze die schönen glattrindigen Zweige aufs beste.

Die Vogelkirsche hat indessen auch ihre besonderen Glanzperioden. Zur Zeit der Blüte gegen die Wende des April und zu Beginn des Mai gibt es nichts Herrlicheres als einen Kirschbaum, der über und über in den weißen Blütenflor gehüllt, die zarte Lieblichkeit des jungen Frühlings zum schönsten Ausdruck bringt. Diese Blüten hauchen einen wunderbaren Duft von Reinheit und Zartheit aus. Die Vogelkirsche teilt die Blütenpracht mit der Sauerkirsche, in der Anmut der Form und in der blendenden Reinheit des Weiß sind die Blüten der letzteren denen der Vogelkirsche sogar noch überlegen. Allein beide Bäume treten kaum je in Wettbewerb miteinander. Denn die Sauerkirsche ist der Kirschbaum der Sandgegenden, die Süßkirsche aber wächst in dem kalkigen Lehmboden der Laubwälder, und auch in der Kultur finden wir sie fast ausschließlich auf guten gehaltreichen Bodenarten. In unseren Wäldern aber wächst sie nur allein, denn die Sauerkirsche stammt aus Asien.

Die Vogelkirsche hat aber noch eine andere Glanzzeit, wenn sie im Juli mit den kleinen roten Früchten behängt ist. Ein voller Birnbaum oder Apfelbaum macht einen gutmütigen praktischen Eindruck. Bei der Vogelkirsche aber wirken die kleinen Früchte rein als Zierden. Der wilde Baum unterscheidet sich darin noch zum Vorteil von dem kultivierten. Denn obwohl auch bei ihm die glänzenden Kirschen freundlich aus dem reichen Laube hervorlugen, so hindert der Gedauke an den materiellen Genuß doch etwas die ästhetische Würdigung. Aber bei der Vogelkirsche tritt dieser Gedanke ganz in den Hintergrund. Die kleinen roten Früchte beleben den Baum, der schon an sich einen lebensmutigen Eindruck macht, noch mehr und passen gut zu seinem ganzen Wesen. Die Früchte sind wohl süßlich, besitzen aber kein Aroma. Die Kinder mögen sie gern, wie die Vögel, für die der Baum im Juli der liebste Aufenthaltsort ist. Sie sorgen auch dafür und werden weiter dafür sorgen, daß diese Wildkirsche nicht ausstirbt. Der schlanke Wuchs, die frühe Fruchtbarkeit, die ausgiebige Verbreitung der Früchte sind Eigenschaften, welche die Vogelkirsche vor dem Apfel und der Birne voraus hat. Wir haben Ursache, in unseren Wäldern, die ohnehin arm an Gehölzarten sind, alle drei wilden Obstbaumarten zu erhalten, am meisten aber die Vogelkirsche, die nicht nur als Urform der kultivierten Sorten interessiert, sondern auch einer der schönsten Waldbäume ist.

WeißdornbuschWeißdornbusch

Die Sträucher unserer Wälder.

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er in einem gut verwalteten Forst an den gleichaltrigen, gleichhohen und gleichstarken Bäumen auf schnurgeradem Gestellwege dahinwandelt, der bekommt möglicherweise auf Meilen hin keine andere Gehölzart zu sehen, als die eine, die den Forst bildet. Diese heutige “rationelle” Forstverwaltung, die einzig auf die Holzerzeugung des Waldes bedacht ist, vertreibt, wo sie streng durchgeführt ist, alle die schönen und mannigfaltigen Sträucher, die eine so große Zierde des Waldes bilden. Selbst allbekannte Buschpflanzen wie die Hasel, der Holunder, der Weißdorn, um die sich Sage nnd Dichtung seit alter Zeit geschlungen und die mit dem Leben und der Tätigkeit des Menschen ehemals so eng verknüpft waren, beginnen in manchen Waldgegenden ganz zu fehlen. Da werden eben anf einmal große Schläge vollständig abgeholzt, jeder Baum, jeder Strauch wird ausgerodet und der kahle Schlag wird dann mit einer und derselben Baumart wieder aufgeforstet. In Reih und Glied, in dichten Linien stehen dann die jungen Kiefern, Fichten, Buchen, Eichen, und der Samen von Sträuchern, der etwa zwischen sie fällt, findet keinen Platz mehr zum Gedeihen. Und so wird wohl Jahr für Jahr ein neuer Schlag eines Waldreviers abgeholzt und aufgeforstet, und das geschieht nun schon seit einem halben Jahrhundert oder noch länger. Da ist es kein Wunder, daß die Sträucher, die zumal als Unterholz schon an und für sich nicht die allergünstigsten Lebensbedingungen haben, an vielen Orten immer seltener werden.

Es steckt freilich in vielen unserer Waldsträucher eine überaus große Zähigkeit. Fast alle wachsen außerordentlich schnell in die Höhe. Holunder, Wildrosen, Liguster, Faulbaum, Pfaffenhütchen wachsen alle um ein sehr Vielfaches schneller als Fichte, Kiefer, Eiche, Buche. An Samenertrag sind die Sträucher unserer Wälder reich. Viele haben Früchte mit auffälliger Färbung, die von Vögeln sehr leicht bemerkt werden können. Von den Früchten sind viele eßbar, auch für den Menschen. Haselnüsse, Schlehen, Hagebutten, Brombeeren und Himbeeren, die Früchte von Weißdorn, Sauerdorn und Holunder werden vielfach von Menschen, namentlich von Kindern verschleppt. Da sammelt irgendein wilder Bengel Haselnüsse und füllt damit seine Tasche. Einige verliert er dabei im Dickicht, andere benützt er als Wurfgeschoß, um sie seinen jüngeren Brüdern an den Kopf zu schleudern, und den Rest, den er nicht sofort vertilgen kann, wirft er womöglich weg. Die Haselnüsse, die gegessen werden, sind freilich für die Vermehrung des Strauches verloren, aber eine einzige genügt ja schon, einen neuen Strauch eutstehen zu lassen, der zehn und mehr Jahre lang Früchte tragen kann. In der Regel liegt aber das Fruchtfleisch rings um einen harten, ungenießbaren oder unverdaulichen Kern. In diesem Falle wird kein Samen vernichtet. Jeder Mensch, jedes Tier, das solche Frucht ißt, wird der Verbreiter des Strauches, von dem die Frucht stammt. Die für den Menschen nicht genießbaren Früchte des Pfaffenhütchens, Hartriegels, Schneeballs und anderer Buschpflanzen finden doch in der Regel dankbare Abnehmer und Verbreiter.

Die meisten unserer Waldsträucher haben aber - und das kommt ihnen ganz besonders zustatten - die Fähigkeit, aus dem Wurzelstock wieder auszuschlagen, wenn ihr Stamm über dem Boden abgehauen worden ist. In den kleinen Privatwäldern Mitteldeutschlands werden meist Abholzungen in der Weise vorgenommen, daß Baum wie Busch über dem Erdboden abgeschlagen werden. Die meisten Sträucher (und auch die jüngeren Bäume) schlagen dann aus den Wurzeln wieder kräftig aus. Es dauert nicht lange, so sind wenigstens die Sträucher wieder zur alten Herrlichkeit emporgewachsen. In früheren Zeiten nahm man sich wohl überhaupt nie die Mühe, einen Busch mit den Wurzeln auszugraben. Irgendein Drechsler brauchte ein recht zähes Holz. Da ging er in den Wald und schnitt einen Hartriegelstrauch über der Erde ab. Der Strauch schlug in kurzer Zeit wieder aus den Wurzeln hervor, die Prozedur hatte ihm kaum etwas geschadet. Jetzt dagegen geht man beim Abholzen eines ganzen Waldes an solchen Strauch direkt mit der Absicht heran, ihn zu vernichten. Man sieht ihn als Unkraut an, das die schöne militärische Gleichförmigkeit des Bestandes zerstört und womöglich den Holzertrag vermindert. So wird er mit dem ganzen Wurzelwerk ausgegraben, vernichtet, er und seine Nachkommenschaft. Immerhin ist es mühevoll, alle diese in den Augen des rationellen Forstmannes wertlosen Sträucher mit den Wurzeln auszugraben, und so bleibt doch Mancher Wurzelstock unbeschädigt, aus dem sich der Strauch regenerieren kann.

Man könnte vielleicht annehmen, daß in früherer Zeit in den hohen zusammenhängenden Urwäldern die Lebensbedingungen für die Sträucher auch nicht die günstigsten gewesen seien. Unter hohen alten Bäumen schwindet gewöhnlich jedes Unterholz, da es ihm Sowohl an Licht als auch an Raum zur Ausbreitung der Wurzeln gebricht. Allein wie noch heute die Urwaldstellen des Böhmerwaldes zeigen, darf man sich einen solchen Naturwald nicht als einen gleichmäßigen Bestand uralter Bäume denken, vielmehr herrscht gerade in ihm die größte Verschiedenheit in der Ausnutzung des Raumes. Stürzt nämlich so ein alter Baumriese, der seine Äste nach allen Seiten weit ausgestreckt und alles um sich her unterdrückt hat, so entsteht eine sehr große Lücke, und hier kann sich sowohl der junge Baumnachwuchs, wie auch die Sträuchervegetation Jahrzehnte hindurch breit machen. So gibt es allenthalben freie Stellen, wo Sträucher günstige Gelegenheit zum Gedeihen finden. Auch in unseren Gebirgswäldern und in den Laubwäldern der Ebene, in denen die Baumarten in gemischten Beständen angebaut werden, finden die Sträucher noch gute Unterkunft. In Gebirgswäldern wehrt sich die Natur mit ihrem mannigfach geformten Terrain, ihrer abwechslungsreichen Bodenart, ihrer schwierigen Zugänglichkeit erfolgreich gegen den Bureaukratismus der Menschen. Hier herrschen daher mehr ursprüngliche Verhältnisse, die der Strauchvegetation günstig sind. In den gemischten Laubwäldern der Ebene aber findet das Unterholz insofern passende Bedingungen, als die verschiedenen Baumarten sehr ungleichmäßig wachsen. Der Bestand ist dann nicht so gleichförmig, es gibt eher Lichtstellen, an denen ein Strauch sein Unterkommen finden kann.

Von dem Maße der Beleuchtung hängt es wesentlich ab, ob in einem Walde Sträucher gedeihen können oder nicht. Allerdings ist das Lichtbedürfnis bei den einzelnen Arten fehr verschieden. Den meisten Schatten ertragen die Traubenkirsche, das gemeine Geißblatt, Pfaffenhütchen, Faulbaum, Haselnuß. Sehr wohl als Unterholz befindet sich auch die Weißbuche. Sie tritt so häufig als Baum auf, aber sie bildet in schattigen Wäldern oft das einzige Unterholz, sie wächst in diesem Falle ganz strauchartig, und sie bleibt hier ein Strauch ihr Leben lang. Am wohlsten fühlen sich aber fast alle Sträucher am Waldrande. Hier haben sie Licht und Luft in Fülle, hier entwickeln sie sich denn auch meist, wenn der Boden nicht ganz aus trockenem Sande besteht, sehr üppig, hier blühen und Fruchten sie in reichstem Maße. Wenn man sich einem Walde nähert, so macht dieser daher oft einen sehr vollen, reichhaltigen Eindruck. Und der Eindruck hält an, wenn man den Wald auf einem guten Wege durchschneidet. Denn die Wegränder bieten ja dem Strauchwerk ungefähr dieselbe Leichtigkeit des Lebens wie der Waldrand selbst. Dringt man aber durch die dichte Buschwand hindurch in das Innere des Waldes hinein, so sieht man hier oft genug den Boden kahl, nur mit Blättern, Moos, Farnen oder höchstens Sauerklee bedeckt. In neuerer Zeit haben die meisten Wälder eine Menge Wege erhalten, viele Bergwälder sind geradezu von einem dichten Netz von Touristenwegen zerschnitten. Hier hat die moderne Kultur also viel zur Ausbreitung der schönen Waldsträucher beigetragen. Denn viele von diesen gedeihen wirklich gut nur an Randstellen. Berberitze, Schlehe, Schneeball, Himbeere gedeihen zwar als Unterholz, blühen und fruchten aber fast nur am Waldrande.

Einer der bekanntesten und nützlichsten aller Sträucher ist die Hasel. Sie ist ein robuster, stiller, prunkloser Strauch. Sie hat keinen Zierrat, keine auffallenden Blüten oder Früchte, aber es steckt eine große Kraft in ihr. Sie kann bis vier Meter hoch und sehr breit werden. Ihr Stamm, der sich allerdings meist bald über dem Erdboden oder schon unter der Erde in eine Menge von Stöcken zerspaltet, kann unter guten Verhältnissen eine Baumartige Stärke erreichen. Darin verrät die Hasel ihre hohe Abkunft, denn sie stammt aus der Familie der Birkengewächse, zu der Birken und Erlen und Weißbuchen gehören, sie ist ein Kätzchenträger. Ganz früh im Frühjahr, zu allererst von allen Gehölzarten, oft schon im Februar, fangen die Kätzchen, die bereits den Winter über in geschlossenem Zustande an den Zweigen hängen, an, sich zu strecken und zu blühen. Sie sind sehr unscheinbar, die männlichen Kätzchen bilden einen langen, lockeren Zylinder, die weiblichen ein mehr kugelförmiges, viel kleineres Gebilde, aus dem karminrote Narben hervorschauen. Stößt man an den Strauch an, wenn er so mit den langen, lustigen Kätzchen behängt ist, so bricht aus diesen eine Wolke gelben Blütenstaubes. Nach kurzer Blüte schrumpfen die männlichen Kätzchen zusammen und fallen ab, die weiblichen aber bilden sich im Laufe des Sommers zu Früchten, den bekannten Haselnüssen, aus.

Die Hasel hat ziemlich schlanke, aber immerhin steife Ruten. Ihre Blätter sind groß, rundlich, ungegliedert, etwas rauh. Kurzum, sie hat ein recht schweres, dichtes Laub. Ueberrascht Einen im Sommer ein Regen, so duckt man sich am besten in einen Haselstrauch, falls einer in der Nähe steht. Da hat es gute Wege, ehe das Wasser durchdringt. Mit den dichtbelaubten Zweigen treiben wir in meiner Heimat, in Sachsen, die Fliegen aus der Stube. Der Haselstrauch ist dort der gewöhnlichste Strauch, und an Fliegen hatten wir auf unserm Bauernhofe, wo es außer anderem Vieh auch eine Menge Schafe gab, stets Überfluß. Aber die vollen Zweige eigneten sich vorzüglich zum Verjagen der lästigen Insekten. Das Volle, Derbe des Laubes drückt sich in der ganzen Gestalt der Hasel aus. Sie wird, wo sie sich ganz ihrer Eigenart gemäß entwickeln kann, ein hoher, kugelrunder Busch. Unter Bäumen aber wächst auch sie in einzelnen langgestreckten Stöcken empor.

Die Hasel ist nicht gerade wählerisch im Boden, sie wächst auch noch auf Sandboden, wenn dieser nicht gar zu dürr ist. Aber hier trägt sie doch wenig Früchte. In Norddeutschland spielt daher die Hasel im Volksleben keine so bedeutende Rolle. Anders in Mittel- und wohl auch in Süddeutschland. Hier ist sie in allen Laubwaldungen, zumal in den kleinen Bauernwäldern, aber auch allenthalben in den Hecken der Gärten überaus häufig. Der Boden ist hier überall sehr gut und hier tragen die Sträucher fast Jahr für Jahr ungemein reichlich. Wird eine Hecke geschnitten, ein Bauernwäldchen abgeholzt, so wächst doch die Hasel sehr schnell wieder in kräftigen Trieben in die Höhe. Sie ist hier unverwüstlich und niemandem ist sie im Wege, jeder hat eine gewisse Sympathie für sie.

Das Angenehmste, das die Hasel den Menschen liefert, ist ihre Frucht. Sie ist von einer grünen, dünnen, gefranzten Hülle derart umschlossen, daß nur die Spitzseite hervorschaut. Wird die Nuß braun und reif, dann Springt sie leicht aus der dürr gewordenen Hülle heraus. Handelswert hat unsere Haselnuß wenig, da an ihrer Stelle meist die Lambertnuß zur Erzeugung der für den Handel bestimmten Hafelnüsse kultiviert wird. Aber gerade weil sie nicht gesammelt wird, um verkauft zu werden, darum ist sie in vielen Gegenden für Jung und Alt ein Gegenstand reinster Freude. Als wir Kinder waren, erwarteten wir die Haselnußzeit mit einer großen Spannung. Es war eine Sache, bei der es um die Ehre ging. Das heißt: Anstandssache war es auch, daß man nicht vor dem 1. September “in die Haselnüsse” ging. Aber so lange konnten wir unmöglich warten. Wir gingen gut ein, zwei Wochen früher, fanden dann oft den Kern der Nüsse noch völlig ungenießbar und mußten uns obendrein die Verachtung älterer Leute gefallen lassen. Aber es galt möglichst viel zu sammeln, jeder wollte den Rekord im Haselnußsammeln erreichen. Wir Kinder hatten nun einen sehr gefährlichen Konkurrenten in meinem Onkel, der in einem Nachbardorf wohnte und der ebenfalls mit Leidenschaft und viel Erfolg Hafelnüsse Sammelte. Der brachte jedes Jahr wohl so viel Metzen zusammen, wie wir Schock, er wanderte allerdings weiter umher als wir, die wir uns auf einen Umkreis von etwa einer halben bis dreiviertel Meile von unserm Dorfe beschränkten. So ein Auszug nach den kleinen Wäldchen der Umgegend war für uns Kinder, aber selbst für einige erwachsene Personen, die sich daran beteiligten, ein wahres Fest. Es ging uns weniger um den Genuß der Nüsse, als um das Durchstreifen und Absuchen der Büsche, wobei einer dem andern die dichtbehängten Zweige vor der Nase wegnahm. Mitunter mußte man auch auf einen starken stämmigen Busch, dessen Stöcke nicht herabzubiegen waren, hinaufklettern. Dann konnte es passieren, daß man mit dem Zweige zusammenbrach und wohl gar in einen der lieblichen Bäche fiel, die dort häufig an den Rändern der kleinen Laubwäldchen entlang fließen. man bekam eine große Übung im Erkennen und Erhaschen der Nüsse. Nichts ist wohl überhaupt gesunder für Leib und Seele als solch ein Waldesleben. Wir blieben gewöhnlich so lange, bis wir müde und hungrig waren. Dann setzten wir uns an den Waldrand und zählten die Beute. Wer am meisten hatte, dem fiel die allgemeine Achtung zu. Die Nüsse wurden in ziemlich primitiver Weise von der Hülle befreit, indem wir auf diese mit den Zähnen bissen. Es war ein sehr herber, zusammenziehender Geschmack, die Zähne wurden ganz stumpf davon, aber das kümmerte uns wenig. zu Hause augekommen, schütteten wir die Nüsse in einen Beutel und hängten diesen am Fenster auf, doch so, daß der Beutel im Freien hing und die Nüsse gehörig trocknen konnten. Nach jedem neuen Ausflug vermehrte sich der Inhalt des Beutels. Es wurde angestrebt, die Nüsse bis Weihnachten aufzubewahren. Den wenigsten gelang dies. Viele waren Naschkatzen und aßen die Nüsse sofort nach dem Sammeln. In diesem ungetrockneten Zustande schmeckten sie übrigens sehr zart, Mancher zog die frischen Nüsse den getrockneten sogar vor.

Das Holz der Hasel ist zäh und fest. Es wird zum Korbflechten, zu Faßreifen, zu Stöcken, Eggehaken und dergleichen benutzt. Für uns Jungen war das Haselholz unentbehrlich, wir brauchten es zu Bogen, um Spatzen zu schießen oder uns gegen einen Überfall von “Feinden” gewappnet zu halten. Man konnte nicht wissen, ob nicht unser kleines Dorf einmal der Schauplatz eines kriegerischen Einfalls werden könnte. Die Zeitungen schrieben immer von solchem Zeug, und wir Jungen glaubten damals daran. Wir brauchten aber das Holz der Hasel auch zu Sprenkeln, um Rotkehlchen zu fangen. Glücklicherweise fingen sich die lieblichen Singvögelchen nicht so leicht. Das Holz war überhaupt für sehr viele Zwecke brauchbar, für Lanzen, Stecken, Wassermühlen und all die ähnlichen Gerätschaften, die wir Kinder damals zu einer standesgemäßen Lebensführung für nötig erachteten.

Eine ähnliche volkstümliche Bedeutung wie die Hasel hat auch der Holunder. Es gibt in Deutschland wohl wenig Dörfer, in denen dieser Strauch nicht in dem oder jenem Winkel, hinter einer Scheune, im Garten, an Schuttplätzen vorhanden wäre. Aber in den Wäldern ist er wohl doch nicht so häufig wie die Hasel. nur weil er, abgesehen vom Walde, auch in der Nähe der menschlichen Wohnungen, ja hier mit Vorliebe zu Haufe ist, darum ist er so eng mit dem Leben des Landvolkes verknüpft. In der massigen Bauart, in seiner Größe und Breite, in der Dichtigkeit des Laubes, in seinem raschen Wachstum und seiner starken Triebkraft nach dem Zurückschneiden ist der Holunder der Haselnnß sehr ähnlich. Im übrigen ist er ein Strauch von ganz anderer Art. Er gehört zu den Geißblattgewächsen, denen außer ihm noch unsere Waldsträucher Geißblatt und Schneeball angehören. Seine weißen Blüten sind zu einem doldenartigen Stand angeordnet. Im Juni ist der Strauch mit diesen großen weißen Scheiben von Blüten, die stark duften, ganz überdeckt. Er sieht dann, zumal wenn er einen mächtigen breiten, fünf Meter hohen Busch bildet, sehr stattlich aus. aus den Blüten entwickeln sich zu Ende des Sommers kleine schwarze Beeren. Der Holunder hat gefiederte Blätter, aber die Fiederblättchen sind so groß, daß das laub gar nichts von der Zierlichkeit besitzt, die vielen fiederblättrigen Gehölzen, z. B. der Akazie, Eberesche oder gar der Gleditschie eigen ist. Das Massige, Derbe des Strauches gibt sich schon in den jungen Trieben kund, die sehr stark sind. Allerdings bleiben sie lange krautig; sie sind mit einem dicken Mark erfüllt, das auch in den mehrjährigen Zweigen und Stöcken eine recht große Stärke behält.

Der Holunder oder Holder wird oft auch Flieder genannt, obwohl dieser Name jenem bekannten Zierstrauche mit den schönen, herrlich riechenden, meist lilafarbigen Blütensträußen zukommt. Mit ihm hat der Holunder aber doch sehr wenig Gemeinsames. Der Holunder liebt einen fetten, feuchten Boden. In der Nähe von Dungstätten, an verwilderten, wenig ausgesogenen Stellen gedeiht er vorzüglich. In den Wäldern sucht er sich ebenfalls die feuchten, fruchtbarsten Stellen aus. In den Kiefernwaldungen Norddeutschlands trifft man ihn häufig an den Rändern, die an Wiesen oder an Seen grenzen. Da er sehr leicht durch Samen verbreitet wird und die Sämlinge sehr schnell wachsen, so überzieht er namentlich in Fruchtbaren Laubwäldern Lückenstellen, die durch Ausrodung, durch Wind- oder Wasserschaden entstanden sind.

Das Holz des Holunders, namentlich das alte, ist sehr hart und zäh; es dient deshalb zu feineren Drechslerarbeiten. Das schneeweiße Mark wird, zu kleinen Kugeln geformt, wegen seiner elektrischen Eigenschaften zu Experimenten in der Physik benutzt. Beliebt sind die Beeren, die, zu Mus gekocht, als Hausmittel verwendet werden oder zur Bereitung von Holundersuppe dienen. Die Blüten liefern den bekannten Fliedertee, der, wenn ich nicht irre, dieselbe Bedeutung wie Lindenblüten-, Kamillentee und ähnliche Teearten besitzt. Er hat wohl nie einem geschadet, und das ist immerhin anerkennenswert an solchen Hausmitteln. Als wir Kinder waren, hatten wir freilich noch viel schönere Beziehungen zum Holunderstrauch. Er roch allerdings nicht sehr gut, das Laub hat so etwas Ungelüftetes, Modriges. Wie angenehm duftete dagegen die Hasel - wir Schlingel kannten jeden Strauch und Baum am Geruch. Die Holunderbeeren dienten uns als Lockspeise für die oben erwähnten Sprenkel. Wir fütterten damit auch die gefangenen Rotkehlchen, wie denn diese Beeren überhaupt bei vielen Vögeln sehr beliebt sind. Das herrlichste aber war das Holz des Holunders. Wir schälten davon Stücke zwischen zwei Knoten heraus, dann bohrten wir das Mark aus dem Holze und nun stellte dieses ein schönes Brunnenrohr dar, das bei uns wassertechnische Verwendung fand, indem wir die Rohre aneinandersetzten, an einer Seite Wasser hineingossen, das dann zur andern wieder herauslief. Noch besser war solch ein Holzstück als Knall- und als Spritzbüchse zu verwenden. Die letztere war eine wirkliche Spritze; das Wasser kam in schönem Strahl daraus hervor, mündete dann freilich irgendwohin, wo es nicht sollte, in das Gesicht eines Schornsteinfegers oder auf die Wäsche, die zum Trocknen aufgehäugt war. Kurzum, die Sache wurde von Erwachsenen gewöhnlich nicht mit viel Verständnis aufgenommen, und es gab dann manchen Ärger. Harmloser waren die Knall- oder Platzbüchsen. Bei ihnen wurde ein Pfropfen mit lautem Knall durch Luftzusammenpressung herausgetrieben. Der Knall war dabei die Hauptsache, mit dem Pfropfen konnten wir zu unserem großen Bedauern niemanden verwunden, geschweige denn totschießen.

Es gibt in Deutschlands Wäldern noch eine andere Art des Holunderstrauchs, den Traubenholunder. Der wächst aber nur auf den Gebirgen. Im Riesengebirge, in der Sächsischen Schweiz, im Harz, überall ist er häufig. Hier bildet er einen schönen Schmuck der Waldränder und der lichten Waldstellen. Seine Fiederblätter sind, obwohl auch groß, doch schöner, glänzender, er wird aber nicht so massig. Herrlich sind seine scharlachroten Beeren. Weniger zierend sind dagegen die Blüten, die in gelblich-weißen, eiförmigen Rispen zeitig im Frühjahr erscheinen. Das Holz findet dieselbe Verwendung wie das des gemeinen Holunders.

Schönheit und Nützlichkeit vereint am besten von unseren Waldsträuchern der Weißdorn. Das ist auch solch ein Riese wie die Haselnuß und der Holunder, ja noch mehr als sie. Er gehört ja zu den Kernobstgewächsen, gleich dem Apfel und der Birne, und etwas von der Kraft unserer besten Obstbäume besitzt auch er. Seine Blätter sind aber so schön gelappt und die Triebe sind so dünn, daß er mit der Kraft doch große Anmnt verbindet. Aber man darf sich ihm nicht unvorsichtig nahen. O weh, er hat gar scharfe Dornen. Kein Vieh kann von diesem Strauch ein Blatt abweiden, er ist so gut bewehrt wie die Wildrosen, obwohl seine Dornen gerade sind und keine Widerhaken besitzen. Etwas später als unsere Obstbäume, meist gegen Ende Mai erst, blüht der Weißdorn. Es sind schöne, blendend weiße Blüten von duftigem Bittermandelgeruch. Sie gleichen etwa denen des Birnbaums, sind nicht ganz so groß, aber ebenso in größerer Anzahl vereint. Aus den Blüten werden gegen den Herbst hin rote kugelige oder ovale Früchte. In manchen ist bloß ein Kern, in anderen sind bis drei. Man unterscheidet nämlich zwei Arten: den gemeinen und den spitzblätterigen Weißdorn. Beide sind aber einander sehr ähnlich, und sie verhalten sich in ihren Lebensgewohnheiten ganz gleich. Der letztere hat gewöhnlich nur einen Griffel und einen Kern in der Frucht, er hat spitze, gelappte Blätter und blüht etwas später als der gemeine Weißdorn. Die Früchte besitzen ein mehliges, etwas trockenes Fleisch. Die Kinder nennen die Früchte Mehlfäßchen und verzehren sie mit gutem Appetit. Für uns waren sie neben Schlehen und allenfalls Hagebutten eine willkommene Erquickung, wenn wir vom Haselnußsammeln müde und hungrig geworden waren.

Der Weißdorn ist ziemlich auspruchslos in der Bodenart. An den Rändern von Laubwäldern kommt er überall vor. Man trifft ihn auch, gleich der Heckenrose, häufig an Feldwegen; der Dornen wegen wird er gern als Heckenstrauch verwendet. Als solcher eignet er sich auch darum noch besonders gut, weil er den Schnitt vorzuglich verträgt. Allerdings wird er viel von Raupen heimgesucht. Sein Holz ist ebenfalls sehr fest und zäh und findet deshalb zu feineren Gerätschaften Verwendung.

Viel Ähnliches und wiederum auch recht viel Verschiedenes vom Weißdorn besitzt der Schwarz- oder Schlehdorn. Er gehört zu den Steinobstgewächsen, ja, er ist nichts anderes als eine Pflaumenart. Der Schlehdorn kommt nur als Randstrauch, zumal an dürren sonnigen Abhängen vor. Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Sträuchern ist er sehr klein. Er kann wohl mannshoch werden, bleibt aber gewöhnlich in knapper Meterhöhe stecken. Er wächst außerordentlich sparrig und sieht fast immer struppig aus, einige Zweiglein sind verdorrt. Dabei ist er ganz schwarz und düster und dazu hat er große Dornen, die aber nicht gar so schlimm sind wie sie aussehen. Gestochen haben wir uns wohl kaum, wenn wir das Schlehengestrüpp auf unseren Pferden - es waren Haselruten - durchritten, und auf die Hosen kommt es einem braven Reitersmann nicht an. In der kurzen Blütezeit zu Ende des April nehmen sich die kleinen Schlehensträucher aber ganz schön aus, wenn sie mit den reinweißen Obstblüten überschüttet sind. Auch die immerhin großen runden blauen Früchte im Herbst verschönern den unscheinbaren Strauch. Sie sind außerordentlich herb. Wer nie unreife Äpfel und Birnen gegessen, nie die Weinbeeren schon im Augnst gekostet, nie auf dem Felde Kartoffeln im Kräutigfeuer gebraten und mit der Schale gegessen hat, kurz, wer nie als Kind auf dem Lande gelebt hat, der lasse die Hand von dieser Frucht. Essig ist nichts dagegen. Er ist nur sauer, aber die Schlehe ist außerdem noch herb, daß man nach einer Mahlzeit von einigen Dutzend Früchten eine Zunge so hart wie Schuhleder bekommt. Wir aßen sie damals als Kinder aber dennoch mit viel Wohlgeschmack.

Sehr saure Früchte besitzt auch der Sauerdorn, der auch Berberitze heißt. Botanisch hat er mit dem Weiß- und Schwarzdorn nichts zu tun, er gehört zu einer Pflanzenfamilie, die nach ihm den Namen führt und die den Hahnenfußgewächsen nahe steht. Er ist ein recht zierlicher, eleganter Strauch. Die Blätter sind rund, und ihr Rand ist in der Weise gesägt, daß die Sägezähne in zierliche Wimpern auslaufen. Die Dornen sind dreiteilig oder gar fünfteilig, und mit diesen stolzen Waffen ist der Strauch dicht besetzt. Die kleinen gelben Blüten stehen in Trauben. Aus ihnen entwickeln sich im Herbst schöne hellrote längliche Beeren, die eine sehr angenehme Säure enthalten. Sie können deshalb einen Ersatz für Zitronen bilden. Die Berberitze kommt auch nur an Waldrändern vor. Noch mehr bevorzugt sie den Rand von kleineren Gebüschen oder bildet selbst ein niederes Buschwerk an Wegrändern. Der Strauch wird auch häufig in Parkanlagen angepflanzt. Er enthält in seinem Holze, in der Rinde und in der Wurzel einen gelben Farbstoff, der zum Färben benutzt wird.

An dornigen Sträuchern fehlt es in unseren Wäldern nicht. Die unangenehmsten Dornen besitzen die Wildrosen, unter denen die Heckenrose (Rosa canina) die bekannteste ist. An sonnigen Waldrändern können wir die Heckenrose öfters antreffen, obwohl ihr gewöhnlichster Standort die Feldwege, Raine, vernachlässigte Landstellen sind. Sie ist ein Strauch von wunderbarer Schönheit. Wenn im Juni die zahlreichen, talergroßen, offenen Blüten aus den zierlich geschlitzten Kelchen und dem feinen, gefiederten Laube hervorstrahlen, dann ist der Strauch von einer unbeschreiblichen Anmut. Der Reiz jungfräulicher Unberührtheit, “morgenschöner” Jugend liegt über ihn ausgegossen. Viel anheimelnder, unserer Eigenart entsprechender ist diese innige, ästhetische Schönheit der Wildrose als die volle Üppigkeit, der exotische Prunk der gefüllten Gartenrosen, die aus Asiens glutdurchhauchtem Klima stammen.

Die Heckenrose kann ein sehr großer, voller Busch werden. Auf gutem Boden und in voller Sonne gedeiht sie am besten. Aber sie nimmt auch mit geringerem Sandboden vorlieb, wird hier allerdings nicht sehr hoch. An schattigen Stellen, von anderen Büschen dicht umdrängt, bildet sie nur einzelne lange, dornige Ruten, die gewöhnlich nicht blühen. Die Dornen gleichen in der Form dem Schnabel eines Raubvogels. Sie sind an der Basis sehr dick, verjüngen sich aber nach der Spitze hin immer mehr und sind dabei sehr krumm gebogen, so daß sie sich fest in das Fleisch einhaken. Wir vermieden es wohlweislich, mit unseren Haselrutenpferden durch Wildrosengestrüpp zu reiten. Die großen Früchte dagegen, die schönen roten Hagebutten, erregten immer unser Interesse. Zwar im eigentlichen Herbst war ihr Fleisch zu hart und schmeckte nicht recht nach etwas, aber wir brachten die Früchte mit nach Hause und hier wurde wohl öfters ein Kompott von ihnen gekocht, eine äußerst delikate Sache von einem ganz eigenartig feinen Aroma. In den späteren Herbstmonaten und im Winter wurden dann die Früchte weich, und sie schmeckten sehr angenehm, es war aber immer schwierig, das Fleisch von den Kernen zu trennen, und diese sind von Unmengen kleiner Haare oder Borsten umgeben, die einem leicht in der Kehle hängen bleiben und da sehr unangenehm kratzen und kitzeln. Die Früchte sind übrigens eine sehr große Zierde des Strauches, wenn sie sich röten, erwacht er noch einmal zu großer Schönheit. Er ist aber an und für sich mit seinen etwas graugrünen schmalen Fiederblättchen und seinen überhängenden Zweigen ein eleganter Strauch. Im Sommer sieht er freilich, zumal an Wegen, sehr verstaubt aus, auch leidet er viel von Ungeziefer. Raupen, Blattläuse, Käfer setzen ihm mehr als anderen Sträuchern zu.

Die geschätztesten Früchte, die es in unseren Wäldern gibt, liefern der Himbeer- und der Brombeerstrauch. Beide sind einander in vielen Stücken ähnlich, sie sind ja auch Arten einer und derselben Gattung. Von den Himbeeren gibt es nur eine, von den Brombeeren jedoch sehr viele einander allerdings recht ähnliche Arten. Als Rosengewächse haben die Himbeeren und Brombeeren fünfzählige, staubfädenreiche Blüten. Diese sind weiß wie die unserer Obstbäume und der Erdbeere. Himbeeren und Brombeeren blühen aber erst spät, nachdem sie schon lange ihr volles Laub entwickelt haben. Darum sind bei ihnen die Blüten nicht so wirksam. Äußerlich unterscheiden sich die beiden Sträucher dadurch am auffälligsten, daß die Himbeeren rote, die Brombeeren schwarze Früchte und außerdem Dornen besitzen. Sonst sind die Sträucher einander sehr ähnlich. Sie bilden immer ein niederes, wirres Gestrüpp und man kann sie fast als Unkraut im Walde betrachten. Sie haben die Eigentümlichkeit, daß sie Fruchte immer am alten zweijährigen Holze tragen. Jedes Jahr treiben sie neue Wurzelschosse, die aber erst im zweiten Jahre blühen und tragen, um alsdann wieder abzusterben. in Norddeutschland wachsen Himbeeren und Brombeeren fast nur in den Erlengebüschen, in die der Kiefernwald nach Wiesen und Seen zu übergeht. Sie sind hier nur an einzelnen Orten zahlreich. Im übrigen Deutschland dagegen gibt es fast an jedem Wald- und Gebüschrande eine Menge sehr ertragreicher Himbeer- und Brombeersträucher. Die letzteren bilden wirre, undurchdringliche Mauern vor den übrigen Büschen und den Bäumen des Waldes. Der Reichtum an Früchten ist sehr groß. Als wir Kinder waren, aßen wir uns jeden Tag ein- oder mehrmals an den herrlichen Beeren satt. Wenn die Süßkirschen im Garten sich dem Ende näherten, dann begann die Saison für die Himbeeren. Gegen Ende August war es mit diesen vorbei, darauf begannen die Brombeeren, die dann etwa bis zur Haselnußsaison anhielten. Eine Herrlichkeit folgte so schön der anderen, gerade als ob es jemand absichtlich so eingeteilt hätte.

Ebenso ähnlich einander wie die beiden erwähnten Sträucher sind die Heidel- und Preiselbeeren. Sie sind auch ebenso nützlich wie jene, ja der Handelswert ihrer Früchte ist wohl noch größer. Am üppigsten gedeihen die Preisel- und Heidelbeeren im Gebirge, zumal unter den Nadelbäumen. auch in den norddeutschen Kiefernwäldern bedecken, soweit das Terrain nicht ganz dürr ist, Heidelbeeren häufig den Boden. Die Preiselbeere behält ihr schönes glänzendes Laub auch im Winter, dagegen wirft die Heidelbeere ihre Blätter in der kalten Jahreszeit ab. Beide sind sehr niedere Pflanzen, die im gewöhnlichen Leben gar nicht als Sträucher gelten. Allein sie sind in ihren Stengeln und ihren Wurzeln holzig und sie dauern sehr lange Jahre aus.

Alle diese vier Beerensträucher sind unscheinbare, unbedentende Sträucher. Die Brombeeren, die mit ihren langen dornigen Zweigen weit ausgreifen, sind im Walde meist recht lästig, da man sich sehr leicht an ihnen festhakt. Es gibt aber in unseren Wäldern noch manchen schönen Strauch, der freilich weniger Nutzen gewährt. Neben Weißdorn und Heckenrose zeichnen sich Pfaffenhütchen, Schneeball und Traubenkirsche (Prunus padus) vor allem durch ihre zierenden Eigenschaften aus. Die letztere, die sehr viel Schatten verträgt, kommt namenlich in feuchten Wäldern und Gebüschen vor. Ihre weißen Blüten bilden schöne Trauben, mit denen der Strauch im Frühjahr dicht behängt ist. Sie ähnelt im Laub unseren Kirschen, wie sie ja auch eine wirkliche Kirschenart ist. Sie kann eine beträchtliche, baumartige Höhe erreichen. Ihre Fruchte sind klein, sie besitzen eine schwarze Farbe. Sind bei der Traubenkirsche die Blüten der Schmuck des Strauches, so sind es bei dem Pfaffenhütchen die Früchte. Das Pfaffenhütchen oder der Spindelbaum ist ein gedrungener Strauch, dessen ovale Blätter eine sehr tiefe dunkle Färbung besitzen. Die Blüten sind unscheinbar, aber die Früchte, die im Herbst reifen, sind sowohl in Farbe wie in Form sehr auffällig. Sie sind karmoisinrot, später springen sie aus und dann hängen aus der roten Fruchtschale die orangefarbenen Kerne heraus. Sind diese Farben schon auffallend in unserer Waldflora, so ist es die Gestalt der Früchte noch mehr. Sie gleichen mit ihren Kanten und Ecken dem Barett eines katholischen Geistlichen, daher stammt auch der Name des Strauches. Das Pfaffenhütchen ist recht anspruchslos im Boden, es leidet allerdings an dürren Stellen sehr häufig derart unter Raupenfraß, daß die Zweige völlig kahlgefressen sind. Sehr schön ist der Schneeballstrauch. Seine Blätter sind ahornartig gelappt und besitzen einen spiegelnden Glanz. Etwa zu Pfingsten ist der Strauch mit großen weißen scheibenartigen Blütenständen bedeckt. In der Kultur werden diese Blütenstände meist kugelig, alsdann gleichen sie in ihrer weißen Farbe den Schneebällen, daher hat denn der Strauch auch seinen Namen. Im Herbst hat sich aus jedem Blütenstand ein herrlicher Strauß knallroter Früchte entwickelt. Der Schneeballstrauch liebt viel Feuchtigkeit, er wächst daher besonders an solchen Waldrändern, die feuchte Wiesen oder Gewässer abgrenzen. Ein schöner Strauch ist auch das Gemeine Geißblatt (Lonicera xylosteurn), das besonders in Buchenwäldern gern wächst. Die rundlichen Blätter haben wenig Auffallendes, dagegen sind die gelblichen Blüten in ihrer zweilippigen Form recht anmutig. auch die roten Beeren sind eine Zierde des Strauches.

Eine eigentümliche Melancholie liegt über dem bekannten Wacholderstrauch, der mit seinen seinen Nadelblättern und in seiner säulenartigen Form ein schmuck unserer norddeutschen Kiefernwälder ist. In Laubwäldern sehr verbreitet ist der Seidelbast; das ist ein kleiner niederer Strauch, der im zeitigen Frühjahr schon blüht. Er besitzt recht schöne rosenrote Blüten. Seine roten Früchte sind giftig, der ganze Strauch enthält brennend scharfe Stoffe.

Unter den unscheinbaren Sträuchern sind der Faulbaum und der Kreuzdorn die verbreitetsten. Sie sind zwei Arten einer und derselben Gattung. Ihre Blüten sind unbedeutend, ihre Früchte klein und schwarz. auch das Laubwerk hat nichts Auffallendes. Der Kreuzdorn hat Dornen, die aber nicht sehr gefährlich sind. Der Faulbaum wächst noch in sehr nassem Boden, der halb moorig ist. In den norddeutschen Kiefernwäldern gibt es allenthalben fennige Stellen. Sie sind meist von Faulbaum eingerahmt. Frischen, wenn auch nicht nassen Boden liebt auch der gemeine Hartriegel, der, obwohl mit jenen beiden nicht verwandt, doch in der Unscheinbarkeit seiner Blüten und schwarzen Früchte ihnen gleicht. An Größe erreicht er sie nicht, er wird allenfalls mannshoch, der Faulbaum wird größer, der Kreuzdorn kann einen bedeutenden Umfang und eine baumartige Höhe erreichen. Zu den unscheinbarsten Sträuchern unseres Waldes gehören auch die wilden Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche, die hier und da ein niederes Unterholz bilden.

Unser Wald zeigt nicht die Mannigfaltigkeit der tropischen Urwälder. Es fehlt nicht nur der Reichtum an Gehölzarten, sondern vor allem auch die üppigen Schlinggewächse und die Epiphyten. Allerdings fehlen diese nicht gänzlich. Wir besitzen sogar mehrere Sträucher, deren Zweige klettern und sich um andere Pflanzen schlingen. Da ist vor allem der allbekannte Efeu, der in unseren Laubwäldern bisweilen bis in die Wipfel der Bäume emporklettert. Indem er seine Luftwurzeln in die Rinde der Bäume bohrt, gibt er diesen mit seinen lederartigen, immergrünen Blättern einen malerischen Schmuck. Auch das deutsche Geisblatt kann sich ziemlich hoch an Bäumen emporschlingen. In Blatt und Blüte dem gemeinen Geißblatt ähnlich, liebt es doch mehr den Waldrand als der Efeu, dem es in des Waldes tiefsten, schattigsten Gründen am wohlsten ist. Ein kleiner Schlingstrauch ist das Bittersüß, ein naher Verwandter der Kartoffel, ein Nachtschattengewächs mit violetten Blüten und großen roten Beeren. Es liebt feuchte Stellen. Hier schlingt es sich öfter gegen zwei Meter hoch in die Gebüsche der Erlen und des Faulbaumes.

Wir haben auch zwei Epiphyten unter unseren Sträuchern. Der bekannteste Schmarotzerstrauch ist die Mistel. Sie thront hoch oben im Geäst der Waldbäume und bildet dort einen kleinen, etwa halbmeterhohen Busch, der mit seinen hellen, harten, länglichen, eigentümlich gestellten Blättern und seinen weißen Beeren recht fremdartig ausschaut. Ihm verwandt ist der andere epiphytisch lebende Strauch, die Riemenblume. Sie ist der Mistel sehr ähnlich, doch etwas größer. Sie gehört nicht eigentlich zur Flora des Deutschen Reiches. Von Böhmen aus ist sie nach Sachsen eingedrungen. Hier wachsen in der Umgegend von Pirna diese seltsamen Sträucher in den Ästen der Eichen.

Besitzen unsere Wälder nicht die Üppigkeit und Mannigfaltigkeit südlicher Urwälder, so bergen sie doch gerade in ihren Sträuchern noch eine genügende Buntheit der Gehölzwelt. Die Sträucher sind gerade zahlreich genug, um es an Abwechselung nicht fehlen zu lassen, aber ihre Mannigfaltigkeit ist nicht so übergroß, daß man sie nicht leicht kennen lernen könnte. Man kann zu ihnen ein vertrauliches, persönliches Verhältnis gewinnen und sich dadurch den Naturgenuß, den der Wald spendet, tausendfach erhöhen. -

Wiese im SpreewaldWiese im Spreewald

Wald und Wiese.

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eine Landschaftsform hat etwas so Freundliches, Liebliches und Bewegliches wie die Wiese. Wir stellen sie uns vor als einen Teppich von frischen, grünen Gräsern, der mit Myriaden von bunten Blumen durchwirkt ist. Nirgends sind die Farben so reich und lebhaft wie auf der Wiese. Im Wald, auf der Heide, im Moor gibt es wohl einzelne freundliche Blumen, aber sie verschwinden hier unter der Gewalt einzelner, ernster Hauptfarben, die das Ganze charakterisieren. Hier auf der Wiese herrscht Buntheit. Darum erscheint sie uns als ein Bild der Freundlichkeit und des Frohsinns. Wir stellen sie uns gern vor in der Pracht der Pfingstzeit oder des Hochsommers, wenn die Sonne aus blauem Himmel über sie scheint. Etwas Sonniges, Lichtes, Freudiges hat jede Wiese.

Allein auch Beweglichkeit ist das Kennzeichen der Wiese. Sie verändert sich unaufhörlich. Sie spiegelt die Zartheit des Frühlings und die Fülle des Sommers ebenso wieder wie die Düsterkeit des Herbstes und die Leere des Winters. Das hängt damit zusammen, daß die Wiese nur aus krautartigen Gewächsen besteht, die im Frühjahr aus dem Boden hervortreiben, um zu wachsen, zu blühen und zu fruchten und dann im Herbst wieder in ihren oberirdischen Teilen völlig abzusterben. Das hängt aber ferner auch mit dem großen Reichtum an verschiedenartigen Pflanzen zusammen, die in Wachstum, Färbung, Blütezeit und Lebensdauer nicht miteinander übereinstimmen. Die Wiese ist ein sehr günstiger Boden für das Gedeihen der Pflanzen. Da Bäume fehlen, die so viel Platz wegnehmen, so können sich an ihrer Stelle zahlreiche Gewächse niederlassen. Der Raum für Pflanzenentwickelung ist also verhältnismäßig viel größer. Sodann hat aber eine Wiese hinreichend Feuchtigkeit, und Wasser ist ja nun einmal das Haupterfordernis für das gute Gedeihen der Pflanzenwelt. Der Boden ist also gewissermaßen für alle Arten von Gewächsen gleich gut. Darum haben so viele von ihnen hier ihre Heimat gefunden. Die Gewächse sind, weil krautartig, nicht allzu groß, sie sind überhaupt in der Größe einander ziemlich gleich. So hat jede einigermaßen dieselben Bedingungen, und das begünstigt natürlich wieder die Mannigfaltigkeit in der Pflanzenzusammensetzung der Wiese.

Nun mag es auffallen, warum auf der Wiese keine Bäume wachsen. Wie kommt es, daß ein Stück Land eine Wiese und kein Wald ist; mit anderen Worten: wie entsteht eine Wiese? Der Boden muß selbstverständlich feucht oder wenigstens frisch sein, wo sich Graswuchs entwickeln soll. Auf dürrem und trockenem Boden finden wir keine Graslandschaft. Die Gräser wachsen um so üppiger, je höher der Grundwasserstand ist. In solchem Boden, bei dem das Wasser bis nahe an die Oberfläche herantritt, gedeihen die meisten Bäume nicht mehr. Aber es gedeihen aus ihm doch noch Erlen, Weiden und Straucharten, die sich ohne Zweifel des Terrains bemächtigen würden, wenn den Gräsern nicht ein anderes Moment zu Hülfe käme. Die Wiese entsteht in der Natur auf solchen fruchtbaren Ländereien, die zeitweise überschwemmt sind. Überschwemmung, stehendes Wasser auf einige Wochen, das erträgt kein Baum. Er geht zugrunde, und die Gräser und andere Wiesenpflanzen nehmen den Boden ein. Die Überschwemmung braucht nicht einmal regelmäßig zu sein, sie braucht nur ganz selten, nur im Laufe von Jahrzehnten oder noch weit größeren Intervallen, einmal einzutreten. Sie vernichtet den Baumwuchs, und die Wiese entsteht. Die Gräser bilden bald eine so dichte Decke, daß der Same von Gehölzarten gar nicht keimen oder, wenn er schon keimt, nicht so leicht aufkommen kann. So ist durch eine einzige lange Überschwemmung, die die meisten und jedenfalls alle holzartigen Pflanzen tötet, das Terrain zu einer Besiedelung von Wiesengewächsen freigegeben. Und haben diese es einmal inne, so überliefern sie es nicht wieder den Pflanzen anderer Vegetationsformen. Überschwemmungen, die namentlich in Flußtälern vorkommen, erstrecken sich bisweilen sehr weit ab vom Ufer, und sie bringen den Wasserstand oft auf eine sehr bedeutende Höhe über dem normalen Niveau. So entstehen dann, wenn das Wasser zurückgetreten ist, Wiesen von sehr verschiedenem Grundwasserstand. Liegt dieser jedoch gegen einen Meter und mehr unter der Bodenoberfläche, so wird der Graswuchs spärlicher, es entsteht je nach Beschaffenheit des Bodens eine Steppe oder Heide oder ein Anger, der mit der Zeit eventuell dem Walde weichen muß. Früher mag das größere Weidevieh, wilde Rinder, Schafe und Ziegen, der Waldbildung an solchen Stellen viel Abbruch getan haben.

So entsteht in der Natur eine Wiese von freien Stücken. Heutzutage, wo bei uns der Mensch fast jedes Stück Boden mit Beschlag belegt hat, sind sehr viele Wiesen Erzeugnisse der Kultur. Der Mensch läßt hier keine Bäume aufkommen, er mäht junge Sämlinge von Weiden, Erlen, Faulbaum usw. ab; das zweimalige Abmähen im Jahre zerstört jeglichen Baumwuchs. Wie so der Mensch der Umwandlung der Wiese in eine andere Vegetationsformation entgegentritt, so hat er anderseits viele Wiesen künstlich geschaffen, indem er die Auewälder ausrottete. Wiese und Ackerland geben einen höheren Ertrag als der Wald. Wo ein Stück Wald landwirtschaftlich benutzt werden konnte, da wurde er beseitigt. Stand er auf Boden mit niedrigem Wasserstande, so wurde er in ein Feld umgewandelt; war der Boden, auf dem er sich befand, feucht, so mußte er der Wiese Platz machen.

Von nichts hängt die Beschaffenheit der Wiese so ab, wie von der Höhe des Wasserstandes. Pflanzenzusammensetzung und Pflanzengedeihen ist außerordentlich verschieden, je nach der größeren oder geringeren Feuchtigkeit des Bodens. Ein Stück Wiese, das um einen halben Fuß höher liegt als ein anderes benachbartes, kann ganz mager sein, während auf dem letzteren das üppigste Gras wächst. Ein anderes Stück, das einen Fuß tiefer liegt, enthält dagegen eine Pflanzenzusammensetzung, in der die Halbgräser vorherrschen. So gibt es die mannigfaltigsten Übergänge zwischen einem trockenen Graslande und einer Wiese, die man wegen ihrer Nässe kaum betreten kann. Ein Beispiel, das für viele Verhältnisse, namentlich Norddeutschlands, charakteristisch ist, mag hier erwähnt werden. Das Dorf, in dem ich wohne, besitzt ein größeres Wiesenland am linken Ufer der Spree. Der Fluß fließt hier etwa in der Mitte seines alten, breiten Strombettes, das er sich am Schlusse der Eiszeit mit seinen gewaltigen Wassermassen ausgewühlt hatte. Diese linke Hälfte des gewaltigen Strombettes stellt nun unser Wiesenland dar.

Im großen und ganzen bohrt sich fließendes Wasser eine Mulde aus. In der Mitte ist diese am tiefsten, am Rande am höchsten. Das gilt im allgemeinen auch für unser Wiesenland. Direkt an der Spree zieht sich ein Streifen sumpfigen Landes hin, das überhaupt kaum festen Boden hat. Dann kommt der Reihe nach, je weiter man sich vom Flusse entfernt, immer weniger feuchtes und endlich ziemlich trockenes Land, bis zuletzt vor der alten Uferwand, die sich viele Meter hoch über der Talsohle erhebt, ein Streifen dürresten Sandlandes sich hinzieht. Da nun die Parzellen, die jedem einzelnen von uns “Kolonisten” zugeteilt sind, nicht parallel, Sondern rechtwinklig zum Flusse gehen, So enthält jede die ganze Skala von der Sumpfwiese bis zur Sandsteppe. Allein, das ist nur das allgemeine “ideale” Schema dieser Wiesenlandschaft. Tatsächlich ist die Mulde nicht - und sie ist es auch nirgends anderswo - so regelmäßig gebildet. Die großen breiten Wasserströme, die einst Norddeutschland durchzogen, hatten allem Anschein nach keinen reißenden Lauf, wie etwa die Isar bei München oder auch nur die Elbe in der sächsischen Schweiz. Sie schleppten sich in breiter Ebene dahin, wie heute die Havel oder wie der Rhein in Holland. Es gab dabei besonders ruhige Stellen, an denen sich der Sand und Schlamm, den das Wasser mit sich führte, ablagerte. So entstanden inselartige Erhebungen, wie wir sie heute ja auch in den Sandwerdern der Havel haben. Das flach muldenförmige Strombett erhält dadurch allenthalben Unebenheiten, breite Buckel, langgezogene Rücken, die bald in der Mitte, bald mehr oder minder nahe am Ufer liegen. Nun handelt es sich hier zwar selten um größere Höhen, und auch in der erwähnten Wiesenlandschaft betragen die Niveauschwankungen nur wenige Fuß, selten einige Meter. Aber fur eine Wiese sind, wie bereits erwähnt, auch sehr kleine Niveauunterschiede, eben weil sie die Höhe des Wasserstandes verändern, von sehr großer Bedeutung.

In dem bergigen Mittel- und Süddeutschland ist das Wiesenland meist viel schmaler als in dem ebenen Norddeutschland. Dort graben sich die Flüsse und die Bäche viel tiefer in den Boden ein, und sie haben sich auch früher viel tiefer eingegraben, so daß ihr Bett meist sehr steil muldenförmig in das Land eingeschnitten ist. Dadurch konnte sich nur ein verhältnismäßig schmaler Streifen Wiesenboden zu beiden Seiten des Gewässers bilden. Dafür aber sind Flüsse und zumal Bäche eine viel häufigere Erscheinung als in der niederdeutschen Ebene. Und jeder kleine Bach hat sein Wiesenland, das ihn links und rechts begleitet. Im Gebirge endlich entstehen Wiesen leicht aus allen nicht zu steilen Halden und Hochplateaus, sobald sie von Baumwuchs, sei es infolge zu hoher, kalter Lage, sei es durch das Weidevieh oder durch Hochwasser oder durch den Menschen entblößt sind. Die kühle Luft, der häufige Nebel und Regen, der kurze Sommer begünstigen den Graswuchs ungemein. Diese Gebirgsmatten sind also vom Grundwasserstand und von der Nähe der Gewässer viel unabhängiger als die Wiesen der Ebene.

So verschieden nun die Wiesen in ihrer Pflanzenzusammensetzung und in ihrem landwirtschaftlichen Wert sind, so können wir hier doch vor allem zwei verschiedene Arten unterscheiden: die Graswiesen und die Halbgraswiesen. Letztere, die auch saure Wiesen genannt werden, spielen in dem ebenen zu Moor- und Sumpfbildungen geneigten Norddeutschland eine weit größere Rolle als in dem übrigen Deutschland, die Gebirge ausgenommen. Sprechen die Dichter von Wiese, gebrauchen wir das Wort, so ist damit immer die Graswiese gemeint, diese liebliche freundliche Graslandschaft mit den unzähligen Blumen. Die echten Gräser suchen hier die Vorherrschaft. Einige besondere Eigenschaften nämlich besitzen die Gräser, die sie für die Eroberung freien Landes außerordentlich geeignet machen. Sie vermehren sich sehr gut auf vegetativem Wege, und zwar treiben sie aus ihren Wurzeln immer neue Schosse empor, so daß von der Mutterpflanze aus nach allen Seiten hin neue Individuen entstehen. Für die Pflanze ist die Platzfrage die wichtigste aller Lebensfragen. Auf solch offenem, freiem Felde, wie es die Wiese ist, drängen sich die Pflanzen zusammen, jede möchte an Terrain gewinnen, und sie kann es nur, indem sie sich nach der Seite hin ausdehnt, um die Nachbarn zu verdrängen. Im Walde Suchen die Gehölzpflanzen einander zu überwachsen und durch Überschattung von obenher die Nachbarn zu unterdrücken. Auf der Wiese handelt es sich weniger um das Überwachsen, als um das seitliche Verdrängen. Alle Pflanzen sind ja etwa gleich hoch. Alle sterben in ihren oberirdischen Teilen im Winter ab und müssen im Frühjahr ihr Wachstum von vorn beginnen. Da hätte es keinen rechten Zweck, den Schwerpunkt des Platzkampfes auf das Überwachsen zu legen. Vielmehr galt es, den Nachbar von der Seite her zurückzudrängen. Und die Gräser erwiesen sich in ihrer Eigenschaft, durch Bestockung ihren Umfang ringsum zu vergrößern, als die geeignetsten Wiesenpflanzen. Besonders vorteilhaft für sie ist es, daß die Bildung von Wurzelschossen nicht weit ab von der Mutterpflanze erfolgt. Die jungen Triebe kommen dicht neben den alten hervor. So wächst die Pflanze gewissermaßen in die Breite, und so drängt sie am besten den Nachbar zurück. Es kommt dazu, daß die jungen Sprosse ganz dünn und spitz sind, das macht sie so recht geeignet, jede kleinste freie Bodenstelle zu durchbrechen und sich überall zwischen anderen Pflanzen durchzuschlängeln. Diesen Eigenschaften haben es die Gräser zu verdanken, daß sie weite Gebiete überziehen, daß sie rasenbildend wirken. Die Voraussetzung ist allerdings, daß der Boden Feucht ist. Die Gräser sind außerdem wenig empfindlich gegen Kälte. Sie wachsen im zeitigen Frühjahr schon sehr gut und sie treiben noch im Herbst weiter. Auf etwas kühlem, frischem Lande sind sie darum allen anderen krautartigen Gewachsen überlegen.

Um auf Wiesen ihr Fortkommen zu finden, mußten alle anderen Wiesenpflanzen ähnliche Eigenschaften erwerben wie die Gräser. Vor allem kam es für sie darauf an, ihre Lebenszeit möglichst zu verlängern. Einjährige Gewächse, die erst keimen und sich mühsam aus dem Keim entwickeln müssen, um dann im Herbst wieder auszusterben und den schwer errungenen Platz wieder freizugeben, waren für die Wiese nicht geeignet. So sind denn auch mit sehr wenigen Ausnahmen alle Wiesenpflanzen ausdauernd. Viele von ihnen teilen die Eigenschaft der Gräser, Rasen zu bilden. Sie treiben aus ihrem Wurzelstock neue Schosse hervor, oder sie bilden Ableger und Ausläufer, durch welche der Platz der Pflanze nach allen Seiten ausgedehnt, die Nachbarn zurückgedrängt werden. Nun besitzen zwar wenige Wiesenkräuter ein solches Wachstum wie die Gräser. Diese durchbrechen den Boden gewissermaßen leicht und unbemerkt mit ihren feinen, spitzen Trieben und drängen sich mit ihnen verstohlen zwischen anderen Pflanzen durch. Letztere aber ersetzen oft durch Kraft, was sie durch Gewandtheit nicht vollbringen können. So haben viele Wiesenpflanzen, wie z. B. der Löwenzahn, die bekannte Kuhblume, oder die Distel einen sehr stämmigen Wurzelstock, aus dem der Trieb im Frühjahr das Erdreich durchbohren kann. Vermögen die hervorgetriebenen Pflanzen nicht durch Stockausschlag ihr Terrain zu vergrößern, so wachsen sie wenigstens mächtig in die Breite. Viele bilden namentlich im Frühjahr eine breite Rosette, um sich Platz zu verschaffen. Einige Rasenpflanzen kriechen auch über den Boden dahin, wie der kriechende Günsel und die Gundelrebe, sie bilden dabei an günstigen Stellen neue Wurzeln aus dem Stengel oder senden auch, wie der kriechende Hahnenfuß, ihre Ausläufer weit von der Mutterpflanze weg, um sie irgendwo neue Plätze für sich ausfindig machen zu lassen.

So wichtig lange Lebensdauer und vegetative Vermehrung zur Behauptung des alten Platzes und zur Vergrößerung desselben für die Wiesenpflanzen ist, so können sie doch die Ausbildung von Samenkörnern nicht vernachlässigen. Man möchte nun denken, daß das Wiesenterrain so dicht mit Pflanzen besetzt ist, daß kaum ein Samenkorn eine Möglichkeit finden könnte, auf freien Boden zu kommen und zu keimen. Allein einmal mag in früheren Zeiten das Wiesenterrain sehr geschwankt haben. Durch stehendes Wasser bei Überschwemmungen wurden Waldesteile und Buschgehölze hier und da vernichtet. Es wurden also Ländereien frei, auf denen die Samen der Wiesenpflanzen günstigen Boden zum Keimen fanden. Sodann aber werden auch heute noch Wiesen bei der Überschwemmung ganz mit Sand oder Schlamm bedeckt. Früher, als die Wasserläufe noch nicht so gut reguliert waren wie heutzutage, sind Überschwemmungen sicher weit häufiger gewesen, und sie haben wohl im allgemeinen einen weit größeren Umfang gehabt als jetzt. Die Landwirte in der Umgebung von Berlin erzählen allgemein, daß durch die zahlreichen Kanalverbindungen zwischen den Flüssen der Wasserstand allenthalben niedriger und Überschwemmungen von Wiesen seltener geworden sind. Allein selbst wenn das Wiesenland fest umgrenzt ist und Überschwemmungen gänzlich ausbleiben sollten, So wird die geschlechtliche Vermehrung der Wiesenpflanzen dennoch nicht überflüssig sein. durch Tiere wird nämlich der Boden von seinem Pflanzenwuchse hier und da entblößt. Die rohe Erde kommt zum Vorschein und gewährt den Samenkörnern Platz zum Keimen. Früher mögen besonders die großen wilden Huftiere, Auerochs und Wisent, den Wiesenboden oft zerstampft und aufgerissen haben. Der wichtigste Zerstörer des Wiesenbodens dürfte aber von jeher der Maulwurf gewesen sein. Und er ist es auch heute noch. Er wirft zwar kleine, aber doch zahlreiche Erdhaufen auf, die für die Entstehung neuer Samenpflanzen von großer Bedeutung sind. Solch ein Maulwurfshaufen ist ja groß genug, um eine ganze Anzahl Gräser und Kräuter aufnehmen zu können. Hier auf diesem lockeren Boden können die Sämlinge sehr leicht emporwachsen; sie können genügende Stärke und Widerstandskraft erlangen, ehe die Gewächse, die am Rande des Haufens stehen, durch seitliche Ausdehnung das neu entstandene Land okkupieren. Allerdings auch diese Möglichkeit der Verjüngung sucht der Mensch mehr und mehr zu beseitigen. Bei einer geordneten Wiesenpflege - und heutzutage wird ja alles mehr und mehr geordnet - werden die Maulwurfshaufen mit dem Rechen auseinander geharkt. Nun entgeht aber doch Mancher solche Erdhügel dem wachsamen Auge des Menschen, und dann bleibt immerhin eine kleine erdige Stelle übrig, nämlich die, wo die Öffnung war, durch welche der geschäftige “Moll” die Erde herausgeworfen hatte. Aus dem reichen und üppigen Blühen der Wiesenpflanzen kann man jedenfalls ersehen, daß die geschlechtliche Vermehrung bei ihnen eine große, ja eine sehr große Rolle spielt. Und diejenigen Gewächse, die sich nicht oder nur langsam auf vegetativem Wege vermehren, sind im letzten Grunde, um nicht gänzlich auszusterben, auf Ausstreuung von Samen angewiesen. Mitunter findet auch wohl ein Samenkorn selbst auf der Wiese rein zufällig eine leer gewordene Stelle, wo eine alte Pflanze abgestorben ist.

Wo ein solches Heer von Pflanzen beieinander steht, da wird es dem einzelnen Individuum mit seinen zahlreichen Blüten nicht immer leicht, die Befruchtung dieser Organe zu erreichen. Bekanntlich sind es die Insekten, die bei der Suche nach Blumenhonig den Blütenstaub von Blume zu Blume tragen. Insekten, die wirklich geeignet sind zu dieser Vermittlung der Befruchtung, gibt es nun nicht im Übermaße, wenigstens nicht im Vergleich zu der Unmenge von Einzelblüten. So hat sich unter den Wiesenpflanzen auch ein großer Wettbewerb um die Anlockung der Insekten ausgebildet. Es sind vor allem die Farbenpracht und die Größe der Blüten und Blütenstände, durch welche die Wiesenpflanzen die Aufmerksamkeit der Kerbtiere zu erregen suchen. Der Duft spielt hierbei eine geringere Rolle, und das liegt wohl daran, daß bei einer so gewaltigen Zusammenscharung von Pflanzen die verschiedenen Gerüche sich miteinander vermischen würden und so nicht als Führer zu bestimmten Blüten dienen könnten. In solchen offenen, niederen Vegetationsformen, wie es die Wiese ist, kann es gar keine bessere Zeichensprache für die Blumen geben als die Farbe. Im Walde dagegen ist die Ausschau verhängt, da leistet der Geruch unter Umstäuden viel bessere Dienste als die Farbe.

Die auffälligen, wechselreichen, glänzenden Farben sind es, die eine Wiese so freundlich gestalten. Vom ersten Frühling an bis in den Spätherbst hinein gibt es hier Blüten in Menge. Und auch diese Verteilung der Blumen über eine lange Zeit hängt mit dem Wettbewerb der Wiesenpflanzen um die Gunst der Insekten zusammen. Um der Blütenanhäufung in der wärmeren Zeit zu entgehen, entstand in vielen Wiesengewächsen die Tendenz, immer früher im Jahre zu blühen. Viele wiederum blühen sehr lauge den ganzen Sommer hindurch bis in den Herbst. Manche haben jedoch einen kurzen Blütenflor, allein dieser erscheint zu einer bestimmten Zeit, und während dieser kurzen Periode blühen alle Individuen derselben Art zugleich, so daß alle Blüten zusammen mit ihrer einzigen Farbe wie ein gewaltiges Reklameschild auf die blumeubesuchenden Insekten wirken mögen.

Dem ungleichzeitigen Auftreten der verschiedenen Blumen entspricht der anziehende Wechsel im Aussehen der Wiese. Nicht nur in jeder Jahreszeit und in jedem Monat, nein, in jeder Woche verändert sich das Bild der Wiese. Und die Blumen sind es, die vor allem den schönen Wechsel im Farbenspiel hervorrufen. Etwas weniger veränderlich sind die Gräser. Sie brauchen nämlich nicht auf den Besuch der Insekten zu reflektieren. Die Übertragung des Blütenstaubes besorgt bei ihnen der Wind. Für sie ist kein Grund vorhanden, warum nicht alle ziemlich gleichzeitig blühen Sollten. Für sie ist der beste Augenblick dazu gekommen, wenn der allgemeine Vegetationswuchs seinen Höhepunkt erreicht hat. Alsdann strecken sie ihre Schwankenden Halme mit den schlanken Ähren und luftigen Rispen in die Höhe. Gebilde, die so dünn und beweglich sind, daß der leiseste Windzug sie hin und her treibt und den Blütenstaub aus ihren Staubblättern herausschüttelt. Trotzdem tragen die Gräser, als die Hauptpflanzen der Wiese, sehr viel zu deren Aussehen und ihrer abwechslungsreichen Veränderung im Laufe des Jahres bei.

Am langsamsten geht die Veränderung naturgemäß in der kalten Jahreszeit vor sich. In den ersten Monaten des Jahres ist die Wiese in der Regel fahlweiß gefärbt. Die Halme und Stengelreste der Gräser und Kräuter sind zu dieser Zeit vollkommen ausgebleicht, so daß sie einen blassen, weißlichen Farbenton besitzen. Nur feuchtere Wiesen haben infolge von Moosen und Halbgräsern ein etwas dunkleres Kolorit. Das Gras erhält sich um so frischer, je milder der Winter ist. Dagegen wird es durch strenge Fröste, namentlich wenn es nicht durch eine Schneedecke geschützt wird, sehr stark ausgebleicht. Ist die Winterkälte vorüber und der Boden frostfrei geworden, so macht sich gewöhnlich sehr bald der Maulwurf bemerkbar. Im Frühjahr legt er seine neuen Gänge an. Da werden denn bald allenthalben die kleinen Erdhügel sichtbar. Kurz bevor das Gras und die Kräuter sich zu regen anfangen, geht der Landmann gewöhnlich mit Schippe oder Harke hinunter auf die Wiese, um die aufgeschüttete Erde auseinander zu werfen. Die Hügel würden nämlich später beim Mähen sehr hinderlich werden. Um diese Zeit singt bereits die Lerche in der Luft, und wenn sie schon die Ackerfluren vorzieht, so hält sie sich doch auch über den Wiesen auf, um in der Luft ihre wechselreichen, frischen Melodien erklingen zu lassen. Für die weiten Wiesenlandschaften Norddeutschlands, die, wie bereits erwähnt, aus alten breiten Strombetten entstanden, heutzutage häufig von Seen und Seenketten teilweise ausgefüllt sind, ist der Kiebitz der eigentliche Frühlingsvogel. Er liebt die Nähe des Wassers, und er brütet meist auf sumpfigem Terrain. Seine munteren Bewegungen und Flugkünste führt er aber über der ganzen Wiesenlandschaft auf. In kleinen Trupps sieht man diese hübschen Vögel sich unaufhörlich hin und her bewegen. Sie necken sich und spielen, fliegen bald auf, bald nieder. Bald beschreiben sie elegante Bogen, bald fliegen sie geradeaus. Oft spreizen sie ihre Flügel weit aus, und dadurch entsteht je nach ihrer Haltung ein wechselndes Farbenspiel von weiß und dunkel. Dabei lassen sie unaufhörlich ihr “Kiwitt” ertönen, das mit Inbrunst hervorgestoßen, vibrierend durch die Luft schallt. Auf trockenen Wiesen halten sich auch die Rebhühner auf, deren eifrige Liebestöne am Abend weithin zu hören sind.

Sobald die Frühlingslüfte milder wehen, erheben sich aus dem noch niederen Grün die ersten Frühlingsblumen, die Gänseblumen, bald auch die Primeln und die Feigwurz. Die ersteren finden sich nur auf trockenem Boden, bei dem die Vegetation nicht gar zu hoch wird, denn die Gänseblume ist eine ganz niedere Pflanze. Sie stellt sich besonders dahin, wo die Wiese vom Weidevieh immer besucht und dadurch niederer Rasen hergestellt wird. Die Primel liebt schweren Boden, sie ist daher in den großen sandigen Wiesenländereien Norddeutschlands weniger zu finden als auf den Bachwiesen und Bergwiesen des mittleren und südlichen Deutschlands. Ihre Blütezeit ist nur sehr kurz, aber während sie blüht, erhält der noch niedrige Wiesenplan durch ihre anfragenden, hellgelben BlütenschÄste einen eigenartig frühlingszarten Schmuck. Weit kräftiger im Farbenton ist die Feigwurz mit ihren saftigen Herzblättern und ihren glänzenden, goldgelben Ranunkelblüten.

Werden die Tage wärmer, so wird das Gelb bald zur Hauptfarbe der Wiesen. Auf feuchten Stellen blüht die Sumpfdotterblume und auf mehr trockenen der Löwenzahn, die Kuhblume. Besonders diese Blume dominiert am Ende April, anfangs Mai so sehr, daß sie die ganze Wiese in ein brennend gelbes Meer verwandelt. Um diese Zeit ist bereits die ganze Vegetation in üppiger Entfaltung. Gräser und Kräuter sprießen in die Höhe, aber die gelben Blütenköpfe überdecken mit ihrer leuchtenden Farbe das Grün der jungen Pflanzen. Das ist die Zeit, wo in den Gärten die jungen Obstbäume im weißen Brautschleier stehen und Wald und Busch voll und grün wird. Da summt es von Bienen über der gelben Wiese. Die Schmetterlinge erscheinen zum ersten Male in reicher Menge und in bunter Artenzahl. In allen Farben und Farbenmustern gaukeln sie umher und spiegeln sich im Licht der Sonne. Bald lassen sie sich auf einer Blüte nieder, um aus ihrem Schlund Honig zu naschen, bald fliegen sie in Paaren, miteinander spielend, umher. Ach, die schönste Zeit des Frühlings ist so bald vorüber! Der Blütenschnee fällt von den Bäumen und das Gelb der Kuhblumen geht über in ein fahles grau. Aus den kleinen Blüten sind mit Federschirmen versehene Früchtchen geworden, die nun den Blütenkopf der Kuhblume in einen Ball von Federn verwandeln.

Und zu gleicher Zeit nimmt das Weiß auf der Wiese überhand. Denn nun taucht das Wiesenschaumkraut mit seinen weißen Kreuzblüten auf. Zugleich erscheint das Hornkraut mit seinen fünfstrahligen Blütensternen und wohl auch der knollentragende Steinbrech. Aber die Herrschaft der weißen Farbe ist bald um. Nun kommt das Gros der Blumen angezogen, und der Wiesenteppich verschwimmt in ein Meer von bunten Farben. Allerdings gibt es Zeiten, wo auch jetzt noch einzelne Blumenarten die Vorherrschaft führen, aber die Vorherrschaft ist keine allgemeine, sie ist auf den einzelnen Wiesen verschieden. Hier haben zahlreiche Ranunkeln Platz gefunden, und sie geben der ganzen Wiese zeitweilig eine gelbe Farbe, dort kleiden die schönen Lippenblüten des Salbei den Wiesenteppich in ein schmuckes Blau.

Während im April und Mai nur helle Farben auf der Wiese anzutreffen sind, bringen die Blütenstände der Gräser dunklere Töne in das Farbenbild. Gegen Ende Mai brechen die Rispen und Ähren der Gräser hervor, sie besitzen alle rotbräunliche und fahlrote Nuancen, die einen hervorstechenden Zug der Wiesen von jetzt bis zur Heuernte bilden. Um diese Zeit verstärkt auch der Sauerampfer mit seinen braunroten Blütenständen den schweren, schwülen Sommerton der Färbung. Dagegen bringen die Kuckuckslichtnelken mit ihren zierlichen, luftigen Blüten und die Pechnelken, selbst der Rotklee schönere, hellere rote Farben zur Geltung. Blaue Tupfen bilden die Glockenblumen und der Günsel, und von weißen Blumen tut sich die schöne Wucherblume, das bekannte Maßliebchen, hervor.

Wenn die Gräser in der Blüte sind, dann hat die Vegetation der Wiese die größte Fülle erreicht. Von nun an gehen die Blüten in Samen über, die samentragenden Schosse und Triebe welken und verdorren. Die Wiese wird gelb und weiß und braun. Allein dahin kommt es nur in den seltensten Fällen. Wenn die Vegetation ihren Höhepunkt erreicht hat, so beginnt der Landmann die Wiese zu mähen.

Der Juni ist der Heumonat. Frühzeitig gehen die Schnitter hinunter nach der Wiese, wenn noch der Tau lange auf den Gräsern ruht. Denn die Sense schneidet viel besser, wenn die Pflanzen etwas feucht sind. zur Zeit des Schnittes schadet ein Regen nichts. Desto heißer ersehnt ist gutes Wetter beim Trocknen des Grases. Die Sense legt die abgemähten Pflanzen in dicke Schwaden. Diese müssen, damit Sonne und Wind das Gras besser ausdörren können, ausgebreitet werden. Ganz außerordentlich hängt der Mensch bei diesen Arbeiten vom Wetter ab. Herrscht Regenwetter, so bleiben die Schwaden noch unausgebreitet liegen. Allein wenn sie lange liegen, erhitzen sich die dicht liegenden Pflanzen, sie werden gelb und verlieren ihren Futterwert. Oft kommt es vor, daß sich gerade dann Regen einstellt, wenn das Gras bereits getrocknet, also gutes Heu geworden war. Dann beginnt die Arbeit des Trocknens von neuem. Das Heu muß öfters gewendet und durchgearbeitet werden, damit alle einzelnen Pflanzen richtig ausdörren können. Bei lang anhaltendem Regen oder bei öfterem Durchnässen bereits getrockneten Heues bleicht dieses sehr aus, es verliert auch dadurch viel von seiner Güte. Schon am Geruch kann man gutes Heu von minderwertigem genau unterscheiden. Die Arbeit des Heuens erfordert nicht nur viel Schweiß und Geduld, sondern auch mancherlei Überlegung. Vorsichtige Landwirte setzen vor Abend das Heu in Haufen, um es in der Nacht, in der es doch nicht trocken wird, vor Regen und vor Tau zu bewahren, und breiten es am anderen Tag wieder aus. Beim Aufladen des in Haufen gesetzten Heues ist der Wind sehr störend. Er wirft die dünnen Halme und Stengel nach allen Richtungen auseinander, so daß die Arbeit des Zusammenharkens kein Ende nimmt. Man spottet oft über die Landleute, weil sie sich so viel vom Wetter unterhalten. Aber man sieht an dieser Arbeit des Heuens allein, was die Witterung für sie zu bedeuten hat. Beim Mähen soll es trübe und feucht, beim Heumachen sonnig und windig, beim Einholen der Ernte trocken und windstill sein. Nun geht natürlich die Ernte nicht auf allen Wiesenstücken und bei allen Bauern gleichzeitig vor sich. Der eine braucht dieses Wetter und der andere jenes. Da kann man sich denken, daß das unschuldige Wetter der Anlaß wird zu Rede und Gegenrede, zu Ärger und Freude, zu Neid und Schadenfreude und zu wer weiß was sonst noch!

Sonniges, heiteres Wetter wird allerdings in der Heuernte schließlich alle befriedigen. Selbst die Schnitter söhnen sich mit ihm aus. Auf den Wiesen herrscht, wenn das Heu einmal abgemäht ist, eine ungeheure Hitze. Vorher kühlt die frische grüne Vegetation. Allein das ausdünstende Heu erzeugt eine schwüle Luft, die auf uns weit drückender als Sonnenhitze wirkt. Auch dann, wenn das Heu trocken geworden ist und die ganze Tageswärme in sich aufgenommen hat, geht von ihm eine Backofenhitze aus. Ist das Heu von der Wiese eingebracht worden, so liegt diese einige Zeit recht kahl und freudlos da. Der Storch, der allezeit die Wiesen gern besucht, kann seine roten Beine nicht mehr im Gras verstecken. Dafür entgeht ihm der Frosch noch weniger als sonst. Es dauert übrigens nicht lange, so wird die Wiese wieder grün und frisch. Die abgemähten Pflanzen, die ihren vollen kräftigen Wurzelstock behalten haben, treiben jetzt, wo ihnen auch die Wärme hilft, viel schneller empor als im Frühjahr. Bald hat die Wiese wieder das Aussehen wie vor der Mahd. Allerdings machen sich jetzt im Hochsommer weiße Doldengewächse, vor allem Bärenklau, Pastinak, wilde Mohrrübe breit, auch die Schafgarbe, die einem Doldengewächse ähnlich sieht, aber zu den Korbblütlern gehört, blüht jetzt. Bald tauchen auch die Gräser wieder mit ihren bräunlichen Blütenständen hervor. Oft genug macht sich auch die Distel mit ihren großen roten Blütenköpfen bemerkbar, ein unwillkommener Gast, der mit seinen Stacheln die Arbeit des Heuens sehr erschwert.

Der Farbenton der Wiesen ist im Hochsommer nicht mehr ganz so freudig wie vor der Mahd, aber immerhin ist auch jetzt noch die Wiese das Bild farbenfreudigen Lebens. auch jetzt noch tummeln sich Schmetterlinge über ihren Blumen. Allerhand andere Insekten nehmen auf den Pflanzen Platz, vor allem springt und hüpft es von unzähligen Grashüpfern, die alle in Bewegung geraten, wenn man über die Wiese schreitet.

Gegen Ende August erfolgt die zweite Mahd. Man nennt das Heu, das sie liefert, in vielen Gegenden Grummet. Oft zieht sich diese zweite Ernte bis weit in den September hinein. Je mehr aber die Jahreszeit vorrückt, um so kürzer werden die Tage. Der Tau bleibt sehr lange auf den Pflanzen liegen, und so wird das Trocknen immer mehr erschwert. Die zweite Mahd könnte oft später stattfinden, wenn nicht die Schwierigkeit des Trocknens mit der Zeit zunehmen würde.

Nach der Grummeternte ist die Glanzzeit der Wiese vorbei. Oft zwar erfreut noch in einem milden feuchten Herbst die Graslandschaft das Auge durch ein schönes frisches Grün. Werden die Tage aber kühler und stellen sich erst die Nachtfröste ein, dann bleicht das Grün immer mehr. Die Wiesen werden weißlich, noch ehe sie der Winterschnee mit seinem großen Leichentuche verhüllt.

Einfacher in ihrer Pflanzenzusammensetzung und monotoner in ihrem Kolorit sind die sauren Wiesen. Durch die stehende Nässe versauert der Boden, er wird für die meisten Gewächse ungeeignet. Doch lieben manche Pflanzen, vor allem die Cyperaceen oder Halbgräser, ein solches halbsumpfiges Land. Das Grün dieser Gewächse ist bei weitem nicht so frisch und leuchtend wie das der Gräser. Es hat einen Stich ins Gelbliche oder ins Bräunliche. Im ersten Frühjahr, wenn die guten Wiesen längst grün sind, verharren die sauren Wiesen noch in einem düsteren oder fahlen Braun. Der Boden erwärmt sich nicht so schnell, darum erhebt sich die Vegetation um Wochen später als anderswo. Die lebhaften Farben, die leuchtenden Blumen fehlen diesen Wiesen fast gänzlich. Zwar gibt es auch hier Blumen, aber sie tragen ihre Blüten nicht so zur Schau, wie auf den hohen Wiesen. Minze, Fieberklee, Herzblatt haben entweder unscheinbare Blüten oder sie bleiben doch so im Grün der Seggen versteckt, daß sie der Wiese keine hellere Färbung verleihen. Häufig ist auf sauren Wiesen auch eine hohe Schachtelhalmart, die mit ihrem dürren, trockenen Schaft ein armseliges Futter abgibt. Die sauren Wiesen werden gewöhnlich nur einmal des Jahres und zwar im Juli gemäht. Das Wachstum ist zu langsam, als daß sich zweimalige Mahd lohnte. Ein Schnitt liefert soviel wie zweimaliges Schneiden liefern würde und die Arbeit und das Risiko ist nur halb so groß. Häufig genug stehen diese an und für sich sehr feuchten Wiesen förmlich unter Wasser, wenn der Sommer naß ist. Alsdann wird das Gras unter großen Mühen von dem nassen Boden auf höhergelegenes Land gebracht, um dort zu trocknen. Der Wagen kann die Wiese nicht befahren, Pferde und Räder würden in ihr versinken. So müssen die Menschen das Heu oder gar das um soviel schwerere Gras mühselig auf dem Rücken von der Wiese tragen. Wenn wenigstens der Weg eben wäre! Aber der Fuß plätschert durch stehendes Wasser, bald bekommt er einen Halt an einem hervorragenden Grasbüschel, bald sinkt er tief hinein in das weiche Erdreich. Wenn nun vollends noch der Wind von vorn kommt und den Träger am Vorwärtsschreiten hindert, dann ist die Arbeit sauer genug.

Das Heu von diesen nassen Pflanzen hat wenig Futterwert. Es hat einen sehr strengen direkt unangenehmen Geruch. Die Pferde werden damit nicht gefüttert. Die Kühe bekommen es in Mischung mit besserem Heu. Oder man gibt es ihnen als Vorspeise, als “Entree”, nicht um ihren Appetit zu reizen, sondern in der berechtigten Annahme, daß sie es liegen lassen werden, wenn sie vorher schon besseres Futter bekommen haben. Vor der Mahd hat die Vegetation der sauren Wiesen einen schweren dunklen Ton, bald danach verjüngt sie sich zwar einigermaßen, aber sehr bald wird sie braun, ganz düster braun. Und so bleibt sie die kalte Jahreszeit hindurch, solange nicht der Schnee sie unseren Blicken ganz entzieht. Düster wie die Vegetation ist auch die Tierwelt aus diesen nassen Wiesen. Kein Schmetterling, kein bunter Vogel besucht sie. Es wimmelt hier von blassen Schnecken. Die Frösche und Kröten finden hier eine gute Mahlzeit. Und sie sind es wieder, die auch die Ringelnatter nach diesen feuchten Plätzen führen. An warmen Tagen sieht man sie mit ihrem glatten, langen, biegsamen Körper sich leicht durch die Schachtelhalme und Seggen schlängeln.

In neuerer Zeit hat man viele von diesen sauren Wiesen durch Überschütten mit Erde in gute Grasländereien umgewandelt. Auch die Graswiesen selbst nehmen unter der Einwirkung des Menschen einen anderen Charakter an. Durch Aussaat von besonders guten Futtergewächsen wird auch dieser Vegetationsform allmählich der Stempel der Kultur aufgedrückt. Die Düngung mit Kainit und Thomasmehl, die allenthalben bei intensivem Betrieb der Landwirtschaft angewendet wird, begünstigt zudem das Aufkommen von einigen wenigen guten Kulturgräsern und der Schmetterlingsgewächse, zumal der kleeartigen Pflanzen. Die Üppigkeit des Wachstums wird dadurch auf vielen von Natur aus dürren Wiesen erhöht, aber die Buntfarbigkeit schwindet mehr und mehr. Immerhin dürfte es noch lange dauern, bis die Wiesen im allgemeinen Felder von Futtergewächsen geworden sind. Noch lange werden sie das belebende, buntfarbige, freundliche Element in unserer Landschaft bilden!

Knieholz auf der SchneekoppeKnieholz auf der Schneekoppe

An der Baumgrenze.

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s herrscht bekanntlich ein merkwürdiger Parallelismus zwischen der Vegetation des höheren Nordens und der oberen Bergregionen. Die sichtbarste, jedem Laien sofort auffallende Ähnlichkeit besteht in dem Aufhören des Baumwuchses von einem bestimmten Breitengrade oder Höhenniveau an. Nach dem Norden zu, wie nach den Berggipfeln hin nimmt das jährliche Durchschnittsminimum der Temperatur stetig zu. Es ist daher der Schluß berechtigt, daß die Kälte es ist, die den Baumwuchs sowohl auf den Bergspitzen wie im hohen Norden verhindert. Allein gewöhnlich stellt man sich doch den Einfluß der Kälte anders vor, als er tatsächlich wirkt. Man darf nicht denken, daß eine so hohe Pflanze, wie es ein Baum ist, gegen die Kälte empfindlicher wäre als ein niederes Kräutlein. In der gewaltigen Ausbildung des Holzkörpers und einer dicken borkigen Rinde scheint solch ein Baumriese auch gar nicht verzärtelt zu sein. Auch ist nicht einzusehen, warum die Zirbelkiefer, die in den Alpen und in Nordasien die Baumgrenze bildet und dort große Kältegrade erträgt, plötzlich vor wenigen Grad Kälte mehr Halt machen sollte. Die Holzbildung ist es ebenfalls nicht, die den Baum besonders empfindlich gegen Kälte machen würde. Denn jenseits und über der Baumgrenze gibt es noch genug Holzgewächse, wenn sie auch nur als meterhohe oder als kriechende Sträucher auftreten.

Die Wirkung der Kälte auf den Baumwuchs der Hochgebirge und des Nordens äußert sich vielmehr darin, daß sie die ausgiebige Ernährung der Pflanzen verhindert und darum Riesenpflanzen überhaupt nicht produziert. Früher glaubte man, das charakteristische Merkmal der alpinen und der polaren Gewächse bestände darin, daß sie sich der Kälte angepaßt haben. Nun ertragen derartige Pflanzen freilich die Kälte, und zwar starke Kälte, allein die Anpassung an die Kälte ist es wahrscheinlich nicht, welche die alpinen und polaren Gewächse besonders vor anderen auszeichnet. Vielmehr ist es, worauf besonders Eugen Warming zuerst hingewiesen hat, eine ausgesprochene Fähigkeit, die Wasserverdunstung zu verhindern, welche jene Pflanzen charakterisiert. Das hängt aber mit den Verhältnissen zusammen, die an der Baumgrenze herrschen und die auch die Erklärung für das plötzliche Aufhören des Baumwuchses an die Hand geben.

Jenseits der Baumgrenze im Norden zieht sich die Tundra hin, und auf dem Hochgebirge folgt die Region der Alpensträucher. Für beide Gebiete ist es ein Merkmal, daß der Boden in seiner Tiefe gefroren und nur während kurzer Sommermonate an der Oberfläche mehr oder minder frei von Frost ist. Oft beträgt die eisfreie Schicht des Bodens nur wenige Zentimeter. Die Wurzeln von größeren Pflanzen, die eine ihrer Höhe entsprechende tiefe Wurzel haben müssen, würden daher zum Teil in gefrorenem, zum mindesten in sehr kaltem Boden stehen. Während Wärme den Vegetationsprozeß beschleunigt, verlangsamt ihn die Kälte. Die Wurzeln werden also ihre Tätigkeit, Wasser aus dem Boden aufzunehmen, nur sehr unvollkommen und langsam vollbringen können. Anderseits ist die Wirkung der Soune auf dem Gebirge oder an den langen Tagen des Nordens kaum geringer als in der Ebene und in niederen Breiten. Die Wirkung des Windes ist aber in beiden Gebieten stärker als anderswo. Sonne und Wind zwingen die Pflanzen zu schneller Verdunstung des Wassers. Da nun die alpinen und nordischen Pflanzen wenig Wasserzufluß haben, dagegen die Faktoren, welche Wasserverlust herbeiführen, mächtig sind, so mußten die Pflanzen, um existenzfähig zu sein, Einrichtungen in sich ausbilden, die den Verhältnissen ihres Standorts entsprechen. Sie schützen sich also - und in dieser Beziehung gleichen sie merkwürdigerweise den Wüstenpflanzen - durch Ausbildung von Fettblättern und durch niederen, rosettenartigen Wuchs vor Wasserverdunstung.

Da der Boden in der Tiefe kalt oder ganz gefroren ist, so geht die Wurzeltätigkeit nur langfam vor sich. Die Pflanze nimmt nicht viel Wasser in sich auf und infolgedessen auch nicht viel Nahrungsstoffe. Denn diese sind ja im Wasser gelöst. Eine Pflanze, die wenig Nahrung aufnimmt, wird sich im allgemeinen nicht durch Größe auszeichnen. Innnerhin kommt es vor, daß selbst in dürrem, armem Boden hohe Pflanzen wachsen, man denke zum Beispiel an die stattlichen Säulenkakteen Perus oder Mexikos. Allein bei den alpinen und nordischen Gewächsen kommt hinzu, daß die Wurzeln sich ganz flach ausbreiten müssen, weil der in der Tiefe gefrorene Boden das Eindringen der Wurzeln verhindert. Mächtige Bäume werden hier um so weniger gedeihen können, je flacher die frostfreie Oberflächenschicht ist. Sie finden in dem Boden keinen festen Halt, zumal der Wind ihnen heftiger zusetzt als anderswo. So ist denn das Aufhören des Baumwuchses keine unmittelbare Folge der Kälte. Es ist vielmehr eine Folge der Armut, des Nahrungsmangels und der Flachgründigkeit des Bodens, die ihrerseits allerdings durch die Kälte verursacht worden sind.

Der Baumwuchs erlischt nicht auf einmal. Es gibt Übergangszonen, in denen die Bäume allmählich niedriger, Buschartiger, verkrüppelter werden. Das kann man schon in unseren höheren Mittelgebirgen, auf dem Brocken oder im Riesengebirge genau beobachten. Oben wird der Hochwald nach und nach niedriger, die Stämme stehen weiter aneinander oder bilden wenigstens auffälligere Lücken. An dem dichten Überzug von Flechten merkt man ihnen bereits die Ungunst ihrer Lage an. Schließlich bilden die Bäume nur noch einen niederen Buschwald. Die Bäumchen stehen sehr licht, schief und unsymmetrisch. Die Äste stehen meist nur auf einer Seite. Der Wind läßt Äste nur in der Richtung von der Wetterseite weg aufkommen. Daher diese einseitige Verzweigung der Bäume. Allein die Windwirkung ist doch nicht immer an der Baumgrenze der Gebirge zu spüren. F. Fankhauser hat in einer Abhandlung “Der oberste Baumwuchs” in der “Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen” zwei Typen von Waldgrenzen unterschieden. Der eine ist der eben erwähnte, wie wir ihn im Harz finden. Der Baumwuchs tritt bis zuletzt in geschlossenen Beständen auf, wenn diese natürlich auch immer niedriger und infolge der Einwirkung des Windes immer lichter werden. Bei dem zweiten Typus löst sich der Wald in einzelne Baumgruppen auf.

Das ist vor allem in den Alpen der Fall. Die Ursache für die verschiedene Ausbildung des obersten Baumwuchses liegt in der Wirkung des Windes. Auf den niedrigeren Gebirgen wie Harz, Vogesen, Karpathen liegt die Baumgrenze nahe dem Gipfel der Berge. Hier oben läßt der Wind einzelne Baumgruppen nicht aufkommen und schneidet den nach oben vordringenden geschlossenen Waldbestand in gerader Linie ab. Anders auf den Hochgebirgen. Hier liegt die Baumgrenze verhältnismäßig tief unterhalb der Gipfel, sie wird von den hohen Bergspitzen überragt, an denen der Wind sich bricht, seine Wirkung wird also aufgehoben, vorherrschend sind nur noch die Verhältnisse, denen sonst der Baumwuchs an der Baumgrenze erliegt. Die Kälte wird ihre Wirkung allein äußern. Und da ist zu bedenken, daß ein Boden, der mit Wald bedeckt ist, der Erwärmung nicht so leicht zugänglich ist, als ein waldloser. Während der geschlossene Bestand infolge der durch die Kälte verursachten Bodenarmut ein Ende nehmen muß, können sich einzelne Baumgruppen oberhalb dieses Waldes noch erhalten, da im Freien der Boden mehr erwärmt wird und längere Zeit und in größere Tiefen hinab frostfrei ist. So liegen die Verhältnisse auch nach den Polen zu. Hier fallen die Waldgrenze und die Baumgrenze durchaus nicht zusammen, wenn sie auch an mehreren Stellen mit einander übereinstimmen.

Die Baumgrenze wird aus den Gebirgen von sehr verschiedenen Bäumen gebildet. In Deutschland ist die Fichte im allgemeinen der am höchsten hinaufsteigende Baum. Aber welch ein Unterschied zwischen diesen stolzen, kühn und spitz emporsteigenden Riesen der unteren Bergregionen und den niederen, einseitigen, von grauen Flechten umsponnenen Stämmchen der Baumgrenze. In den Alpen ist die Zirbelkiefer die letzte Vertreterin der Baumwelt. Sie ist der richtige Hochgebirgsbaum, der die unteren Regionen meidet und von einem bedeutenden Höhenniveau ab den oberen Bergwald bildet. In den Bayrischen Alpen liegt ihr Gebiet in einer Meereshöhe von etwa 1500 bis 1860 Metern, in der Schweiz geht sie bis 2300 Meter hinauf. In anderen Ländern und Zonen wird die obere Baumgrenze von anderen Arten gebildet. So sind es in den Tropengegenden die Farnbäume, welche die höchsten Regionen des Bergwaldes einnehmen.

Auf schwarzen, schlanken Stämmen ruhen graziöse Wedel, ein seltsames Gemisch der rauhen, feuchten Bergluft und der Üppigkeit der Tropen, welches diese Farnpflanzen zur Baumhöhe emporwachsen ließ. So schildert Carl Chun in dem bekannten Prachtwerke “Aus den Tiefen des Weltmeeres” den oberen Bergwald des Kamerunpiks: “Einen besonderen Schmuck bergen die Wälder der Höhenregion in ihren Farnbäumen. Bald vereinzelt oder in Gruppen zusammenstehend, bald wieder kleine geschlossene Bestände bildend, tragen sie nicht wenig dazu bei, den tropischen Charakter der Landschaft zum vollendetsten Ausdruck zu bringen. Ein Farnwald nahm uns in sein geheimnisvolles Zwielicht auf, das an wuchtiger Entfaltung der schwarzen stachlichen Stämme und an graziösem Schwung der gewaltigen Wedel seinesgleichen sucht. Die eigenartige Stimmung von Schwarz und Grün, untermischt mit dem Braun der abgestorbenen alten oder hirtenstabförmig gebogenen jungen Wedel, der charakteristische Duft und das durch die Fiederästchen gedämpfte Licht wirken fast zauberisch auf den unbefangenen Beschauer.” Allerdings sind diese Farnbäume auch von einigen Bäumen der höherorganisierten Pflanzenfamilien begleitet, aber sie bilden doch das charakteristische Element der Waldgrenze. Auf dem Kamerunpik liegt die Baumgrenze in 2000 Meter Meereshöhe. Von da an beginnt ein weites Grasland, dessen Pflanzen freilich mehr als einen Meter hoch sind.

Nach Norden zu wird die Baumgrenze auch von verschiedenen Bäumen gebildet. Karl Roder hat in seinem Buche “Die polare Waldgrenze” genau die Linie verfolgt, an welcher der geschlossene Baumbestand im Norden sein Ende findet. Wenn auch Waldgrenze und Baumgrenze sich nicht ganz decken, so sind es doch im allgemeinen dieselben Baumarten, welche diese wie jene bilden. In Europa sind es Kiefern, Birken, Fichten und Lärchen, welche die nördlichsten Wälder bilden. Die Linie zieht sich hier unter dem Polarkreis dahin. In Asien reicht der Wald teilweise nördlicher, beim Jenisseiknie dringt er bis zu 69 Grad 40 Minuten nördlicher Breite vor, am Chatanga geht er am weitesten nach Norden, nämlich bis zu 72,5 Grad. In Asien bildet auch die Lärche auf weite Strecken hin die Waldgrenze, vom Ural an bis zum Verchojansker Gebirge ist sie allein der Waldbaum des höchsten Nordens, von da an nach Osten hin gesellen sich ihr die Balsampappel und die dahurische Lärche, die sogenannte Strauchzeder, zu. In Nordamerika sinkt die Waldgrenze viel weiter nach Süden herab. Nordamerika ist bekanntlich viel kälter als Europa, man bedenke, daß Newyork unter demselben Breitengrade wie Neapel liegt, aber kaum ein milderes Klima hat wie Berlin. In Nordamerika zieht sich also die Waldgrenze vom 66œ. Breitengrad bis zum 57. Grade an der Ostgrenze herab. Auch die Südspitze Grönlands und einige Teile von Island sind noch mit Wald bedeckt. In Nordamerika bilden im Osten die Sitkafichte, im Westen die Weiß- und Schwarzfichte, sowie die Balsampappel, Balsamkiefer, Lärche und Canada-Espe die Waldgrenze.

Die Baumgrenze nach Norden wie nach den oberen Bergregionen zu ist der Abschluß eines großen Waldgebietes. In jenen hohen Breiten und auf den Bergzonen, in welchen die Bäume allmählich die Grenze ihrer Verbreitung finden, ist es so kalt, daß Ackerbau nicht mehr möglich ist. Infolgedessen ist die Bevölkerung spärlich, das Klima ist selbst für Hirten kein angenehmes, und so vermag der Mensch gegen die Vegetation nichts auszurichten. Das Naturbild bleibt unverändert, der Urwald unausgerodet, selbst der moderne Forstbetrieb vermag in jenen oberen Bergregionen nicht umgestaltend einzugreifen. So gibt es denn auf den europäischen Hochgebirgen, wie überhaupt auf den hohen Bergen der gemäßigten Zone, eine obere Waldregion, und zwar Nadelwaldregion. Die Baumgrenze oder Waldgrenze ist der Abschluß jener Nadelwaldregion nach oben zu. Ebenso breitet sich auch südlich von der Baumgrenze des Nordens ein breiter Nadelwaldgürtel rings um die Erde. An die Fichten-, Kiefern- und Lärchenwälder Skandinaviens, Finnlands und des nördlichen Rußlands schließt sich der gewaltige Nadelwaldgürtel Sibiriens an, in dem Zirbelkiefern, Lärchen, eine Fichtenart (Picea obovata), Weißtannen die Hauptvertreter bilden. Ebenso gehören die unerschöpflichen Waldungen des britischen Nordamerika dem Nadelwaldgürtel an, in dem dieselben Bäume, wenigstens in den nördlichsten Teilen, vorherrschen, welche als letzte Repräsentanten des Waldwuchses bereits erwähnt wurden.

Jenseits der Baumgrenze folgt auf den Bergen wie im Norden eine Region der Sträucher. Diese bilden den Übergang zu dem niedrigen Krautwuchs der obersten Bergregionen und zu der Tundra des Nordens. Unter Tundra versteht man überhaupt das Gebiet nördlich von der großen Nadelwaldzone, nördlich der Baumgrenze. Aber im botanischen Sinne wird nur eine, allerdings die verbreitetste Formation dieses Gebietes als Tundra bezeichnet. Der Boden ist hier bis auf eine flache Oberflächenschicht gefroren, so daß nur eine zwerghafte Vegetation aufkommen kann, die polsterartig auf dem Boden liegt, ohne ihn zusammenhängend zu bedecken. Die Formation, die jedoch unmittelbar auf die Baumgrenze folgt, nähert sich in ihrer Pflanzenwelt mehr der Zwergstrauchheide, nur daß unmittelbar jenseits der Baumgrenze die Sträucher noch etwas höher sind als weiter nordwärts. Die Zwergbirke, der Zwergwacholder, mehrere Buschweiden, Rhododendron bilden hier die Höhenpunkte, während eine Menge von Heide- und Heidelbeergewächsen den Boden bedecken. Diese niedrige Strauchlandschaft mit ihrem dürren Heidekraut und ihren lederblättrigen Beerensträuchern macht einen melancholischen, düsteren Eindruck, weit mehr als die nördlicher gelegenen Regionen, die wenigstens im Sommer als saftige blumenreiche Wiesen erscheinen.

Auf den Gebirgen in den Alpen und auch auf dem Riesengebirge geht der Baumwuchs an vielen Stellen allmählich in eine Krummholzvegetation über. Das Krummholz, die Bergkiefer oder Latsche, bildet an der Baumgrenze selbst bisweilen stattliche Büsche, um bei immer höherer Lage allmählich in jenes niedrige, dichte, am Boden hinkriechende Strauchwerk überzugehen, dessen verschlungenes Flechtwerk dem Wanderer so große Schwierigkeiten entgegensetzt. Die Krummholzregion mit ihrem schwarzen einförmigen Nadelgeflecht, mit ihrer großartigen Ausnutzung des Raumes, ihrer Anpassung an den Sturm, ist eine der absonderlichsten Pflanzenformationen. Neben und jenseits der Bergsträucherlandschaft kommen in den oberen Bergregionen auch andere Sträucherformationen vor, die diese strenge Einheitlichkeit nicht zeigen. Die Pflanzen, die jenseits der Baumgrenze im Norden Strauchheiden bilden, treten auch in den Gebirgen auf. Die Zwergarten von Birke, Erle, Weide und Wacholder sind auch hier verbreitet. In den Alpen gesellen sich ein paar schöne Alpenrosen-Arten hinzu. Die kleinen Zwergsträucher, Preiselbeeren, Heidelbeeren, Bärentraube, Heidekraut, Almenrausch, die alle schon vorher in der Nadelholzregion häufig waren und um so häufiger werden, je mehr sich der Baumbestand verdünnt, treten nun jenseits der Baumgrenze besonders zahlreich hervor und bilden dürre einförmige Heiden. Fast alle diese niederen Sträucher haben lederartige Blätter, ein Zeichen, daß sie sich vor Verdunstung des Wassers schützen müssen. Und doch sehen wir oft, daß die Bergluft von Nebel und Feuchtigkeit erfüllt und der Boden mit Wasser durchtränkt ist. Allein der Boden ist eben sehr kalt und deshalb die Wasseraufnahme außerordentlich beschränkt. Scheint die Sonne am Tage dann aber nur kurze Zeit, so glüht der kiesige oder sandige Boden, auf dem die Sträucher wachsen. Waldpflanzen würden sofort verwelken. Allein die Bergsträucher besitzen alle die Einrichtungen, welche die unnötige Verdnnstung des Lebenssaftes verhindern. Es ist eben - so paradox das klingen mag - nicht so sehr ein Kampf gegen die Kälte als gegen die Trockenheit - die Hitze, welchen die Bergpflanzen auszukämpfen haben.